Editorial

Krebsprofile und mehr

Publikationsanalyse 2012-2016: Pathologie
von Mario Rembold, Laborjournal 09/2018


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Illustr.: Emory University

Die meisten Pathologen erforschen Krebserkrankungen. Trotzdem gibt es auch andere, teils sehr unterschiedliche Themen, bei denen sie gefragt sind – zum Beispiel virale Infektionen von Herz und Leber oder Proteom-Analysen.

Gern übersetzt man „Pathologie“ als die „Lehre vom Leiden“; allgemein gesprochen geht es also darum, Krankheiten zu erforschen oder zu diagnostizieren. Auf welchen Wissenschaftler aus der Medizin trifft diese Definition aber nicht zu? Den Arzt, der mit Stethoskop in der Hand diagnostiziert und forscht, würden wir jedoch nicht in diese Schublade stecken, obwohl er natürlich auch „Biomarker“ kennt, um gesunde von krankhaften Prozessen zu unterscheiden. Bleiben wir also lieber beim klassischen Bild des Pathologen, der Gewebeproben präpariert und unters Mikroskop legt?

Was ist dann aber mit dem Mausforscher, der mittels In-situ-Hybridisierung und Immunhistochemie molekularen Signalwegen auf den Grund geht? Er hat ebenso einen geschulten Blick für Strukturen in Geweben und Zellen und arbeitet ähnlich wie manch ein Pathologe – würde sich selbst aber nicht als solchen bezeichnen. Umgekehrt gibt es Pathologen, die sich mit Gen­expressions-Mustern auskennen und je nach Sichtweise auch als Molekularbiologen durchgehen könnten.

Für die aktuelle Publikationsanalyse wäre es also wenig hilfreich, allein auf die Methodik der einzelnen Forscher zu schauen. Auch können wir die Pathologen nur schwer über ihre Forschungsthemen eingrenzen, da sie an vielen Fronten mitmischen. Sie beteiligen sich an Genomik- und Proteomik-Papern oder stehen in der Autorenliste von Arbeiten zum Alkohol-Missbrauch. Wie wir sehen werden, gibt es vor allem große Überlappungen mit der Krebsforschung.

Institutsadresse zählt

Wir sind daher die aktuelle Analyse ganz pragmatisch angegangen und haben nach Forschern an pathologischen Instituten gesucht. Denn die werden sich in den meisten Fällen auch selber als Pathologen bezeichnen oder zumindest als pathologisch forschende Köpfe. Und so wurde die Institutszugehörigkeit für das aktuelle Ranking zum wichtigsten Kriterium, um einen Pathologen als solchen zu identifizieren. Pragmatisch auch die Entscheidung, Neuropathologen nicht zu berücksichtigen. Das hatte sich bereits in den vergangenen Rankings bewährt, denn Neuropathologen sind nicht nur unter den meistzitierten Krebsforschern vertreten, sondern vor allem in beiden neurowissenschaftlichen Publikationsanalysen (nämlich sowohl dem klinischen als auch dem nicht-klinischen Teil). Die Meistzitierten unter ihnen kennen wir also bereits aus drei Rankings anderer Disziplinen.

Werfen wir einen Blick auf die fünfzig meistzitierten Pathologen, die wir nach den oben skizzierten Kriterien ermittelt haben: Ganz vorne gelandet ist Carsten Denkert, der an der Berliner Charité vor allem über Brustkrebs publiziert. Ihm folgt Holger Moch vom Universitätsspital Zürich, dessen Name auf Papern zu Tumoren von Prostata, Lunge und Niere steht. Die Bronzemedaille sichert sich nur knapp dahinter Wolfram Klapper von der Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel. In den von ihm mitverfassten Artikeln geht es in erster Linie um Lymphome.

Tumoren und Genome,...

Die ersten drei Tabellenplätze sind durch­aus repräsentativ, denn mehr als 80 Prozent der meistzitierten Pathologen veröffentlichen vorwiegend zu Krebserkrankungen. Häufig behandeln sie die Klassifikation von Krebs oder Biomarker für bestimmte Tumortypen. Ebenfalls repräsentativ dafür ist der am zweithäufigsten zitierte Artikel dieses Rankings, der sich dem molekularen Profiling von Lungentumoren widmet – und den Philipp Schnabel (8.) von der Uniklinik Homburg mitgeschrieben hat.

Auch in klinische Krebsstudien werden Pathologen gern eingebunden – etwa um Chemoradiotherapien zur Behandlung kolorektaler Karzinome zu vergleichen (Platz 7 der meistzitierten Artikel).

Wolfram Klapper hat übrigens den meistzitierten Artikel mitgeschrieben: Darin geht es um die Entstehung somatischer Mutationen in bösartigen Tumoren. Weil die Genomik gerade in der Krebsforschung einen hohen Stellenwert hat, tauchen Pathologen auch zwischen Humangenetikern auf. Zum Beispiel steht im zehnthäufigst zitierten Artikel unter Pathologenbeteiligung die Whole Genome-Sequenzierung im Mittelpunkt – hier untersuchten die Autoren Bauchspeicheldrüsenkarzinome.

... aber auch Herz und Asthma

Werfen wir noch einen Blick auf die „Exoten“ in unserer Liste, nämlich diejenigen, die jenseits der Onkologie tätig sind. Da gibt es den Allergieforscher Rudolf Valenta (19.) aus Wien, der sich besonders für Heuschnupfen und Asthma interessiert. Oder Karin Klingel (21.) von der Uniklinik Tübingen, die Viruserkrankungen des Herzens untersucht. Eine virale Myokarditis lässt sich nämlich zweifelsfrei erst über eine Biopsie des Herzmuskels diagnostizieren – und von der Diagnose hängt auch die Therapie ab (siehe Interview mit Karin Klingel auf Laborjournal online). Zudem hat Hans Kreipe (42.) von der Medizinischen Hochschule Hannover unter seinen meistzitierten Artikeln verschiedene Arbeiten zu Immunerkrankungen vorzuweisen, etwa zur entzündlichen Darmerkrankung im Kindesalter – doch auch in seiner Bibliografie finden wir etliche Artikel zu Krebserkrankungen.

Michaela Aichler (50.) vom Helmholtz Zentrum München war im Analysezeitraum an Studien am Mausmodell beteiligt und hatte dabei vor allem Niere und Leber im Blick. Es ging um Nierenfehler oder die Replikation von Hepatitis-Viren. Doch auch sie hatte Gewebe von Krebspatienten auf dem Tisch. In einigen Papern, auf denen ihr Name steht, kam übrigens auch Massenspektrometrie zum Einsatz. Ebenso wie bei Julia Slotta-Huspenina (47.) von der TU München, die den am fünfthäufigst zitierten Artikel mitgeschrieben hat. Die Autoren dieses Papers hatten versucht, das menschliche Proteom massenspektrometrisch zu erfassen.

An dieser Stelle noch eine Anmerkung zu den meistzitierten Artikeln und Reviews, die zum Teil doch recht unterschiedliche Forschungsrichtungen abbilden: Normalerweise wählen wir die Paper eines Rankings thematisch aus. Doch was soll ein speziell „pathologisches“ Paper sein? Pathologen werden in der Regel als Experten herangezogen, um Probenmaterial zu analysieren. Dabei ist deren Erfahrung gefragt, Veränderungen an Zellen und Geweben zu beurteilen – die wissenschaftlichen Fragestellungen dahinter können äußerst unterschiedlich sein. Deswegen sind die Pathologen meist auch nur Koautoren und geben nicht die thematische Richtung einer Veröffentlichung vor. Zwar gibt es einige Zeitschriften, die der Kategorie „Pathologie“ zugeordnet sind, den darin veröffentlichten Papern sieht man diese Kategorie aber nicht immer an, denn auch hier stehen onkologische Themen im Vordergrund, insbesondere die Klassifikation und das Profiling von Tumoren.

Trittbrettfahrer?

Daher haben wir einfach geschaut, an welchen Papern Pathologen aus dem deutschsprachigen Raum mitgeschrieben haben. Und die auf diesem Wege aufgespürten Arbeiten mit den meisten Zitierungen listen wir hier auf. Wer die Pathologen aber als Trittbrettfahrer der Krebsforschung abtut, die sich durch die Hintertür massenhaft Zitate erschleichen, der möge die aktuelle Artikelliste mit der Tabelle im letzten Krebsforscher-Ranking vergleichen. Zwar taucht der meistzitierte Artikel unter Pathologenbeteiligung auch bei den Krebsforscher-Papern auf, steht dort aber nur an vierter Stelle. Auch die Zitierzahlen der einzelnen Pathologen sind doch eher moderat im Vergleich zu den Kollegen aus der Onkologie. Bei den Krebsforschern hatte Platz 50 schon mehr als 4.200 Zitierungen; Pathologen mit diesen Zitierzahlen erreichen hingegen die Top 5.

Dies sei zum einen erwähnt, damit die Publikationsanalyse zur Pathologie nicht als zweites Krebsforscher-Ranking missverstanden wird, zum anderen mag es ja auch den ein oder anderen Neider geben, der mit Missgunst auf Forscherkollegen schaut, die ihre Zitate meist mit ihrem Namen „irgendwo in der Mitte“ der Autorenliste sammeln. Die Pathologen unseres Verbreitungsgebiets scheinen aber gerade nicht auf Teufel komm raus die „lukrativsten“ Kooperationen zu suchen, sonst wären sie sicher viel stärker in den hochzitierten Krebs-Artikeln vertreten. Vielmehr gehören Pathologen zu jener Gruppe von Experten, die man zur Begutachtung von Biomaterialien heranzieht, gerade weil sie darauf spezialisiert sind und im Idealfall reichlich Erfahrung mitbringen – und nicht primär mit der Federführung eigener Projekte beschäftigt sind.

Daher auch hier wieder der allmonatliche Hinweis, die Zitierzahlen der Forscher im Kontext ihres Tätigkeitsfeldes zu sehen – und nicht als universelle Schulnote für Forschungsqualität misszuverstehen. Dass die Zitierzahlen der 50 meistzitierten Pathologen alle in der gleichen Größenordnung landen und vergleichsweise nahe beieinander liegen, darf sicher als Indiz gelten, dass wir eine recht einheitliche Disziplin eingegrenzt haben. Trotzdem diskutieren die einzelnen Köpfe ihre Ergebnisse natürlich in teils sehr unterschiedlichen Communitys.

Fehlt zum Schluss noch der Blick auf die regionale Verteilung: Vorn liegt München, denn neun der meistzitierten Köpfe waren im Analysezeitraum im Einzugsgebiet der bayerischen Landeshauptstadt tätig. Es folgen siebenmal Heidelberg und viermal die Berliner Charité. Bei der Recherche stießen wir auch auf diverse Forscher aus der Schweiz und etwas seltener aus Öster­reich, doch nur insgesamt sechs von ihnen landeten unter den Top 50.


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Letzte Änderungen: 09.09.2018