Editorial

Proteintransport

von Sonja Kastilan (Laborjournal-Ausgabe 10, 1999)


Wenn Wissenschaftler auf den Hund kommen, muß das für sie nicht immer Schlechtes bedeuten. Im Gegenteil, Günter Blobel erhält dafür sogar den diesjährigen Medizin-Nobelpreis, Auch wenn sich dies nicht sogleich offenbart. Schließlich wird der deutschstämmige Zellbiologe für seine Arbeiten zur Aufklärung des gerichteten Proteintransports in der Zelle ausgezeichnet. Grundlegend war der experimentelle Beweis seiner bereits 1971 formulierten Signalhypothese: Mitte der 70er Jahre konnte Blobel erstmals erklären, wie neu synthetisierte Proteine zu ihrem Bestimmungsort finden. Die Moleküle besitzen Signalsequenzen aus ca. 10 bis 40 Aminosäuren, die wie Postleitzahlen auf Briefen eine Anschrift kodieren. Inzwischen ist die Allgemeingültigkeit dieses Prinzips quer durchs Organismenreiche bewiesen; es sind Moleküle bekannt, die quasi als Postboten die Proteine zustellen; genauso wie verschiedene Signalpeptide, die z. B. Rezeptoren für die Außenmembran markieren oder sekretorische Proteine für den Export.

Diesen Weg, den sekretorische Proteine über rauhes ER und Golgi-Apparat durch die Zelle nehmen, konnten bereits George Palade und seine Mitarbeiter nachzeichnen. Elektronenmikroskop und Ultrazentrifuge machten diese Untersuchungen an Zellen der Bauchspeicheldrüse möglich, für die Blobels Ex-Chef Palade 1974 mit dem Nobelpreis bedacht wurde, Allerdings besitzt eine Säugetierzelle eine Milliarde Eiweißmoleküle, die einmal im Monat zu erneuern sind, Und alle werden im Cytoplasma sowie am rauben ER synthetisiert. Membranen können sie nicht einfach so durchdringen. Es blieb also zunächst offen, wie die Proteine letztlich ihre Zielorte erreichen und wie die Zelle sie unterscheidet und sortiert.

Lange war RNA als Marker im Gespräch, bis Günter Blobel an der Rockefeller Uni in New York seine Signalhypothese belegen konnte. Für die entscheidenden Experimente dienten wiederum sekretorische Zellen der Bauchspeicheldrüse. Und dessen Gewebe - um das obige Rätsel nun zu lösen - lieferte ein Hund. Blobel und sein damaliger Postdoc Bernhard Dobberstein, heute Professor am Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) der Uni Heidelberg, präparierten daraus Membranen des rauhen ER.

Die weiteren Arbeiten von Blobel, Dobberstein und anderen führten schließlich zum Verständnis der grundlegenden Transport-Mechanismen. Die Biogenese von Proteinen beginnt mit der Translation der mRNA an Ribosomen im Cytoplasma, wobei zuerst das Signalpeptid entsteht. Ein Signal-Erkennungspartikel (SRP) bindet daran, wenn die ersten 60 Aminosäuren des Proteins verkettet sind. Dadurch wird die Translation unterbrochen und erst bei Kontakt des SRP-Ribosom-Komplexes mit einem SRP-Rezeptor an der ER-Membran wieder aufgenommen. SRP löst sich unter GTP-Verbrauch vom ungefalteten Protein, das daraufhin an der Translokationsstelle durch die Membran ins ER-Lumen taucht. Voran das Signalpeptid, das dort meist von einer Signalpeptidase abgespalten wird. Fertige Sekretproteine werden schließlich in Vesikel verpackt und an den Golgi-Apparat weitergeleitet. Enthalten Proteine aber "Stop-Transfer"-Sequenzen, werden sie über den gleichen Proteinkanal (Sec61) in die ER-Membran eingebettet. Mehr als 20 Moleküle bilden diesen Translokations-Komplex.

Heute widmet sich Günter Blobei vor allem einem anderen Transportmechanismus: dem Import und Export von Proteinen durch Kernporen-Komplexe.



Letzte Änderungen: 19.10.2004