Fanbesuch

Erlebnisse einer TA (68)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Eines trüben Morgens grübelte ich mal wieder darüber nach, warum Zellen nicht einfach in einer angenehmen Konzentration wachsen können – zum Beispiel fünf Millionen Zellen pro Milliliter, wäre das nicht mal ein Vorschlag für den nächsten Medizin-Nobelpreis? Aber nein, meine Kumpels tummelten sich lieber in völlig krummen Zahlen, und ich durfte es ausbaden.

Da saß ich also mit dampfendem Gehirn und rauchendem Taschenrechner (wenigstens wir beide waren uns einig), als jemand an die Labortür klopfte. Ich ging meine Checkliste durch: Kollegen klopften nicht, die kamen einfach rein. Unsere Sekretärin klopfte auch nicht, sie riskierte immer einen Blick durch die Glasscheibe, wägte anhand meines Gesichtsausdruckes ab, ob es gerade passte, und kam im Zweifelsfall später noch mal (ein großes Lob an dieser Stelle!) Der Chef klopfte nie. Und er kam ohnehin immer durch die Seitentür rein, so dass man gar keine Chance hatte, beschäftigt auszusehen.

Editorial
Herbstknaller

Es klopfte wieder, und dieses Mal ging die Türe gleich mit auf. Eine Frau kam herein und fragte lächelnd, ob sie mich kurz stören dürfe (virtueller Gummipluspunkt! – das fragte fast nie jemand). Vorsichtshalber schob ich aber noch ein „Ja, falls es nicht zu lange dauert“ hinterher – man weiß ja nie.

Sie stellte sich vor und begann, Kataloge, Flyer und Testproben auf meinen Tisch zu stapeln. Und natürlich ihre Visitenkarte. „Und unsere Herbstangebote sollten Sie sich unbedingt ansehen, da bleibt kein Forscherauge trocken.“ Ich sah mich schon Herbstblattaufkleber sammeln und in meinen Halloween-Klebepass pappen. Ich drehte mich vollends zu ihr um und wurde mit einem freudestrahlenden „Ach Sie sind das!“ belohnt. Sie deutete auf mein Namensschild am Laborkittel und vertraute mir an, dass sie ein großer Fan meiner Serie sei. A-haah! Daher wehte der Wind. „Danke, das freut mich!“ Ich wollte mich den Megaherbstknüllern zuwenden, doch mein Besuch sprang auf und stellte freudig fest: „Sie haben ja wirklich keine Klimaanlage!“ „Nein, aber haben Sie zufällig eine im Herbstknallerprospekt?“ – „Knüller! Herbstknüller! Nein, aber sagen Sie, haben Sie wirklich keinen Kaffeevollautomaten, das sieht hier doch alles so modern aus?“ Schade, dass mein Chef noch nicht da war, vielleicht hätte sie ihn überzeugen können. „Nein, und George Clooney war auch noch nie hier.“ Schade eigentlich!

„Sie sehen irgendwie anders aus, als ich Sie mir vorgestellt habe.“ Ihr Gummipluspunkt befand sich in unmittelbarer Gefahr, wieder abgezogen zu werden. War das jetzt ein Kompliment? Was hatte sie denn erwartet? „Na, ich weiß auch nicht, irgendwie anders.“ Ich zog die Augenbrauen hoch, setzte dann das sympathische Lächeln auf (das sonst nur beim Chef zum Einsatz kommt, wenn es um Urlaubsanträge geht) und fragte mit Pokerface: „Jünger?“ Ich und der Gummipunkt hielten die Luft an. „Nein, nicht jünger, ich dachte mir schon, dass Sie noch unter 30 sind.“ Weitere fünf Gummipunkte gesellten sich zum ersten.

„Ist Ihr Chef auch da? Den hätte ich ja gerne mal kennengelernt.“ Ich verneinte. „Ach stimmt, es ist ja erst kurz nach acht.“ Augenzwinkern. Sie drückte mir die Herbstknüllerangebote in die Hand und verabschiedete sich mit den Worten: „Aber Frau Tietz, dieses Jahr werden Sie sicher einen Schokoladen-Adventskalender im Labor haben, ich werde Ihnen umgehend einen schicken!“ Ich hätte ihr als Gegenangebot gerne meinen Gummipunkte-Klebepass mitgegeben, aber da war sie schon weg.



Letzte Änderungen: 01.08.2018