Editorial

Schuppenflechte, Allergien und ganz viel Melanom

Publikationsanalyse 2008-2017: Hautforschung
von Mario Rembold, Laborjournal 11/2019


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Menschliche Epidermis Foto: Science Source

(11.11.2019) Unter den Hautforschern sammeln Tumorspezialisten die meisten Zitate. So drehen sich auch die zehn meistzitierten Artikel sämtlich um Melanome. Im regionalen Hotspot Berlin stehen allerdings Allergien und Schuppenflechte im Vordergrund.

Jedes Lebewesen grenzt sich von seiner Umwelt ab. Beim Einzeller übernimmt eine Zellmembran oder eine Zellwand diese Aufgabe, wir Wirbeltiere sind da aufwendiger konstruiert: Von innen nach außen schichten sich Unterhaut, Lederhaut und schließlich die Oberhaut oder Epidermis übereinander. Die Epidermis besteht wiederum aus mehreren Lagen: Auf einer Basallamina liegen Zellen, die zeitlebens teilungsfähig bleiben. Ganz außen tragen wir eine Hornschicht aus abgestorbenen Zellen.

Schuppen der Reptilien, Federn der Vögel oder unsere Fingernägel entstehen aus der Epidermis. In der Haut sitzen zudem die Haarfollikel, und selbst unsere Zähne gehen evolutionsgeschichtlich auf Hautstrukturen zurück. Haie und Rochen tragen noch heute solche „Hautzähnchen“ oder Placoidschuppen, weshalb sich diese Tiere anfühlen wie Schmirgelpapier.

Thermoregulation durch Fell oder Federn und, bei Säugetieren, durch Schweißdrüsen, dazu Barriere gegen Wasserverlust von innen wie auch gegen unbefugte Eindringlinge von außen und natürlich mechanischer Schutz vor Verletzungen – das sind wohl die offensichtlichsten Aufgaben der Haut. Bei unserer Publikationsanalyse steht aber weniger die Funktion der gesunden Haut im Fokus als vielmehr das, was in und auf der Haut schieflaufen kann. Denn die Hautforschung ist eine stark klinisch geprägte Disziplin – jedenfalls dort, wo sie viele Zitierungen einbringt.

Immunologie inklusive

Natürlich kann gerade die Haut von Krankheitserregern befallen sein. Ganz oft aber spiegeln sich in der Haut auch Reaktionen des Immunsystems wider, deren Ursachen im wortwörtlichen Sinne „tiefer liegen“. Man denke an allergische Reaktionen, die sich in juckenden Hautpusteln äußern – auch wenn das Allergen gar nicht mit der Haut in Kontakt kam, sondern über Mund oder Atemwege in den Organismus gelangt ist. Bei der Schuppenflechte wiederum kommt es zu einer Autoimmunreaktion. Hier werden weitere Trigger diskutiert, von Chemikalien über Infektionen bis hin zu hormoneller Veränderung und psychischem Stress.

Klar ist also: Wenn wir nach den meistzitierten Hautforschern suchen, dann werden wir auf Allergologen und Immunologen stoßen. Allerdings rangiert in Sachen Zitierzahlen erfahrungsgemäß die Krebsforschung immer dann ganz vorne, sobald wir auf Publikationen zu einzelnen Organen und Organsystemen schauen. Die Haut bildet hier keine Ausnahme. Hinzu kommen dann noch die „Omics“-Experten und Bioinformatiker, die nach assoziierten Gen-Loci zu einzelnen Krankheitsbildern fahnden.

Nun haben Immunologen, Krebsforscher und Humangenetiker jeweils ihr eigenes Ranking. Andererseits könnte man auch die meisten Hautforscher mindestens einer dieser drei Kategorien zuordnen. Wir haben uns daher recht konsequent an unsere beiden Schlüsselkriterien gehalten: Entweder sollte ein Forscher im Analysezeitraum signifikant in Fachblättern rund um die Dermatologie publiziert haben oder aber an einer Einrichtung arbeiten, deren Bezeichnung einen klaren Bezug zur Hautforschung nahelegt. Den wenigen Grenzfällen, die uns dabei ins Netz gegangen sind, haben wir dann nochmal durch einen Blick auf die relevanten Stichworte ihrer Publikationen auf den Zahn gefühlt. Auch Biografie und Selbstbeschreibung auf den Webseiten der jeweiligen Arbeitsgruppe halfen uns beim Einordnen.

So waren Andre Franke (2.) und Michael Detmar (20.) nicht auf den ersten Blick als Hautforscher zu identifizieren. Frankes Interesse gilt laut seiner Instituts-Webseite am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Uni Kiel der Entwicklung und Etablierung neuer Hochdurchsatzmethoden. Er analysiert Daten zur Genetik und Epigenetik verschiedener entzündlicher Erkrankungen. Aufgefallen ist uns Franke durch sein Mitwirken an zahlreichen Artikeln zur Schuppenflechte und zum atopischen Ekzem, besser bekannt als Neurodermitis. Dieses Interesse bekundet er darüber hinaus im Forscherprofil seiner Instituts-Webseite. Für uns gehört Franke daher mit ins aktuelle Ranking hinein.

Detmar wiederum forscht am Institut für Pharmazeutische Wissenschaft der ETH Zürich und ist Professor für Pharmakogenomik. Auf den ersten Blick also kein Hautforscher – zumal Detmar nur neun seiner 101 Artikel in dermatologischen Journals veröffentlicht hat und er seinen Themen nach den Krebsforschern zuzuordnen ist. Allerdings haben mehr als die Hälfte seiner Publikationen einen thematischen Bezug zur Haut und insbesondere zu Melanomen. Des Weiteren erwähnt sein Lebenslauf diverse Berufsstationen an dermatologischen Einrichtungen.

Zehnmal Melanom

Wie erwartet dominieren die Krebsforscher insbesondere die vorderen Plätze. Fünf der sechs meistzitierten Köpfe haben vorwiegend an Papern zu Melanomen mitgeschrieben, allen voran Dirk Schadendorf auf Platz 1 der Tabelle. Mehr als 44.000 Zitierungen hat der Direktor der Klinik für Dermatologie an der Uniklinik Essen in den zehn Jahren unseres Analysezeitraums eingefahren. Insgesamt liegt bei rund der Hälfte der dreißig meistzitierten Köpfe der Fokus beim Hautkrebs, und die tummeln sich fast alle auf den vorderen zwanzig Plätzen.

Noch deutlicher wird der Hautkrebs-Schwerpunkt beim Blick auf die zehn meistzitierten Artikel: Alle widmen sich Melanomen, und neun der Paper präsentieren Ergebnisse klinischer Studien zur Wirksamkeit unterschiedlicher Hautkrebstherapien. Auch hier finden wir Schadendorf auf der Pole Position. Schadendorf hat darüber hinaus an fünf weiteren dieser Artikel als Autor mitgewirkt.

Wer unsere Kriterien für das Etikett „Hautforscher“ erfüllt und auf der Autorenliste des meistzitierten Artikels steht, hat damit übrigens die Eintrittskarte zu unserer aktuellen Köpfe-Liste in der Tasche. Das verdeutlicht Julia Vaubel, heute niedergelassene Ärztin in Mülheim an der Ruhr, bis 2014 am Uniklinikum Essen. Vaubel hat im Analysezeitraum zwar nur acht Artikel mitverfasst, doch 7.443 ihrer Zitierungen verdankt sie der Beteiligung am erwähnten Paper. Damit schafft sie es auf Platz 12 der Köpfe-Liste.

Im Ranking der meistzitierten dermatologischen Artikel käme erst auf Platz 13 ein Paper ohne Bezug zu Hautkrebs: Eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie zur Wirksamkeit von Ustekinumab bei Schuppenflechte; Ustekinumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen zwei Interleukine (Lancet 371: 1675-84). Senior-Autor dieser Studie ist Kristian Reich, der am Dermatologikum Berlin Patienten behandelt und an der Uniklinik Hamburg forscht. Mit Platz 7 unter den meistzitierten Köpfen ist Reich nach Franke der am höchsten platzierte Hautforscher, dessen Schwerpunkt nicht auf Krebs liegt.

Als meistzitierten Immunologen unter den Hautforschern haben wir Marcus Maurer ermittelt, Forschungsdirektor an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Berliner Charité. Mit knapp 9.000 Zitierungen belegt er Platz 8 der meistzitierten Köpfe. Publiziert hat Maurer zu Mastzellen, Nesselsucht und Juckreiz.

Ins Auge fiel uns noch Antje Sucker (18.), die in 62 Artikeln vor allem zur genomischen Klassifikation von Melanomen publiziert hat. Sucker ist leitende Technische Assistentin in der Arbeitsgruppe von Annette Paschen an der Klinik für Dermatologie der Uniklinik Essen. Damit kommt Sucker ganz ohne Doktortitel auf mehr Zitierungen als ihre Chefin Paschen, die „nur“ in 36 Artikeln namentlich auftaucht und nicht in unserer Köpfe-Tabelle vertreten ist.

Hier also schließt sich dann wieder der Kreis zur Krebsforschung. Im Städte-Ranking hingegen dominiert das Interesse am Immunsystem: Insgesamt sieben unserer Köpfe forschen nämlich in Berlin, sechs von ihnen nehmen vor allem Allergien und Schuppenflechte ins Visier. Exot unter den Berlinern ist der Physiker Jürgen Lademann (23.), der an der Charité untersucht, wie Nanopartikel in die Haut gelangen (siehe auch Interview vom 5. März 2018).

Vier der meistzitierten Köpfe waren im Analysezeitraum an der Uniklinik Essen tätig – die Stadt im Ruhrgebiet ist damit der zweite Hotspot der Hautforschung im Verbreitungsgebiet. Jürgen Becker (14.) ist dabei der einzige unter den vier Essenern, der sein Namensschild nicht an der Klinik für Dermatologie hat, sondern am Tumorzentrum. Becker erforscht insbesondere Melanome und B-Zell-Lymphome. In älteren Publikationen vor 2010 interessierte Becker sich außerdem für Ovarkrebs, so dass sich manch ein Leser fragen mag, warum er bei den Hautforschern gelistet ist. Hier sei erwähnt, dass Becker immerhin 33 Publikationen in Fachjournalen zur Hautforschung vorweisen kann. Doch auch viele weitere seiner 125 Artikel widmen sich dem Hautkrebs, zudem leitet er in Essen die Abteilung „Translationale Onkologie mit Schwerpunkt Hautkrebsforschung“.

Gute Frauenquote

Dreimal steht Kiel auf den Visitenkarten der meistzitierten Köpfe, alle weiteren Standorte tauchen dann maximal zweimal auf. Zum Beispiel Graz, wo auch Jürgen Becker bis 2014 tätig war, und Zürich. Andere Städte aus Österreich und der Schweiz haben es diesmal nicht in die Tabelle geschafft.

Unter den Nachbarn in der Schweiz sei aber last but not least noch Reinhard Dummer genannt, der sich mit Melanomen und Lymphomen auskennt und Platz 3 der meistzitierten Köpfe belegt. Dummer hat zudem an vier der meistzitierten Artikel mitgewirkt.

Zum Abschluss der Statistik noch ein Blick auf die Geschlechterverhältnisse: Diesen Monat sind immerhin fünf Frauen unter den meistzitierten Köpfen. Zugegeben, auch diesmal belegen die Y-Chromosomenträger wieder mehr als achtzig Prozent der Tabellenplätze. Andererseits hatten wir schon Rankings, in denen der Frauenanteil weit unter zehn Prozent lag.


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Letzte Änderungen: 10.11.2019