EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli)

von Ralf Hess (Laborjournal-Ausgabe 09, 1997)


Editorial
1993 starb das vierjährige Mädchen Lois Joy Galler, nachdem es einen Hamburger aus halbrohem Hackfleisch gegessen hatte. Das Hackfleisch war mit einer speziellen Variante des Darmbakteriums E. coli verseucht: dem enterohämorrhagischen E. coli oder kurz Ehec. Die Eltern des Mädchens gründeten daraufhin eine Stiftung, um auf diese Infektionskrankheit aufmerksam zu machen. Die Stiftung unterstützt die Ehec-Forscher mit mehreren Millionen Dollar jährlich. in Deutschland erkranken zirka 800 Menschen pro Jahr an Ehec.

Wie kann ein harmloses Bakterium wie E. coli sich derart verändern, daß es eine Infektion auslöst, die tödlich enden kann? Die Antwort ist kompliziert wie gleichermaßen simpel: durch inter- und intraspezifischen Genaustausch haben diese Bakterien neue Virulenzfaktoren erworben. Dazu zählen unter anderem Toxine, Adhärenzfaktoren sowie das Hämolysin. Die Toxine sind Prophagen-kodiert und besitzen eine hohe Homologie zu den Shigella dysenteria-Toxinen. Sie heißen daher auch Shigatoxine. Ehec ist ein Bakterienstamm mit mehr als 150 verschiedenen Serotypen. Der bekannteste ist der Stamm 0157:H7, der auch für den Tod von Lois Joy Galler verantwortlich war.

Editorial

Erkranken können Kinder bis zu 10 Jahren, alte Menschen und solche, bei denen das Immunsystem künstlich ausgeschaltet worden ist. Zuerst haben Befallene wässrigen Durchfall, der innerhalb weniger Tage zu lang andauernden blutigen Durchfällen inklusive akutem Nierenversagen führen kann. Klinisch gesehen löst Ehec das Hämolytisch Urämische Syndrom aus. Etwa 5% der Ehec-infizierten Personen können an einem Multiorgan- und/oder Nierenversagen sterben, oder sind lebenslang auf die Dialyse angewiesen.

Wie fängt man sich die "schlimmen" Colis ein? Die Infektion erfolgt durch kontaminierte Lebensmittel wie ungegartes Hackfleisch, Rohmilch, Rohmilchkäse, Rohwurst, nicht-pasteurisierten Apfelsaft (Cidre), kontaminierten Salat und verunreinigtes Trinkwasser. Schon 10-100 Keime genügen. Das Hauptreservoir für Ehec sind Rinder und Schafe, die diese Bakterien im Kot ausscheiden. Auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, wie 1996 der Ehec-Ausbruch in Japan zeigtet, als sich mehr als 10 000 Menschen infizierten.

Wie also kann man sich vor einer Infektion schützen? Kinder sollten alle oben erwähnten Lebensmittel nicht essen. Denn hat man sich einmal infiziert, ist die Therapie äußerst schwierig. Mit konventionellen Antibiotika tötet man zwar die Bakterien ab, setzt aber auch das Toxin frei, was den Zustand des Patienten verschlimmert. Eine frühe Diagnose ist deshalb wichtig. Einen Impfstoff gibt es indes zur Zeit noch nicht. Allerdings arbeiten weltweit zahlreiche Gruppen an einer solchen Vakzine. Und da sich in letzter Zeit die Meldungen von Ehec-Ausbrüchen häufen, dürfte auch die Pharmaindustrie an einem solchen Medikament interessiert sein.

Wichtige zusätzliche Informationen zu sämtlichen Aspekten von Ehec, etwa Übertragung, Behandlung, aber auch zur Epidemiologie oder der Meldepflicht, sind dem "Merkblatt für Ärzte" zu entnehmen. Es kann beim Deutschen Ärzte-Verlag GmbH, Dieselstr. 2, 50859 Köln, unter der Best.-Nr. 60068 bestellt werden oder aber im Bundesgesundheitsblatt 6/97 nachgelesen werden.


Letzte Änderungen: 19.10.2004