Editorial

Special Antikörper 2.0

Stets zu Diensten
von Karin Hollricher, Laborjournal 04/2019



Unter Beschuss: Unzählige Antikörper tummeln sich um ein HI-Virus und binden daran. Doch neben der „klassischen“ Y-Form gibt es auch noch andere Antigen-bindende Proteine mit ganz individuellem Aussehen. Illustration: David Goodsell, RCSB Protein Data Bank (CC BY 4.0)

Die Evolution von Labor-Antikörpern und rekombinanten Antigen-Bindern schreitet rasant voran. Von den ersten Schritten Antigen-bindender Proteine und wo sie mittlerweile überall gelandet sind – ein Überblick.

Vor fast fünfzig Jahren produzierten Hybridzellen aus einem B-Lymphozyten und einer Tumorzelle, genannt Hybridom, die ersten monoklonalen Antikörper (Nature 256: 495-7). Die Moleküle legten eine steile Karriere hin und waren entscheidend für bahnbrechende Entdeckungen und die Entwicklung neuer Therapeutika. Ihre intensive Nutzung entlarvte auch ihre Schwächen. Monoklonale Antikörper (mABs) sind ziemlich groß, was die Funktion gebundener Antigene beeinträchtigen kann. Sie sind nicht zellmembrangängig, können daher nur mit extrazellulären oder isolierten Epitopen reagieren. Im Zytosol sind sie nicht stabil, man kann sie also nicht für In-vivo-Studien von zytosolischen Antigenen verwenden.

Auch die Herstellungsmethode hat ihre Tücken. Wenn Zelllinien absterben, sind die Antikörper verloren, und man kann Studien nicht reproduzieren. Außerdem zeigte sich, dass die Funktion von mABs wesentlich von ihrer Umgebung, also den Testbedingungen beeinflusst wird. Auf dem Alpbach Affinity-Proteomics-Workshop 2017 berichtete Mathias Uhlén (Royal Institute of Technology in Stockholm), das von 55.000 polyklonalen und 5.000 monoklonalen Antikörpern, die im Westernblot funktionierten, rund die Hälfte in den immunhistochemischen Tests versagt hatten (New Biotechnol. doi: 10.1016/j.nbt.2018.08.002). Monoklonale Antikörper sollten also umfassend validiert werden mit mehreren Tests wie ELISA, Westernblot, Immunfluoreszenz an Zelllinien und Gewebeschnitten.

Viele Hybridom-Linien sind nicht ausreichend charakterisiert: Ein erheblicher Teil der Zelllinien, die Antikörper für den Verkauf produzieren, stellen mehr als nur je eine Spezies von schweren und leichten Ketten her (mAbs 10 : 539-46). „Wir haben 185 Hybridom-Linien aus sieben Laboratorien getestet, davon hatten vierzig Prozent mehr als nur eine Sorte Antikörper. Die Produkte solcher Zellen sind also nicht monospezifisch, was ein großes Problem ist“, berichtet der Seniorautor der Studie, Stefan Dübel von der Technischen Universität (TU) Braunschweig.

Deshalb ist es gut, dass es heute Alternativen gibt, etwa andere Herstellungsmethoden und neue Typen von Antigen bindenden Molekülen.

Paradigmenwechsel

Viele Forscher und auch erste Firmen setzen zur Herstellung von mABs et al. auf gentechnische Produktionsmethoden. Am weitesten verbreitet ist der Phagen-Display, den wir im Laborjournal 07-08/2016 (S. 56-8) und 10/2015 (S. 58-60) bereits beschrieben haben. Andere Display-Techniken verwenden Hefen, Bakterien oder Ribosomen als Helfer. Rekombinante Display-Bibliotheken kann man aus dem Serum naiver oder immunisierter Tiere sowie aus halb- und vollsynthetischen Antikörper-Genen herstellen.

Einige Firmen machten diese Technologie zur Basis ihres Geschäftsmodells. Sie bieten vom ungeprüften Kandidaten bis hin zum genetisch sowie biochemisch charakterisierten Binder Produkte aus fast jedem Schritt der Produktionskette an. „Man kann aber auch Display-Antikörper-Bibliotheken selber machen. Es sind etliche Protokolle veröffentlicht worden“, sagt Heinrich Leonhardt von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Die Herstellungskosten sind vergleichsweise niedrig, die Herstellungsdauer kurz mit sinkender Tendenz.“ Die große Kunst besteht darin, bei dem über mehrere Selektionsschritte verlaufenden Isolierungsprozess in den Millionen Klonen die Positiven nicht zu verlieren.

Ein Hoch auf den Display

Dass den Display-Techniken die Zukunft gehört, da sind sich die Eingeweihten wie Leonhardt und Dübel einig, denn Display-Technologien haben der Hybridom-Herstellung zwei Dinge voraus. Erstens können sie tatsächlich völlig ohne Tiere auskommen. Und zweitens sind die Produkte genetisch eindeutig definiert, die Experimente sind also reproduzierbar und die Ergebnisse miteinander vergleichbar. Leonhardt ist überzeugt: „Die Display-Technologie ist ein echter Game Changer.“

Auch erste Firmen stellten bereits ihre Antikörper-Produktion um, etwa Miltenyi Biotec mit Hauptsitz in Bergisch Gladbach. Ihre REALease-Moleküle wurden vollständig im Display-Verfahren entwickelt. Diese Antikörper sind für die Durchflusszytometrie bestimmt. Jeder besteht aus einem Rückgrat, an das ein Fluoreszenzprotein gekoppelt ist, sowie einem Fab-Fragment, das spezifisch ein Oberflächenprotein erkennt. Das Besondere an diesen Molekülen ist – neben dem Herstellungsprozess – die Möglichkeit, sie nach der Zellsortierung von den Zellen wieder abzulösen. Auf diese Weise kann man unmarkierte, aber sortierte Zelltypen mit freien Epitopen isolieren. „Für dieses neue Konzept erhielten wir zwei Innovationspreise“, berichtet Svenja Weiler, Produktmanagerin für REALease-Antikörper. „Bisher haben wir REALease-Moleküle für die Isolierung humaner Immunzellen im Angebot. Jetzt entwickeln wir Binder zur Isolierung von Stammzellen.“

Viele neue Binder

In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von Molekülen (und das sind nicht alles Immunglobuline) entwickelt, die eine Eigenschaft eint: Sie erkennen spezifisch Epitope und binden spezifisch Antigene. Im immunologischen Kontext fasst man sie unter dem englischen Begriff Binder zusammen.

Zunächst einmal schrumpfte man die großen monoklonalen Antikörper zu handlicheren Fragmenten von 50 kDa Fab-Molekülen und 25 kDa Einzelketten (Single Chain)-Fragmenten.

Eine neue Ära in der Antikörper-Welt läuteten Nanobodies aus Kameliden (und Haien, siehe Seite 42) ein. Ihre Entdeckungsgeschichte ist ebenso witzig, wie schon oft erzählt. In den späten 80er Jahren sollten ein paar Biologen an der belgischen Vrije Universiteit Brussel Antikörper isolieren. Aber aus Angst vor dem HI-Virus wollten sie nicht mit menschlichem Serum arbeiten. Die Alternative, Mäusen Blut abzunehmen, kam auch nicht gut an. Zum Glück hatten die Kursleiter im Tiefkühler noch ein paar Liter Serum von Dromedaren. Das befanden die Studenten für ausreichend ungefährlich und spannend weil exotisch, sodass sie sich endlich an die Arbeit machten.

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Aus Angst vor dem HI-Virus arbeitete eine Gruppe belgischer Biologen in den späten 80er Jahren lieber mit Dromedar-Serum – und stieß dabei auf ungewöhnlich kleine Moleküle. Foto: Pixabay
Fast vergessen

Sie isolierten Antikörper der üblichen Größenklasse um 150 kDa, aber auch kleinere Moleküle, nur 80 kDa groß. Die wären wohl als Artefakte in Vergessenheit geraten, hätten sich nicht Raymond Hamers und Cécile Hamers-Casterman dafür interessiert. Sie stellten fest, dass diese kleineren Moleküle nicht etwa Bruchstücke von Antikörpern sind, sondern eine eigene Klasse, die man heute als HC- oder Heavy-Chain-Antikörper bezeichnet, da ihnen die leichte Kette fehlt (Nature 363: 446-8). Diese Moleküle können, wie auch ihre größeren IgG-Verwandten, ohne Bindungsverluste auf die konstanten Fc-Teile verzichten. Kloniert man eine der variablen VHH-Einzeldomänen von HC-Antikörpern und selektioniert die effektivsten Binder mit einem Phagen-Display, erhält man einen Nanobody (siehe Illustration auf S. 36).

Wegen ihrer Winzigkeit von 11 bis 13 kDa und ihrer besonderen Struktur können Nanobodies gut in Gewebe eindringen. Sie binden auch kleinere Antigene, denen sich die Klassiker stur verweigern. Sie sind nicht wirklich immunogen und können stabil im Zytosol überleben. Deshalb eignen sie sich im Gegensatz zu gewöhnlichen Antikörpern für die Analyse von Antigenen im Zytosol. Außerdem sagt man ihnen große pH-Stabilität nach. Besonders hitzestabil und wenig anfällig für unerwünschte Aggregatbildung sind sie auch, das zumindest steht in allen Artikeln über Nanobodies geschrieben.

Eine vermeintliche Eigenschaft wurde allerdings kürzlich widerlegt: Sie sind nämlich nicht besonders temperaturstabil. „Weit mehr als die Hälfte von siebzig getesteten Nanobodies aggregierte irreversibel bei höheren Temperaturen“, fasst Patrick Kunz, ehemalig am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, die Ergebnisse seiner Publikation in Scientific Reports zusammen (8: 7934). Eine unangenehme Eigenschaft, denn die Aggregate können immunogen sein sowie biochemische oder biotechnologische Anwendungen beeinträchtigen. „Also quantifizierten wir diesen Vorgang. Das war die Voraussetzung für die Suche nach strukturellen Eigenschaften, die die Aggregation unterdrü­cken.“ Stabilisierend wirkt sich die künstliche Verlängerung einer bestimmten Schleife aus. Auch eine Disulfidbindung bewahrt Nanobodies vor der Denaturierung. Leider sind aber Schwefelverbindungen im reduzierend wirkenden Zytosol nicht stabil. „Hier sind jetzt die Antikörper-Engineers gefragt, dieses Problem zu lösen“, gibt Kunz im übertragenen Sinne den Ball ab.

Bunter Mimetika-Zoo

Zusätzlich zu den von Antikörpern abgeleiteten Bindern wurden Antikörper-Mimetika entwickelt. Das sind Nicht-IgG-Moleküle, die wie Antikörper spezifische andere Moleküle binden, ohne sie, wie etwa Enzyme, dabei zu verändern. Zum bunten Zoo der Mimetika gehören beispielsweise Adhirons, Affibodies, Affifine, Affiline, Anticaline, Avimere, Armadillo Repeat Proteins, DARPins, Fynomere, Kunitz-Domänen und Monomere.

Sie entstanden alle mithilfe rekombinanter Methoden nach dem Muster natürlicher Proteingerüste. Strukturen von Fibronektin III bilden beispielsweise das Rückgrat von Monobodies. Die mit nicht mal sieben Kilodalton wirklich winzigen Affibodies wurden auf der Basis von drei Alpha-Helices vom ­Protein A des Bakteriums Staphylococcus aureus entwickelt. Anticaline enthalten Teile von Lipocalinen.

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Heinrich Leonhardt ist begeistert: „Die Display-Technologie ist ein echter Game Changer.“ Foto: Researchgate / Heinrich Leonhardt
Viel zu viele Möglichkeiten

Wenn der Laie einen Binder für eines seiner Experimente benötigt, wird er angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten bestimmt ratlos sein. Welcher Typ Binder ist für welchen Zweck und für welches Antigen die beste Option? „Das ist nicht leicht zu beantworten“, stimmt Leonhardt zu. „Man muss auf jeden Fall seine Zielstruktur ganz gut kennen, denn die Binder sind selber unterschiedlich gebaut. Bei den Nanobodies stehen drei Loops hervor und bilden eine konvexe Oberfläche, während Anticaline eine konkave Kontur haben. Armadillo-Moleküle legen sich dagegen wie Finger um ihre Zielstrukturen herum.“ Für Antigene mit kleineren, herausragenden Strukturen würden also Anticaline besser passen als Nanobodies. Umgekehrt findet man für Antigene mit Dellen auf der Oberfläche wohl eher einen Nanobody als ein Anticalin.

Nanobodies im Aufwind

Trotz ihrer besonderen Eigenschaften waren Nanobodies lange die Nebendarsteller. Die Monoklonalen spielten die Hauptrolle. Was sich unter anderem daran ablesen lässt, wie stark sie bereits im Arzneimittelsektor vertreten sind. Wie der „Antibodies to Watch“-Artikel feststellt, waren im Jahr 2018 über 570 mABs in klinischen Studien und zwölf neue therapeutische Antikörper wurden in der EU und/oder den USA zugelassen (mAbs. 11: 219-38). Für 2019 werden mindestens 16 Anträge auf Zulassung erwartet. Erst ein Nanobody schaffte diesen Schritt, nämlich ein Molekül zur Behandlung einer seltenen Gerinnungsstörung.

Der Direktor des internationalen Structural Genomics Consortium Aled Edwards ist der Meinung, diese Entwicklung sei das Ergebnis der aktuellen Patentsituation (Nature 533: S70). Nanobodies würden von ihren Ent­deckern sofort patentiert, die mABs dagegen zunächst nicht. Inzwischen sind die ersten Patente für Kamelid-Antikörper, die sogenannten Hamers-Patente, in der EU und den USA abgelaufen. Seitdem nimmt die Nanobody-Entwicklung Fahrt auf.

Nanobodies lassen sich hervorragend funktionalisieren, etwa durch das Anheften von Fluorophoren, Radioisotopen, Signalmotiven, therapeutisch wirksamen Substanzen oder chemischen Reportermolekülen und Markierungen. Das erweitert ihre Einsatzmöglichkeiten enorm. Sie werden für die Molekular- und Zellbiologie verwendet, für Mikroskopie und Nanoskopie, als Biomarker und Therapeutika. Nanobodies helfen Strukturbiologen, denn sie unterstützen wie Chaperone andere Proteine bei der Kristallisation, was insbesondere sehr hydrophobe Moleküle wie Membranproteine strikt verweigern. Nanobodies werden zur Identifizierung neuer Epitope und Antigene verwendet, für die Analyse von Protein-Protein-Interaktionen, zu Proteomstudien und kommen in der synthetischen Biologie zum Einsatz.

Intrazelluläre Bindung

Wie bereits erwähnt sind Nanobodies im Zytosol stabil – aber wie bekommt man sie dorthin? Zum Beispiel durch transgene Expression. Um sie sichtbar zu machen, kann man sie mit GFP fusionieren. „Das war mein Claim“, sagt Leonhardt. „Aber mein BMBF-Antrag wurde damals glatt abgelehnt mit dem Hinweis, ich solle meine Nase mal ins Immunologielehrbuch stecken, dann würde ich verstehen, dass man Antikörper im Zytosol nicht stabil exprimieren kann.“ Über so viel Ignoranz kann der Forscher jetzt lachen, denn er hat es geschafft (Nat. Methods 3 : 887-9). Solche Konjugate aus Nanobodies und fluoreszierendem Bestandteil, genannt Chromobodies, kann man heute bei Chromotek kaufen (siehe LJ 06/2016, S. 32-3).

Neben GFP-markierten Nanobodies entwickelten die Forscher das Gegenstück, einen GFP-bindenden Nanobody, im Wissenschaftler-Slang GFP-Trap genannt. Auch das ist ein tolles Werkzeug. Denn Protein-GFP-Fusionen gibt es ja massenhaft in tierischen und pflanzlichen Modellsystemen. Die GFP-Binder ersparen dem Forscher den mühseligen und nicht immer erfolgreichen Prozess, sich einen spezifischen Binder gegen das jeweilige Antigen zu kreieren. „Beides zusammen hat eine Welt neuer Möglichkeiten eröffnet“, so Leonhardt.

Nanobodies können aber auch von außen in die Zelle schlüpfen. Wie das gelingen kann, arbeiteten Forscher aus der Gruppe von Christian Hackenberger vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin heraus. Sie versahen die Binder mit positiver Ladung in Form mehrerer, ringförmig angeordneter Arginine. Derart polar, können die originär nicht zellmenbrangängigen Moleküle ohne Transfektion oder Endo­zytose durch Kanäle in die Zelle gelangen. Sogar Cargo mit bis zu einer Größe von gut 80 kDa lässt sich auf diese Weise mit in die Zelle schaffen. Im Zellinneren angekommen verteilen sich die als Intrabodies bezeichneten Moleküle im Zytosol und den Nukleoli, weil sie sich sehr gerne mit negativ geladenen RNA-Molekülen umgeben (Nat. Chemistry 9: 762-71).

Protein-Protein-Interaktionen

Ähnlich wie bei einem Yeast Two-Hybrid System lassen sich mit Unterstützung von Nanobodies Kontakte zwischen Proteinen darstellen. Weil hier drei Komponenten zum Einsatz kommen, nannten die Erfinder diese Methode Fluorescent-Three-Hybrid (F3H)-Strategie (Nat. Commun. 4: 2660). Das Prinzip: Eine GFP-Trap wird an ein Protein gebunden, das sich an einer bekannten Position in der Zelle ansammelt. Die GFP-Trap wird dort quasi fixiert. Interagiert das Protein mit einem zweiten, das mit einem anderen Fluoreszenz-Marker gekoppelt ist, wird dies mikroskopisch sichtbar.

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Ein humaner Antikörper (links) und ein Kamelid-Antikörper (rechts). Illustration: David Goodsell, RCSB Protein Data Bank (CC BY 4.0)
Antigen-Kaserne

Etwa 30 Prozent aller genetischen Knock-outs sind letal, was die Funktionsanalyse dieser Gene kompliziert gestaltet. Hier können Nanobodies behilflich sein, die im ER bleiben. Transgen exprimiert und mit einem KDEL-Peptid-Signalmotiv versehen, bleiben sie in diesem Kompartiment und kasernieren dort ihre Antigene (mAbs 6: 1394-401). Versieht man Nanobodies mit F-Box-Domänen von Ubiquitin-Protein-Ligase-Komplexen, werden die gebundenen Antigene dem Abbau im Proteasom zugeführt.

Sehr elegant ist auch die Lösung von Jörg Mansfeld und Kollegen von der TU Dresden. Sie verwendeten eine GFP-Trap mit einer gekoppelten Bindedomäne für Auxin. Nach der Zugabe des Pflanzenhormons zu Säugerzellen oder in eine Petrischale mit Zebrafischen bildet Auxin die Brücke zwischen dem E3-Ligase-Komplex und dem Nanobody samt seinem Antigen – und dann kommt das Antigen ab in den Zell-Schredder (Nat. Commun. 9: 3297; LJ 11/2018, S. 26-7). In Pflanzen funktioniert dieses System natürlich nicht, weil sie Auxin ständig produzieren.

Scharfe Bilder

Viel besser als GFP-markierte klassische Antikörper eignen sich Nanobodies für höchstauflösende Lichtmikroskopie wie STED (Stimulated Emission Depletion) und STORM (Stochastic Optical Reconstruction Microscopy). Denn erstens können sie Gewebe besser penetrieren, und zweitens liegen sie mit einem Durchmesser von nur 2,5 Nanometer deutlich unter der Auflösungsgrenze der Mikroskope. Noch schärfere Bilder erhält man, wenn man GFP durch kleinere organische Fluorophore ersetzt.

Auch der korrelativen Immunfluoreszenz- und Elektronenmikroskopie (EM) verhelfen Nanobodies zu besseren Bildern, und zwar mit einer Nanobody-Assisted Tissue Immunostaining for Volumetric Electron Microscopy (NATIVE) genannten Methode (Nat. Methods 15: 1029-32). Der Clou: Die Nanobodies können in für die EM in Aldehydblöckchen fixierte Proben eindringen, während monoklonale Antikörper an der Oberfläche hängen bleiben.

Bei Lebend-Untersuchungen im Positronen-Elektronen-Tomographen (PET) oder Einzelphotonen-Emissions-Computertomographen sind radioaktiv markierte Nanobodies durchaus nützlich. Konjugiert man sie mit Polyethylenglykol, haben sie eine längere Verweildauer in den Versuchstieren, sodass die Nanobodies eine größere Chance haben, ihre Zielstrukturen zu entdecken. Mit derart funktionalisierten Nanobodies konnten Forscher beispielsweise die Wanderung von T-Zellen in Tumoren lebender Mäuse beobachten (J. Exp. Med. 214: 2243-55).

Viren neutralisieren

Hidde Ploegh vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge (UK) und seine Mitarbeiter haben vorgemacht, wie man Nanobodies dazu nutzen kann, noch unbekannte Schwachstellen bei Infektionserregern zu identifizieren. Die Forscher suchten zunächst Binder, welche die Vervielfältigung von Viren unterbinden. Sie konzentrierten sich dabei auf Influenzaviren und Vesikuläre-Stomatitis-Viren (VSV). Anschließend untersuchten sie, an welche Viren-Antigen-Positionen sich die Nanobodies anheften und die Viren dadurch „neutralisieren“. Auf diese Weise gelang es ihnen, Bindestellen zu beschreiben, die man vielleicht als neue Ziele für antiviral wirkende Substanzen nutzen kann (EMBO Rep. 18: 1027-37; mbio 7: e01569-16).

Superclevere Konzepte

Angesichts der Fülle der Möglichkeiten liegt die Frage nahe, ob es demnächst Nanobodies gegen jeden Molekültyp einer Zelle, also gegen das gesamte Proteom, geben wird. Vermutlich schon. Erste Versuche wurden im Rahmen des Projekts Affinomix unternommen. Leonhardt berichtet, er wisse von „Forschern, die superclevere Konzepte zur Produktion von Millionen von Bindern im Hochdurchsatz-Verfahren haben“. Mehr will er nicht verraten. „Ich prophezeie, dass in ein oder zwei Jahren die Antikörper-Welt eine andere sein wird.“ Na, da sind wir aber mal echt gespannt – und schreiben dann ein neues Special, Antikörper 3.0 et al.?

Last Changed: 08.04.2019