Editorial

Das Digitale Labor

Die vierte Dimension - Firmenportrait: Cubuslab (Karlsruhe)
von Julia Eckhoff, Laborjournal 04/2017



Plug & Play: der Cubuslab-Connector.
Foto: Cubuslab

Ein Start-up aus Karlsruhe möchte die Forschungsdokumentation digitalisieren. Ihr Mantra: Es muss einfach sein!

Lange Straße 2, Karlsruhe-Rüppur: rechts ein Netto-Markt, links der Eingang. „Wir sind in einem Coworking Space“, sagt Dominic Lütjohann, Mitbegründer und Geschäftsführer der Cubuslab GmbH. Anstelle von „Coworking Space“ könnte man auch „Bürogemeinschaft“ sagen. Allerdings klänge das sehr nach Haftnotizen, Schnellhefter und Ablagefächern. Damit wäre man hier an der falschen Adresse.

Ab ins Netz

Zettelwirtschaft ist quasi die Antithese zu Cubuslab. Das junge Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, Laborarbeit ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. „Im Moment ist es so, dass Beobachtungen handschriftlich notiert und nachher am PC eingetippt werden. Oder wenn Arbeitsaufträge vorliegen, dann werden die ausgedruckt, mitgenommen, abgearbeitet und die Ergebnisse dann wieder zurückübertragen“, so Lütjohann.

„Stellen Sie sich jetzt vor, dass all diese Geräte über einen universellen Konnektor an ein zentrales Computersystem angeschlossen sind. Das heißt, wenn Arbeitsaufträge oder Versuchsvorschriften digital vorliegen – und das ist oft schon der Fall – dann können sie direkt an den Geräten abgerufen und durchgespielt beziehungsweise ausgeführt werden. Die Ergebnisse werden genau so, wie sie aufgezeichnet wurden, an dieses Protokoll angehängt, ohne dass dazwischen irgendein Datenverlust stattfindet und ohne, dass die Leute sich Gedanken machen müssen: „Wie kommen jetzt die Daten von A nach B?“, beschreibt Lütjohann das Prinzip der Labordigitalisierung. Schon während der Messung werden die Daten an ihren Bestimmungsort, beispielweise an ein LIMS (Labor-Informations- und Management-System) oder ELN (Electronic Laboratory Notebook)-System, geschickt, wo sie dann später weiter verarbeitet werden können.

Genauer betrachtet mutet es merkwürdig an, dass man im Labor Einwaagen und viele Messdaten handschriftlich notiert, während man der Kaffeemaschine in der Teeküche per Bluetooth mitteilen kann, sie möge in fünf Minuten einen Cappuccino aus der Düse lassen.

„Das Potenzial, das in der Digitalisierung steckt, wurde noch nicht angetastet“, pflichtet Lütjohann bei. „Natürlich gibt es Computer und Datenbanken, und Systeme, um all das zu verwalten. Aber das ist alles auf einer sehr rudimentären Ebene und losgelöst von den tatsächlichen Arbeitsabläufen im Labor. Wenn ich einen Computer aufklappe, kann ich natürlich alles dokumentieren, was mir in den Sinn kommt, aber das so nahtlos zu integrieren in den Laborablauf, ist noch sehr selten. Da bietet diese IoT-Technologie [IoT = Internet of things, Anm. d. Red.] ganz neue Ansätze, um die Digitalisierung so zu machen, wie sie sein soll, nämlich durchgehend.“

Lückenlose Dokumentation

Neben der Arbeitsersparnis habe das den Vorteil, dass „alle Versuche und alle Arbeitsschritte in einem Detailgrad protokolliert werden, die den bisherigen übersteigt“, so Lütjohann. Je höher die Auflösung, desto besser lasse sich im Nachhinein nachvollziehen, wo ein Fehler lag beziehungsweise das nächste Experiment besser planen.

Die meisten Gründer, die innerhalb der Rubrik „Firmenportrait“ vorgestellt werden, haben einen naturwissenschaftlichen Hintergrund. Bei Cubuslab ist das anders.

„Vom Herzen und vom Diplomstudiengang her bin ich Informatiker“, erzählt Lütjohann, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) studierte und promovierte. Die Firma gründete er im März 2015 gemeinsam mit dem Wirtschaftsingenieur Martin Langer und dem Grafikdesigner Julian Lübke. Außerdem dabei war Robert Koning, der als Business Angel dem jungen Unternehmen finanzielle Starthilfe gab.

Lütjohann beschäftigte sich schon lang vor Gründung der Cubuslab GmbH mit der Digitalisierung des Wissenschaftsablaufs. Für seine Diplomarbeit war er „durch Zufall in einem chemischen Labor gelandet“, wo er sich dafür interessierte, wie die dortigen Arbeitsabläufe mit IT unterstützt werden können. Das Thema seiner anschließenden Doktorarbeit lautete entsprechend „Das digitale Labor“. Während seiner vierjährigen Promotion nahm er den Datenfluss eines ganzen Forschungszyklus unter die Lupe: Vom Aufzeichnen und Ablegen der Daten, über das Strukturieren selbiger, bis hin zum Veröffentlichen und dann wieder zum Suchen im Rahmen von Literaturrecherchen. Dabei entstanden unter anderem eine wissenschaftliche Suchmaschine, eine Publikationsplattform für Rohdaten UND die Grundidee für Cubuslab.

Bei jedem Teilprojekt hatte sich die Geräteverbindung als das größte und drängendste Problem herauskristallisiert. „Es musste einfach sein. Das war die Kernaussage, die ich aus meiner Promotion herausgezogen habe“, erinnert sich Lütjohann.


Julian Lübke (links, Produktentwicklung) und Dominic Lütjohann (rechts, Vertrieb) sind die beiden noch in der Firma verbliebenen Gründer von Cubuslab.
Foto: Cubuslab

Aus einer Idee wird ein Konzept

Seinen Mitstreitern lief er erstmals Ende 2014 beim „Gründergrillen“, einem regelmäßigen Event am KIT, über den Weg. „Da treffen sich gründungsinteressierte Menschen, tauschen sich aus, haben Ideen und lernen sich so kennen. Und wenn der Funke überspringt, dann sagt man vielleicht: Mensch, lass uns mal ’ne Firma gründen!“, erklärt Lütjohann.

„Eine Softwareplattform wurde während meiner Promotionsphase skizziert. Aber es ist etwas ganz anderes, daraus auch tatsächlich ein Geschäftsmodell zu entwickeln“, berichtet er. „Wir haben die komplette Produkt- und Geschäftsidee noch einmal frisch gemeinsam entwickelt.“ Mittlerweile umfasst das Team sechs Mitarbeiter. Martin Langer zählt nicht mehr dazu, er schied Anfang 2016 aus dem Projekt aus. Langer habe andere Pläne gehabt, erzählt Lütjohann, „Passiert halt, bei einem Start-up!“ Neben der Grundbesetzung Lütjohann, Lübke und Koning arbeiten Studenten und/oder externe Programmierer in dem Unternehmen mit. „Es sind gewisse Fluktuationen dabei, aber das Kernmanagementteam ist konstant“, so der Geschäftsführer.

Idiotensicher auch für Nicht-Nerds

Das einzige mit Händen greifbare Produkt der Firma ist ein kleines, Scheckkarten-großes Plastikkästchen – der sogenannte „Connector“. Mit ihm werden die Geräte miteinander verbunden. Er vermittelt zwischen der Geräteschnittstelle (beispielsweise einem USB- oder einem seriellen Anschluss) und der Netzwerkverbindung. Der Server, der die Daten entgegen nimmt, steht entweder bei der jeweiligen Firma selbst, im Intranet, oder kann in der „Cloud“ betrieben werden. Letzteres sei vor allem für kleine Labore interessant, da dann weniger IT-Aufwand nötig sei, so Lütjohann.

IT-Aufwand – allein schon bei diesem Wort klappen sich bei 99,9 Prozent aller Nicht-Informatiker angewidert die Zehennägel hoch. Doch da dem Cubuslab-Team diese Urängste bekannt sind, haben sie von Anfang an den Fokus auf leichte Bedienbarkeit gelegt.

„Wenn ich Ihnen jetzt so eine Connectorbox schicken würde, dann bräuchten Sie diese im Labor nur mal schnell anschließen, und innerhalb von dreißig Sekunden wäre das System einsatzbereit.“

Man könne sich das vorstellen wie das Einrichten eines Bluetooth-Headsets: „Man gibt den Key ein und kann dann dieses Gerät sofort in Betrieb nehmen. Wir haben einen Plug-and-Play-Algorithmus eingebaut, der die Laborgeräte sofort erkennt. Das heißt, der Benutzer muss keine technische Entscheidung treffen. Er bekommt unter anderem ein visuelles Bild, an welchem Stecker welches Gerät angeschlossen ist.“

An einen einzelnen Connector könne man maximal vier Geräte anschließen, so Lütjohann weiter: „Auf der einen Seite kommt das Kabel vom Gerät rein, auf der anderen Seite das Netzwerkkabel.“ Das ganze sei wartungsfrei. Sobald man einmal dieses Pairing durchgeführt habe, könne man von jedem Webbrowser auf dieses Gerät zugreifen, erklärt Lütjohann. Alles was man brauche, sei eine Internet- beziehungsweise Netzwerkverbindung; die Installation einer speziellen Software sei nicht nötig. „Unser Produkt ist die Plattform. Die Möglichkeit, dass Labormitarbeiter ihre Geräte voll digital und bidirektional von jedem Punkt aus steuern können“, erklärt der Geschäftsführer das Angebot seiner Firma. Dazu gehöre neben dem Connector auch die Serverumgebung – wie zum Beispiel der Cloud-Betrieb, den Cubuslab auf Wunsch für seine Kunden übernimmt.

Die Kunden kommen offenbar aus allen Ecken der Wissenschaft: „Platt gesagt: Aus allen Branchen, wo eine Waage steht. Feiner formuliert: Überall da, wo durch Automatisierung die Arbeitsabläufe verbessert und erleichtert werden sollen“, berichtet Lütjohann. Momentan muss das junge Team seine Kunden aktiv akquirieren. Im letzten Jahr waren sie zu diesem Zweck häufig auf Messen unterwegs, unter anderem auf der CEBIT, der Hannover Messe, und der Analytica in München.

Ständig unterwegs

„In der Labor-, Pharma-, Biotech- und Chemiebranche kommt es extrem auf den persönlichen Kontakt an. Auf die Glaubwürdigkeit. Das ist kein anonymes Business“, so Lütjohann. Dieses Jahr ist Cubus­lab mit Workshops und Vorträgen bei der „Paperless Lab Academy“, einer Konferenz rund um das digitale Management wissenschaftlicher Daten, vertreten.

Was die Konnektivität betrifft, sei alles möglich, was der Kunde sich wünsche, versichert Lütjohann. Doch bestimmten Ideen erteilt er eine Absage: „Wir sind keine Firma, die durch Robotik Digitalisierung anstrebt.“ Es gehe nicht darum, Mitarbeiter durch Roboter zu ersetzen. Auch die Datenauswertung und Interpretation überlässt er lieber anderen: „Die Algorithmen für die Auswertung sind in der Regel in ELN- oder LIMS-Softwares enthalten. Die können und wollen wir nicht nachprogrammieren. Wir sorgen lieber dafür, dass die Daten unterbrechungsfrei dort landen, wo mit ihnen weitergearbeitet werden kann.“

Last Changed: 02.07.2018