Super-Nanny

Erlebnisse einer TA (34)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Im täglichen Laborleben gibt es immer wieder Situationen, in denen man sich wünscht, dass jemand zur Türe herein kommt und die Diskussionen bezüglich zu schreibender Listen, zu kaufender Geschenke und zu reparierender Geräte unterbricht und eine Lösungsstrategie unterbreitet. Jemand, der sachlich und unvoreingenommen die Probleme erkennt und parteilos einschreitet. Das wird einem ja immer in der heilen TV-Welt vorgespielt.

Aber wie sähe denn ein Besuch der Super-Nanny in der Abteilung aus? Ich stelle mir folgendes Szenario vor:

Die Unschuldigen

Einige Leute der Abteilung sitzen zur Mittagspause im Kaffeeraum und sprechen über Elementares, etwa die neue H&M-Kollektion. Eine Kollegin öffnet die Türe und fragt aufgebracht in die Runde: „Wer hat denn schon wieder das Thermodruckerpapier leer gemacht und nicht wieder aufgefüllt?“ Die H&M-Diskussion erlischt und jeder schaut unschuldig in die Runde. Klar, keiner war’s, wie immer.

Editorial

Ohne Super-Nanny würde die Kollegin, die den leeren Drucker vorgefunden hat, genervt die Türe zuknallen, jeden anmeckern, der ihr über den Weg läuft und, wie so oft in letzter Zeit, die Papierrolle selbst wechseln. Die H&M-Runde hingegen badet sich in Unschuld, jeder untermauert seine Unwissenheit und legt sein Alibi dar.

Mit Super-Nanny sieht das Ganze etwas anders aus: Sie zieht erstmal eine Magnetwand aus dem Ärmel und jeder darf darauf schreiben, was ihn am anderen stört. Dann werden die Punkte der Wichtigkeit nach geordnet und eine Dringlichkeitsliste aufgestellt. Ganz oben steht: „Wir halten uns an die Regeln“, dicht gefolgt von: „Wir lassen den anderen ausreden“. Jeder der H&M-Runde bekommt einen farbigen Magneten und stellt damit seine Position dar.

Irgendwann langweiligen sich zwei aus der Runde und wenden sich wieder ihrem Lieblingsgesprächsthema zu. Das kann die Super-Nanny natürlich nicht durchgehen lassen, und schickt einen der beiden raus auf die stille Treppe. Ein neuer Kollege betritt den Kaffeeraum und fragt, ob denn jemand daran gedacht habe, Ethanol nachzubestellen?

Alle schütteln einvernehmlich den Kopf, woraufhin die Super-Nanny den Kollegen fragt, wie er sich jetzt bei der Sache fühle. Der erklärt, dass er sich sehr darüber ärgere, weil er das Gefühl habe, dass mal wieder alles an ihm hängen bleibe. Er bekommt darauf hin einen Smiley von der Super-Nanny geschenkt, weil er seine Gefühle so klar formuliert hat.

Jemand fragt, wo denn eigentlich das Problem sei, es sei doch noch genug da und man könne doch einfach heute bestellen. Der aufgebrachte Kollege erklärt, seinen Smiley fest umklammernd, dass das Angebot gestern abgelaufen sei und man heute wieder den vollen Preis zahlen müsse.

Der Entschulder

In diesem Moment kommt TV-Schuldnerberater Peter Zwegat in den Raum und entwirft einen Sparplan für den nächsten Einkauf. Die H&M-Runde wird heftig getadelt (Wie konnte es soweit kommen?), Zwegat zeigt weiteres Einsparpotential auf. Die Super-Nanny guckt etwas mopsig, weil Zwegat auf der Magnetwand alle ihre Regeln weggewischt sind.

Nachdem sich die H&M-Runde alles angehört hat und schuldbewusst Zwegats Vorträgen lauscht, klatscht die Super-Nanny in die Hände und freut sich wie Bolle, weil ihre Schützlinge alle Punkt zwei ihrer Liste – „Wir lassen den anderen ausreden“ – so toll verinnerlicht haben.

Am liebsten hätte sie noch mehr Smileys verteilt, aber Peter Zwegat ist dagegen, das widersprach seinem Sparplan.

In diesem Moment geht die Türe auf, der Kollege von der stillen Treppe ist wieder da und voll der Reue. Die Super-Nanny nickt zustimmend, woraufhin Herr Zwegat die stille Treppe von der Inventarisierungsliste streicht – aus Kostengründen.

Was sein muss, muss sein.



Letzte Änderungen: 01.08.2018