Immer schön freundlich

Erlebnisse einer TA (82)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Dass mein Laborplatz strategisch schlecht liegt, habe ich ja schon öfter bemerkt. Der größte Nachteil allerdings ist: Er liegt dem Sekretariat direkt gegenüber. Da sehen sie kein Problem? Überlegen Sie mal: Alle, die in unserer Abteilung etwas suchen, finden zuerst die Sekretärin (ist ja ausgeschildert). Diese verweist die Suchenden natürlich ins Labor gegenüber. Also zu wem?

Knigge schön und gut...

Als neulich wieder mal einer dieser Tage war, an dem ich zum x-ten Mal gestört wurde, weil: ... jemand den Schlüssel für den Chemikalienschrank suchte; … das Druckerpapier leer war; ein Päckchen mit Trockeneis geliefert wurde; ... jemand beim Anschalten des Lichts bemerkt hatte, dass eine Neonröhre kaputt ist; ... ein Vertreter einen Mitarbeiter gesucht hatte, der vor drei Jahren seine Promotion abgeschlossen hatte; ... jemand aus der Nachbar-Abteilung vorbei kam, weil er meinen Kollegen suchte, bei dem seit Ewigkeiten das Telefon besetzt sei (und der jetzt auch nicht an seinem Arbeitsplatz sei); ... der Chef fragte, ob bei meiner Analyse gestern auch schon so komische „Ffft“-Geräusche zu hören gewesen seien; ... eine Kollegin fragte, ob ich denn heute ein Trockeneispäckchen angenommen hätte;

Editorial

... ein Mitarbeiter der Werkstatt fragte, welche Röhre hier defekt sei; ... die Sekretärin mir mitteilte, dass sie kurz in der Personalabteilung sei, nur falls der Chef fragen würde (aber der war ja mit „Ffft“ beschäftigt); ... das Telefon geklingelt hatte, da der eifrige Kollege aus der Nachbar-Abteilung prüfen wollte, ob denn die gesamte Telefonanlage überhaupt funktionierte; ... jemand gefragt hatte, warum der Schlüssel vom Chemikalienschrank stecken würde, und ob ich wüsste, wer den zuletzt gebaucht hatte... — da kam die Raumpflegerin rein und meinte: „Ach, bei Ihnen bin ich immer gerne, Sie schauen wenigstens freundlich, wenn ich reinkomme“. In diesem Moment wurde mir klar: Befolgt man den Rat des Job-Knigge – nämlich, dass Freundlichkeit im Job ganz wichtig ist und mit an oberster Stelle steht –, dann stellt man um 9:30 Uhr fest, dass man sich zwar im Abteilungsgeschehen bestens auskennt, aber ansonsten leider nicht zu viel kommt.

Ich beschloss also meine Knigge-Vorsätze für den heutigen Tag über den Haufen zu werfen und versuchte, nicht gleich jeden, der durch die Labortüre kam, mit einem freundlichen Grinsen dazu aufzufordern, mich an seinem Problem teilhaben zu lassen. Ein Versuch war es wert. Als erster kam mein Chef um die Ecke, holte Luft, sah mich an und meinte, dass er vielleicht lieber später wieder kommen werde und verschwand in seinem Büro.

Kurz darauf ging seine Türe wieder auf und er meinte das „Ffft“-Problem sei gelöst, ich solle mir keine weiteren Sorgen um mein heutiges Experiment machen. Dazu hatte ich zwar heute noch gar keine Zeit gehabt, aber die brauchte ich ja scheinbar auch nicht mehr. Unsere Sekretärin, die gerade von ihrem Ausflug zur Personalabteilung zurück war, entschied bei meinem jetzigen Gesichtsausdruck, dass sie mich besser doch nicht über ihre Rückkehr in Kenntnis setzen müsse. Auch der Techniker deutete mir nur durch knappes An- und Ausschalten an, dass das Licht nun wieder funktioniere. Und mit Daumen hoch. Auch der Schlüssel wanderte aufgrund meiner Gemütslage wortlos in die Schublade zurück. Nicht einmal das Telefon traute sich, einen Ton von sich zu geben.

Wenn Sie also mal wieder ungestört arbeiten möchten, versuchen Sie doch mal mein neues Konzept. Aber bevor Sie sich dann gänzlich unbeliebt machen, heben sie wenigstens nach jeder Aktion... den Daumen hoch!



Letzte Änderungen: 01.08.2018