Oh, Happy Day!

Erlebnisse einer TA (97)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Ja, liebe Leser, auch dieses Jahr weihnachtet es wieder. Dabei kann ich mich noch gut an letztes Jahr erinnern, Heiligabend fiel auf einen Mittwoch. Montags stand ich noch voller Tatendrang im Labor, alle Geräte surrten auf Hochtouren, die PCR-Maschine gab zum Jahresende ihr Bestes, ein Stapel unerledigter Sachen ruhte neben meinem Schreibplatz. Daneben stand mein Wackelweihnachtsmann. Den hatte ich letztes Jahr bei unserer Weihnachtsfeier gewichtelt. Wenn man ihm auf den dicken Bauch drückt, schwingt er die Hüften zu „Oh, Happy Day“. Wenigstens das finde ich originell. Ich hatte ja mit Schlimmerem gerechnet. Mein Weihnachtsmann wird zwar täglich von meinen Kollegen belächelt, aber ich finde, er hat das Recht, wenigstens vier Wochen im Jahr aus der Schublade rauszukommen.

Editorial
Stimmungsvoller Bunsenbrenner

Die Laborflure wurden im Laufe jenes Montags schon langsam leerer. Und spätestens am Dienstag Vormittag war mir klar: „Mister Happy“ und ich waren alleine. Dabei war doch erst der 23.! Waren tatsächlich schon alle im Weihnachtsurlaub verschwunden? Ich tippte meinen einzigen Mitstreiter an, aber was richtig Neues hatte er nicht zu berichten. Oh, Happy Day! Ich hatte noch einiges zu tun, also legte ich los. Immer unter den strengen Augen von „Mister Happy“. Eigentlich hätte ich es mir im Labor so richtig gemütlich machen können: Anstatt einer Lichterkette könnte man sämtliche Geräte anstellen, bunte Lichtchen haben sie schließlich alle. Die Heizplatte eignet sich sicher auch zum Glühwein warmmachen, und für die heimelige Stimmung könnte vielleicht der Bunsenbrenner sorgen. Ich überlegte sogar, kurzfristig die Yucca-­Palme aus dem Sekretariat zu holen und bunte Eppis dran zu hängen...

Da flog die Labortüre auf. „Mister Happy“ und ich zuckten zusammen. Ich war gespannt: Wer wagte es, unsere weihnachtliche Idylle zu stören? Gab es tatsächlich noch Leben am 23.12.? Das Gleiche schien sich der Lieferant auch zu denken. Fast überschwänglich begrüßte er mich. Doch offensichtlich ignorierte er „Mister Happy“, denn er meinte: „Wenigstens eine Person treffe ich hier an!“ Ich war ebenfalls erfreut – allerdings mehr über die Tatsache, dass ich endlich die bestellten Primer bekomme, als über den unerwarteten Besuch. „Auch eine Art Weihnachtsgeschenk“, dachte ich und wollte dem Lieferanten fast einen Lebkuchen anbieten.

„Mister Happy“ war allerdings so enttäuscht über die Ignoranz des Lieferanten, dass er spontan anfing, mit seinen Hüften zu kreisen. Jedoch ohne zu singen. Was war da los? Besorgt nahm ich ihn hoch, drehte ihn auf den Kopf – warum auch immer – und fing an, ihn zu schütteln. Macht man das nicht so?

„Nein, nicht schütteln!“ Hoppla, unser Lieferant zeigte doch zwischenmenschliches Mitgefühl und schenkte meinem Weggefährten Beachtung. „Ich hab‘ so einen letztes Jahr meiner Mutter zu Weihnachten geschenkt, den darf man nicht unsachgemäß behandeln, sonst wackelt er nicht mehr!“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob der Gute an Vorweihnachtsstress litt, oder ob es tatsächlich Menschen gibt, die so etwas zu Weihnachten verschenken. „Da hat sich bestimmt nur der Schalter für das Lied verhakt!“ Verdutzt sah ich „Mister Happy“ an, der gar nicht mehr happy wirkte, wenn er nicht singen durfte. Ein fachmännischer Handgriff meines Besuchers und ein freundschaftliches Kopftätscheln (von „Mister H“!) später, stellte er ihn wieder an seinen Platz zurück. Verschwörerisch zwinkerte er mir zu und verabschiedete sich.

In diesem Sinne: Oh, Happy Day!



Letzte Änderungen: 01.08.2018