Editorial

Stress, Depression und Angst

Zitationsvergleich 2005 bis 2008: Verhaltensneurowissenschaften
von Lara Winckler, Laborjournal 01/2011


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Foto: Miss X/photocase

In den Jahren 2005-2008 beherrschten drei Institute und drei Themen – Stress und dessen Folgen – die Verhaltensneurowissenschaften. Doch es gab auch „Ausreißer“.

Sieht man sich „Verhalten“ genauer an, so offenbart sich eine erste Hürde für eine Publikationsanalyse über die Verhaltensforschung: Jeder verhält sich ständig irgendwie. Oder wie es Paul Watzlawick formulierte: Es ist lebenden Organismen praktisch unmöglich, sich nicht zu verhalten. Entsprechend der zahlreichen Mechanismen, die Verhaltensweisen bedingen, kann man dieses Sich verhalten auf verschiedene Arten untersuchen – genetisch, biochemisch, pharmakologisch, psychologisch und so weiter. Bevor wir jedoch einen Blick auf die verschiedenen beteiligten Disziplinen werfen, wollen wir eines klären: Was ist Verhalten eigentlich?

Verhalten umfasst alle aktiven Veränderungen, Bewegungen, Körperhaltungen, Gesten und Lautäußerungen; ebenso äußert es sich im Nicht-Bewegen, etwa dem Schlaf, der Trage- oder der Angststarre. Verhaltensforscher interessieren sich zudem für die „inneren Werte“, etwa die Genetik des Instinkts oder die Prädisposition für Verhaltensstörungen, Veränderungen von Hormonspiegeln oder auch morphologische Veränderungen als Reaktion auf Erlerntes.

Wir haben die Verhaltensforschung aufgeteilt in die verhaltensbiologischen (LJ 1-2/2011) sowie die neurowissenschaftlichen Aspekte; um diese dreht es sich in dieser Analyse.


Psychiater und Pharmakologen

Die Verhaltensneuroforscher rekrutieren sich in erster Linie aus der Psychiatrie. Unter ihnen der Würzburger Verhaltensgenetiker Klaus-Peter Lesch (1.), der Bonner Neurobiologe Andreas Zimmer (3.) sowie sieben weitere deutschsprachige Top 50-Verhaltensneurowissenschaftler der Jahre 2005 bis 2008. Ebenfalls neun Top 50-Forscher arbeiteten im Analysezeitraum in der Pharmakologie, wie Rainer Spanagel (8.), Zentralinstitut (ZI) für Seelische Gesundheit Mannheim, und Hanns Möhler (27.), ETH Zürich. Nicht zu vergessen der Innsbrucker Nicolas Singewald (22.), einziger Österreicher in diesem Vergleich.

Mit Inga Neumann (11.), Uni Regensburg, die Oxytocin als Schlüssel für Sozialverhalten erforscht, und Rainer Landgraf (20.), MPI für Psychiatrie München, der Tiermodelle für Angstverhalten entwickelt, sind auch einige Endokrinologen vertreten. Der Anatom David Wolfer (17.), Uni und ETH Zürich, untersucht die Rolle des Hippocampus bei der Gedächtnisbildung und der Steuerung des Verhaltens; der Berliner Neurobiologe Randolf Menzel (19.) schließlich erforscht das Gedächtnis der Honigbienen.

Und obwohl die wenigsten der Top 50 in Instituten arbeiten, die noch „Verhalten“ in ihrem Namen führen, gibt es sie doch: unter ihnen die Gruppe um Joram Feldon (5.) und Benjamin Yee (7.), Labor für Verhaltensneurobiologie, ETH Zürich.

Topthemen waren 2005-2008 stress­bedingte Erkrankungen und Verhaltensveränderungen sowie Depres­sion. Knapp ein Viertel der Top 50-Verhaltensneurowissenschaftler forschte in den Jahren 2005 bis 2008 an einem oder gar an beiden. Dicht verfolgt werden die zwei Spitzenreiter von Angst und Suchtverhalten.

Gleich vier der Top 10 haben das Endo­cannabinoid-System zum Thema, das unter anderem für die Auslöschung von angsterregenden Gedächtnisinhalten zuständig ist. Allerdings sammelten diese Top-Forscher viele Zitierungen mit Artikeln zu den anderen Funktionen des Endocanna­binoid-Systems, wie etwa Neuroprotek­tion, Regulation des Energiestoffwechsels und Schutz gegen entzündliche Prozesse des Magen-Darm-Trakts. Allen voran Beat Lutz (2.), der 2005 vom Münchner MPI für Psychiatrie nach Mainz wechselte, und Andreas­ Zimmer (3.). Dessen meistzitierte Artikel fallen in die Kategorie „andere Funktionen der Endocannabinoide“, daher ist er nicht unter den Autoren der zehn bis heute meist­zitierten Verhaltensneuro-Artikeln der Jahre 2005 bis 2008.

Ganz anders die Nummer 1: Klaus-Peter Lesch platzierte fünf seiner Artikel unter den Top 10. Den bis heute meistzitierten Artikel jedoch landete der Suchtforscher Rainer Spanagel (8.). Die meistzitierten Reviews der Jahre 2005-2008 beherrscht John Cryan (9.), vormals Novartis Basel, seit 2006 in Cork, Irland, mit drei Beiträgen zu Depression und Angst.


Starke Institute

Cryan ist einer von 15 Schweizern unter den Top 50. Diesen hohen Anteil verdanken sie vor allem der Gruppe Zürcher Verhaltensbio­logen und dem Team von Novartis Basel. Zürich belegt gemeinsam mit München mit jeweils neun Top 50-Wissenschaftlern Platz 1 im Städteranking. Das Münchner MPI für Psychiatrie ist zudem das stärkste Institut im Vergleich. Während München und Basel den Topthemen Stress, Angst und Depression folgen, haben die Zürcher Verhaltensbiologen einen anderen Weg eingeschlagen: Sie entwickeln Tiermodelle für psychiatrische Erkrankungen, wie Schizophrenie.


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Letzte Änderungen: 29.04.2011