Kein Organ ohne Rheuma

Zitationsvergleich 2005 bis 2008: Rheumatologie
von Lara Winckler, Laborjournal 06/2011


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Foto: Fotolia/Sebastian Kaulitzki
Editorial
Die deutschsprachige Rheumaforschung hat Hotspots in Berlin, Wien und Erlangen, und konzentriert sich aufs Immunsystem.

Zu Rheuma, oder korrekt „Krankheiten des rheumatischen Formenkreises“, zählt alles, was an Gelenken reißende Schmerzen verursacht – alles in allem mehrere hundert Erkrankungen. Darunter Arthrose, Ischias­, rheumatoide Arthritis (RA) oder entzündliche Bindegewebserkrankungen (Kollagenosen), wie das Sjögren-Syndrom oder der systemische Lupus erythematodes (SLE). Ursachen können jahrelange Überlastung oder auch Autoimmunerkrankungen sein, die mit Entzündungen einhergehen.

Rheuma ist jedoch nicht nur eine Krankheit des Alters – einige Formen beginnen schon in zarter Jugend, andere sind gar angeboren. Zudem beschränkt sich Rheuma nicht nur auf die Gelenke. Es gibt kein Organsystem, das nicht von Rheuma betroffen sein kann. So entstehen etwa als Folge einer rheumatoiden Arthritis Erosionen von Hautpartien; die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) betrifft vorwiegend die Lenden- und Brustwirbelsäule und die Kreuz-Darmbeingelenke, kann aber auch zu einer Entzündung der Regenbogenhaut führen. Der systemische Lupus erythematodes (SLE) macht sich äußerlich durch eine charakteristische Rötung im Gesicht, das sogenannte Schmetterlingserythem, bemerkbar. Doch es sind Entzündungen von Gelenken, Herz, Lungen, Nieren und Gehirn, durch welche SLE mitunter lebensbedrohliche Ausmaße annimmt.
Editorial

Entsprechend der vielen Formen rheumatischer Erkrankungen mischen verschiedene Disziplinen bei Rheuma-Artikeln mit. So gilt es, die Rheumaforscher gegen Internisten, Endokrinologen, Gastroenterologen und Orthopäden abzugrenzen, ebenso gegen Dermatologen und Pathologen, und auch einige Ophthalmologen und Ernährungsforscher finden sich in den Autorenlisten.


Autoimmunität ganz vorn

Die rheumatoide Arthritis (RA, auch chronische Polyarthritis) ist mit 0,5 bis 1 Prozent Betroffenen die weltweit häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke. Dieser Tatsache trugen die deutschsprachigen Top 50-Rheumaforscher der Jahre 2005 bis 2008 Rechnung. Rund 30 der Top 50 beschäftigten sich im Analysezeitraum unter anderem mit dieser Autoimmunerkrankung – Ursache, Krankheitsverlauf und mögliche Therapien. Mit weitem Abstand folgen Spondylitis ankylosans und SLE – jeweils gut ein Fünftel der Top 50 hatte in den Jahren 2005 bis 2008 diese beiden Immunstörungen in der Mache.

Eine Handvoll unter den Top 50 forscht an Psoriasisarthritis, die bei bestehender Schuppenflechte auftreten kann, und knapp ein Zehntel hatten autoimmunologisch bedingte Entzündungen von Gefäßen, die Vasculitiden, im Visier, wie die Wegener-Granulomatose, die häufig mit einer Glomerulonephritis einhergeht. Und das bringt die Nierenforscher auf den Plan. Eine Nephrologin haben wir zugelassen: Kirsten de Groot (39.), Ärztliche Leiterin des Nierenzentrums Offenbach, die wir bereits in der Publikationsanalyse „Nieren- und Hochdruckforschung“ (LJ 5/2011) getroffen haben.

Ein ähnliches Bild findet sich bei den meistzitierten Artikeln: Auch hier ist rheumatoide Arthritis vorherrschendes Thema: Sechs der zehn bis heute meistzitierten Rheuma-Artikel der Jahre 2005 bis 2008 drehen sich um RA und Medikamente, die die Entzündungen in Schach halten sollen. Bei vieren ist Josef Smolen (1.) von der Wiener Rheumatologie unter den Autoren. Zusammen mit Georg Schett (8.), damals ebenfalls noch in Wien, Jochen Zwerina (24.), der 2006 mit Schett nach Erlangen umzog, Joachim Kalden (6.), bis 2006 Direktor der Erlanger Immunologie, sowie Rieke Alten (48.), Chefärztin in der Berliner Schlosspark-Klinik und eine von acht Frauen in diesem Vergleich, führte Smolen klinische Studien mit den Antikörpern Rituximab und Tocilizumab durch.

Jürgen Braun (3.), Rheumazentrum Herne, und Joachim Sieper (4.), Rheumatologie FU Berlin und Deutsches Rheumaforschungszentrum (DRFZ) Berlin, brachten zwei ihrer Artikel unter die Top 10. Unter anderem Dank ihnen ist das DRFZ Berlin nicht nur unter den meistzitierten Artikeln führend: Mit zehn Top 50-Rheumatologen ist es zudem das bei weitem stärkste Institut in diesem Vergleich, Berlin mit 16 Top 50-Forschern die stärkste Stadt; mit viel Abstand folgen Erlangen und Wien. Braun und Sieper erproben Spondyloarthritis-Medikamente, wie die TNF-Blocker Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Golimumab. Andreas Radbruch (21.), Direktor des DRFZ Berlin, ist jedoch zuversichtlich, dass man Rheuma bald ursächlich bekämpfen kann, und zwar mit einer Zelltherapie: Er schaltet das fehlgesteuerte Immunsystem ab und baut es anschließend mit körpereigenen Stammzellen wieder neu auf. 17 SLE-Patienten konnten so bereits geheilt werden.

Gliederreißen könnte also bald der Vergangenheit angehören. Bleiben Krebs, Alzheimer, Herzinfarkt und noch ein paar andere Volkskrankheiten, um die man sich Sorgen machen kann. Vielleicht aber auch nur bis zum nächsten Ranking.


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Letzte Änderungen: 27.06.2011

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