Editorial

Helicase-dependent Amplification (HDA)

von Nils Falke (Laborjournal-Ausgabe 10, 2004)


Es ist mittlerweile nichts neues mehr: Die PCR ist eine einfache aber geniale Methode. Sie ermöglichte zahllose Entdeckungen, half Verbrechen aufzuklären und schuf auch in manch trübe familiären Beziehung klare Verhältnisse. Aus Forschung und Praxis scheint sie kaum mehr wegzudenken.

Jetzt aber haben drei amerikanische Forscher um Myriam Vincent von der Firma New England Biolabs eine neue Methode zur Vermehrung von DNA-Abschnitten entwickelt: die "helicase-dependent amplification" (HDA). Dabei trennen Helikasen enzymatisch komplementäre DNA-Stränge und ermöglichen eine "isotherme" Variante der PCR. Weil die Folgeschritte ähnlich ablaufen wie bei der PCR, ist die Methode ein Kandidat für den diagnostischen Einsatz vor Ort, beispielsweise in Form eines tragbaren Labors.


Energie sparen

Da DNA oftmals nur in geringen Mengen vorkommt, lassen sich Untersuchungen oder Manipulationen damit erst durchführen, wenn ausreichend Ausgangsmaterial verfügbar ist. Die immense Bedeutung der PCR besteht darin, genau diese Voraussetzung erst zu schaffen, weswegen sie vor allem in der Analytik zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel geworden ist.

Wegen des einfachen Reaktionsschemas ist die PCR eine robuste und vielseitig einsetzbare Methode, allerdings verschlingt sie auch einiges an Energie und Kosten. Die unvermeidbaren Temperierungszyklen, die nötig sind um die Wasserstoffbrücken von Adenin und Co. aufzubrechen, erfordern einen relativ großen apparativen Aufwand - und verhindern eine Miniaturisierung, die die PCR aus dem Labor befreien könnte.

Dies könnte die HDA nun ermöglichen. Wie der Name schon sagt, sind es Helikasen, die im ersten Schritt beide Stränge der Doppelhelix voneinander trennen, Einzelstrang-DNA-bindende-Proteine verhindern dabei ein Re-Assoziieren zur Doppelhelix. Als nächstes lagern sich Primer an, markieren den Startpunkt für eine Polymerase und wie bei der PCR werden Kopien der vorliegenden DNA-Stränge erstellt, die im nächsten Zyklus selber wieder abgelesen werden. Soweit zur Theorie.


Erste Versuche

Für ihre Versuche benutzen die US-Forscher die sogenannte UvrD-Helikase aus E. coli wegen ihrer Fähigkeit stumpfendige DNA zu spalten. Um funktionieren zu können, benötigt dieses Enzym jedoch ein weiteres Protein: MutL. In vivo spielt MutL eine Rolle bei der Koordination der Reparatur von Fehlern bei der Basenpaarung und aktiviert UvrD nur bei Bedarf.

Erste Tests fanden unter vereinfachten Bedingungen statt. Die Forscher mixten das Plasmid pUC19 mit Primern für ein 110 bp großes Fragment und erwärmten das Ganze einmal um den Primern das Anlagern zu ermöglichen. Nach Zugabe der restlichen Komponenten und einstündiger Inkubation ließ sich das gesuchte Fragment per Gelelektrophorese nachweisen.

In den folgenden Versuchen passten sie die Modelle nach und nach realen Bedingungen an. Mit einem 123 bp großen Abschnitt aus dem Genom von Treponema denticola, einem oralen Pathogen, wurde geprüft, ob UvrD auch bei komplexeren Molekülen funktioniert. Die Versuche lieferten gute Ergebnisse, selbst bei 1000 Kopien Bakterien-DNA fanden die Forscher 1010 Moleküle, was einer 10 Millionen-fachen Vermehrung entspricht. In zwei Versuchsreihen verglichen sie die Produktmengen aus einmalig erwärmten Ansätzen mit solchen, die ohne initiale Denaturierung mit UvrD versetzt wurden. Dabei bildeten sich immer noch 40-60% der Moleküle aus den Vergleichsansätzen. Eine Menge, die für Nachweise ausreicht.

Für den direkten Nachweis des Pathogens ohne vorheriges Aufbereiten der Proben testeten Vincent et al. die HDA in einem Ansatz mit kompletten Zellen. In Versuchsreihen mit abnehmenden Keimzahlen erhielten die Firmenforscher ein spezifisches Produkt bis runter zu einer Startzahl von 104 Zellen. Verringerten die Forscher die Zahl weiter, bildete sich ein unbekanntes Nebenprodukt, das auch in den Negativ-Kontrollen auftauchte. Diese Nebenprodukte erwiesen sich als Primerdimere, die auch in der klassischen PCR vorkommen.

Um die HDA auf ihre Tauglichkeit als schnellen und sicheren Nachweis zu testen versetzte das Team Proben menschlichen Bluts mit dem Genom von Brugia malayi, dem Erreger der lymphatischen Filariose beim Menschen. Nach Extraktion und Dialyse ließ sich die DNA selbst noch in Spuren von 5 pg DNA pro Blutprobe nachweisen, was etwa 500 Kopien des Genoms entspricht.

Bis hierher wurden Ergebnisse nur mittels Gelelektrophorese bestimmt. Einfacher und weniger aufwändig lässt sich der Ablauf der Reaktion mit Hilfe von LUX- Primern verfolgen, die spezifisch an die gesuchten Abschnitte binden und so ein messbares Signal ergeben, das gleichzeitig den Fortschritt der Reaktion direkt wiedergibt. Damit haben die Forscher alle Komponenten für ein Testsystem beisammen, das auf HDA basiert.


Erfolgskurs

Der Rest war Optimierung. Die Zusammenarbeit von Helikase und Polymerase übt einen großen Einfluss auf die Effektivität der Reaktion aus. Bisher konnte das Team zwar positive Ergebnisse auch nach Austausch der Enzyme gegen andere Vertreter erhalten, allerdings ohne Verbesserung der Reaktionsrate. Zukünftige Verbesserungen könnten insbesondere aus der Verwendung natürlicher, koordinierter Enzym-Paare resultieren - beispielsweise DNA-PolymeraseIII/DnaB-Helikase die an der Replikationsgabel zusammenarbeiten.

Wie die Entwicklung auch aussehen wird: Vincent´s Team arbeitet weiter daran, der PCR den Rang abzulaufen.



Letzte Änderungen: 11.02.2005