Editorial

Migräne und Endocannabinoide

Zitationsvergleich 2002 bis 2005: Anästhesiologie und Schmerzforschung
von Lara Winckler, Laborjournal 3/2008


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Schlaf

Zentrale Themen der deutschsprachigen Anästhesiologie und Schmerzforschung zwischen 2002 und 2005 sind Kopschmerzen sowie Opioide, Endocannabinoide und ihre Rezeptoren.

Anästhesiologie und Schmerzforschung überschneiden sich nur zum Teil, und dies macht einen Vergleich kompliziert. Zudem bildet die Anästhesiologie meistens eine klinische Einheit mit der Intensivmedizin, die Schmerzforschung dagegen existiert nur selten als eigenständiges Fach. Sie wird vielmehr von verschiedenen Richtungen aus angegangen, etwa von Pharmakologen wie Peter Illes (24.), der die Expression bestimmter Rezeptoren in nozizeptiven Neuronen untersucht und die Mechanismen, die die Rezeptorfunktion modulieren und damit die Schmerzempfindung.

Auch unter den Physiologen und Pathophysiologen finden sich Schmerzforscher. Der Erlanger Hermann Handwerker (28.) zum Beispiel untersucht gemeinsam mit Neurologen Schmerzsyndrome mit kortikaler Reorganisation, und mit Dermatologen Ursachen und Behandlung von Pruritus, dem gemeinen Juckreiz.


Hyperalgesie und Nozizeption

Und natürlich wird in der Neurobiologie und Neurologie Schmerzforschung betrieben. So etwa von Platz zwei der meistzitierten Forscher zwischen 2002 und 2005, dem Bonner Andreas Zimmer, der im Labor für Molekulare Neurobiologie an der Psychiatrischen Klinik die molekulare Genetik von Schmerz- und Suchterkrankungen erforscht.

Claudia Sommer (17.) von der Neurologie Würzburg und eine von sechs Frauen im Vergleich hat die Pathobiologie der Schmerzentstehung und Schmerzverarbeitung zum Thema, etwa die Sensibilisierung von Nozizeptoren infolge Gewebeentzündung oder Nervenläsion als Ursache chronischer Schmerzen und Hyperalgesie.

Bei einem Vergleich etwa der Migräne mit der Behandlung von septischem Schock ist das Kopfschmerz-Paper klar im Vorteil. Dieser Tendenz kommt auch in der Themenverteilung bei den meistzitierten Artikeln zum Ausdruck: Sieben der zehn Artikel handeln von Schmerzintensität, Hyperalgesie oder Schmerzverarbeitung im Gehirn.

Die ersten beiden Plätze der meistzitierten Forscher der Jahre 2002 bis 2005 dokumentieren den Schmerz-Trend: Shahnaz Azad(18.), Schmerztherapeutin an der Großhaderner Klinik für Anaesthesiologie der LMU München arbeitet gemeinsam mit Walter Zieglgänsberger (8.), Neuropharmakologie am Münchner MPI für Psychiatrie, über Schmerzgedächtnis und die Rolle des körpereigenen Cannabinoidsystems bei der Verarbeitung von Schmerz- und Angstverhalten. Platz eins der meistzitierten Köpfe ist ebenfalls ein Schmerzforscher: Auch Hans-Christoph Diener, Direktor der Neurologie an der Essener Uniklinik, untersucht neben Schlaganfall, Schwindel und Kleinhirnerkrankungen Kopfschmerzen und Migräne. Die Hälfte seiner Zitierungen sammelte Diener mit internationalen klinischen Studien zu seinen beiden Hauptthemen Migräne und Schlaganfall.

Konrad Reinhart (3.) ist eher ein klassischer Anästhesiologe. Seinen besonderen Schwerpunkt bildet die Erforschung der Sepsis und Messungen zur Sauerstoffsättigung im Blut.

Siegfried Labeit (6.) gehört zu den Wissenschaftlern, die zwar an Anästhesiologischen Instituten arbeiten - in seinem Fall ist es die Experimentelle Anästhesie der Uniklinik Mannheim -, aber vorwiegend in "fachfremden" Journalen veröffentlichen. Labeit forscht über das Riesen-Muskelprotein Titin und die Ursache familiärer Kardiomyopathie, und veröffentlicht über Titin, vor allem in genetischen und biochemischen sowie in kardiovaskulären Fachzeitschriften. Auch die Freiburger NFkappaB-Spezialistin Heike Pahl (48.) gehört zu der Gruppe der "Fremd-Veröffentlicher": Sie sucht die molekularen Ursachen myeloproliferativer Erkrankungen, und publiziert ihre Ergebnisse vorwiegend in hämatologischen Journals.


Starke Gruppen

Platz vier in der Liste, Daniel I. Sessler, ist ein Forscher auf zwei Kontinenten: Zum einen ist er Professor für Anästhesiologie und Pharmakologie an der University of Louisville/USA sowie Direktor des dortigen Outcomes Research Institutes, das er 1990 mitgründete. Zugleich ist er Professor an der Universität Wien und zudem seit 1996 stellvertretender Leiter des Wiener Ludwig-Boltzmann-Instituts für klinische Anaesthesie und Intensivmedizin (LBI). Er erforscht "typische" anästhesiologische Fragestellungen wie Sauerstoffsättigung, Anästhetikadosierung und Übelkeit nach der Operation - von ihm stammt eines der drei meistzitierten Reviews im Vergleich.

Überhaupt stehen die Österreicher zahlenmäßig in diesem Vergleich gut da, hier ganz besonders die Innsbrucker: Mit fünf Wissenschaftlern entsendet die dortige Universitätsklinik für Anaesthesie und Allgemeine Intensivmedizin so viele "Köpfe" wie sonst keine andere Stadt im Vergleich. Berlin, Heidelberg und Würzburg folgen dicht auf mit jeweils vier Forschern. Nur zwei Schweizer haben es unter die Top 50 geschafft: Thomas Pasch (15.) war bis zu seiner Pensionierung 2006 Direktor des Instituts für Anästhesiologie am Universitätsspital Zürich. Er erforschte zusammen mit seinem Kollegen Michael Zaugg (30.) die Präkonditionierung des Herzmuskels mittels Anästhetika, um etwa vor einer Bypassoperation körpereigene Schutzmechanismen zu aktivieren.


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Letzte Änderungen: 31.03.2008