An der Leine

Erlebnisse einer TA (116)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Meine Vorliebe für Firmen-Hotlines habe ich ja schon oft bekundet. Aber auch nach etlichen Jahren im Labor bin ich immer mal wieder so naiv, dass ich denke: „Ich ruf da kurz (!) an, kläre das mal eben – und am Ende des Telefonats habe ich eine Lösung und kann mich um das nächste Problem kümmern.“

Bevor ich jedoch zum Äußersten greife (Telefonhörer!), durchforste ich doch lieber erst die Firmen-Homepage – vielleicht finde ich ja da schon eine Lösung für mein Problem. So auch beim letzten Mal, als ich lediglich eine neue Verschlusskappe für unsere Vakuumeinheit beschaffen wollte. Ich fand alles Mögliche auf der Homepage, nur keine Ersatzteile. „So etwas braucht man scheinbar nicht“, dachte ich. Und wie recht ich behalten sollte...!

Also wählte ich die Nummer der Hotline. Ich erspare uns die Details, die ich mit der Stimme vom Band erlebte – und mache es kurz: Nach Drücken von drei verschiedenen Ziffern kam ich endlich zu einer echten Person durch. Die Dame war sehr nett, hatte einen Akzent und arbeitete wahrscheinlich noch nicht allzu lange bei der Hotline. Dazu später mehr.

Ich legte mein Problem offen und bat um die Bestellnummer der Verschlusskappe mit dem Entlüftungsriegel.

Editorial
Rechter oder linker Stöpsel?

Stille. Sie fragte nochmals nach, um welches Gerät es sich handelt. Ich wiederholte die Bestellnummer und den Gerätetyp. Hektisches Tastenklappern auf der anderen Seite. „Ah, ich hab‘s!“, hörte ich die Dame sagen – und war ernsthaft zum ersten Mal in meinem Leben überrascht, wie einfach man via Hotline zur Problemlösung gelangen kann.

Die Begeisterung hielt bis zu folgender Frage: „Brauchen Sie rechte oder linke Stöpsel?“ Ich wollte ganz spontan sagen, dass das darauf ankommt, wie herum das Gerät aufgestellt ist, behielt aber meine phänomenale geistige Verknüpfung für mich. „Ich brauche die Kappe mit dem Entlüftungsriegel, die eine Seite hat ja keinen.“

„Stimmt.“ Gut. Da vom anderen Ende der Leitung nichts mehr zu hören war, wartete ich einfach. „Halten Sie bitte die Leine, ich melde mich gleich wieder. Moment.“

Es knackte in der Leitung und ich lauschte irgendwelchen klassischen Klängen. Sie hatte tatsächlich „Leine“ gesagt. Wieder knackte es. „Noch einen kleinen Moment, bitte warten!“ Klar, was sollte ich auch sonst tun. Ich war ja schließlich damit beschäftigt, die Leine zu halten.

Es knackte wieder. „Hallo? Es gibt keine Bestellnummer für die Kappe.“ Ich atmete tief durch und stellte eine für mein Dafürhalten völlig sinnige Frage: „Und wie kann ich dann die Verschlusskappe bestellen?“ „Moment, ich frage meinen Kollegen, bitte halten Sie die Leine!“

Gut, ich hielt solange die Leine – kein Ding, ich konnte ja eh nix anderes machen. Zudem hatte ich noch Hoffnung, dass der Kollege die Bestellnummer mal eben aus dem Ärmel zaubert und ich die Leine dann auch wieder loslassen könnte.

Es knackte. Juhuu! „Hallo? Also es gibt keine Nummer. Sie müssen das Gerät neu bestellen.“

Ich fasste kurz das Ergebnis zusammen: Da es keine Möglichkeit gab, die Kappe zu bestellen, nehme ich einfach das komplette Gerät neu für schlappe 950 Euro. Ich ließ dann mal kurz die Leine los und sammelte mich.

Ich wiederholte meine Zusammenfassung, diesmal laut und an die nette Dame gerichtet. Sie bestätigte meine haarscharfe Kalkulation. Daraufhin fragte ich, ob ich mal eben ihren Vorgesetzten sprechen könne, eventuell habe der ja eine Lösung für mich. „Ja Moment, ich frage nach – bleiben Sie bitte an der Leine.“ Ich hielt also nicht mehr, ich blieb.

Kurz darauf schlug sie mir vor, einen Außendienstmitarbeiter vorbeizuschicken, eventuell könne der mir ja helfen...

Und wenn der mir dann doch nicht helfen kann, dann hätte ich wenigstens Gesellschaft an der Leine.



Letzte Änderungen: 01.08.2018