Frostbeulen

Erlebnisse einer TA (41)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Wieso wird es eigentlich immer dann winterlich, wenn man es nicht mehr brauchen kann? Da hat man Weihnachten einigermaßen unbeschadet überstanden – natürlich ohne Schnee, wäre ja auch zu schön gewesen – und hat für sich mit dem Winter abgeschlossen, da fängt es an zu schneien und hört nicht mehr auf. Das Schöne am Winter ist: es ist kalt und es schneit. Das Doofe am Winter ist: es ist kalt und es schneit.

Sitzt man im Labor und schaut draußen den Schneeflocken zu, dann finde ich es richtig nett. Allerdings nur solange, bis mir einfällt, dass ich heute nicht im Parkhaus geparkt habe. Was mich aber letztes Jahr am meisten beeinträchtigt hat, war nicht die Kälte draußen, sondern die drinnen.

Editorial
Eiskalter Empfang

Ich finde es ja löblich, die Heizung auf ein Minimum herunterzudrehen, wenn sich eh kaum einer in den Laboren aufhält – also zwischen Weihnachten und dem Tag, an dem fröstelnde, in bunte Gewänder gehüllte Jugendliche vor der heimischen Wohnungstür altes Liedgut zu Gehör bringen. Die Zellen haben’s ja schnuckelig warm und leiden dank dynamischer Zellkulturflaschen auch nicht an post-weihnachtlichen Speckröllchen.

Anders die TAs und der Rest der Laborbesatzung. Nach zwei Wochen des Plätzchen- und Weihnachtsbraten-in-sich-Hineinschaufelns im wohlig warmen Kreis der Familie muss man sich fragen, wer über dieses Minimum entschieden hat und warum sich dieses Minimum nicht wieder in ein Maximum umwandeln ließ.

Am ersten Arbeitstag des Jahres empfing mich meine Kollegin daher mit den Worten: „Die Jacke kannste gleich anlassen!“ Und tatsächlich: die ersten Tage verbrachten wir alle in mehrere Pullis gehüllt, den Schal bis zur Nasenspitze hochgezogen. Der Teeumsatz im Kaffeeraum stieg ins Unermessliche.

Wenigstens hatte man im Gegensatz zur Sommerhitze im Winter den Vorteil, dass man sich so viel anziehen konnte, dass die Wohlfühltemperatur erreicht war. Im Sommer gelang uns das weniger gut, beziehungsweise hatte es noch niemand versucht sich soweit auszuziehen bis ... Na ja, wie auch immer, unsere Hilferufe wurden nach einigen frostigen Tagen endlich erhört.

Eines Morgens stand plötzlich Karlchen von der Klimaanlagenfirma in der Türe. Ein Déjà-vu? Eigentlich hatte ich mir geschworen, nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln, nachdem er sich trotz intensivem Bitten und Flehen geweigert hatte, aufgrund eines fehlenden Auftrags eine Klimaanlage in das Labor einzubauen.

„Mir wurde gesagt, es gäbe ein Problem mit der Heizung?“ Dieser Konjunktiv! Gäbe! Überrascht wie ich von meinem Déjà-vu noch war, gab ich ihm noch eine Chance und versuchte, meinen Schal ein bisschen besser in Szene zu setzen. Als das nichts nutzte, rieb ich überzeugend meine Hände aneinander und blies, um unsere prekäre Situation noch einmal zu unterstreichen, kräftig hinein.

Karlchen zeigte sich weiterhin unbeeindruckt und dachte wahrscheinlich, dass ich sowieso nicht mehr mit ihm rede. Er tigerte in Richtung Heizung und stellte fachmännisch fest: „Die läuft ja schon auf Maximum.“ Ja, nur dass das eingestellte Maximum nichts an der Zimmertemperatur änderte, da sich die Heizung weigerte, mehr als laue Wärme abzugeben.

„Ich dachte schon, ihr habt vergessen, sie wieder aufzudrehen.“ Nee, was isser für’n Scherzkeks! Bevor ich darauf antworten konnte, verließ Karl das Labor, etwas von Hauptventil murmelnd, und ich schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass dieses Hauptventil ein Einsehen mit uns haben möge.

Es hatte. Die Raumtemperatur stieg langsam an, das SDS begab sich wieder in Lösung.

Am nächsten Morgen empfingen uns angenehme 27 °C. Dank der Macht des Unbewussten hatten alle vergessen, die Heizung über Nacht wieder zu drosseln. Ein etwas überhitzter Karl irrte durch die Flure und grübelte wahrscheinlich darüber nach, was da schief lief mit den weiblichen Hormonen.



Letzte Änderungen: 01.08.2018