Editorial

Bunter Fächermix

Zitationsvergleich 1999 bis 2001: Tiermedizin
von Ralf Neumann, Laborjournal 12/2004


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Besonders viele Zitierungen sammelten Tiermediziner, wenn sie mit Forschern aus der humanmedizinischen Grundlagenfächern zusammen arbeiteten.

Um es gleich vorweg zu sagen: Bitte den Tiermediziner-Vergleich nicht überbewerten! Er kann eigentlich nur als Listung verstanden werden, weniger als Vergleich wissenschaftlicher Leistungen.

Warum? Anders als in den meisten, besser eingegrenzten Disziplinen, die sich auf bestimmte Organsysteme (Kardiologie,...), Organismengruppen (Mikrobiologie,...) oder auch Wechselwirkungen (Toxikologie, Ökologie,...) konzentrieren, bildet die Tiermedizin quasi die gesamten Life Sciences nochmals im Kleinen ab. Da gibt es Immunologen, Ökologen, Virologen, Biochemiker, Ernährungsphysiologen, Pharmakologen, und und und. Nahezu sämtliche Disziplinen sind unter diesem Dach nochmals vertreten. Ein Zitationsvergleich muss also ein wenig mit dem sprichwörtlichen Geruch nach "Äpfel und Birnen" leben.


Immunologische Themen vorn,...

Noch extremer ist die Situation etwa in der Pädiatrie, dort wäre ein Zitationsvergleich tatsächlich absurd. Die Welt der tiermedizinischen Forscher jedoch ist überschaubarer - und eine kleine Schwelle zu den humanmedizinischen Disziplinen gibt es nichtsdestotrotz.

Dennoch erreichten nach unserer Analyse einzelne Tiermediziner genau dann besonders viele Zitierungen, wenn sie in Studien mitarbeiteten, bei denen an sich Gruppen aus humanmedizinischen Fächern die Feder führten. Ganz besonders ist das der Fall bei immunologischen und virologischen Themen, gleich vier entsprechende Publikationen finden sich unter den fünf meistzititierten der Jahre 1999-2001.

Klar, dass die tiermedizinischen Ko-Autoren dieser viel zitierten Publikationen auch in der "Köpfe"-Wertung sehr weit oben auftauchen. Allen voran der Leiter der Abteilung Molekulare Tierzucht und Genetik an der Uni München, Eckhard Wolf. Dieser profitierte hinsichtlich seiner Zititerungen gar nicht mal so stark von seinem wohl "populärsten Werk" - denn die Arbeiten rund um das unter seiner wissenschaftlichen Regie geborene Klonkalb Uschi brachten ihm zwar auch viele Zitierungen, aber nicht den Löwenanteil. Deutlich stärker zitiert aus Wolfs Publikations-Portfolio ist bis heute seine Mitarbeit bei der Identifikation und Charakterisierung des Chemokin-Rezeptors CCR7, die hauptsächlich Immunologen vom Berliner Max Delbrück-Centrum (MDC) verantworteten (Platz 1 der meistzitierten Artikel).

Gleiches gilt für Wolfs Koautorenschaft an dem Artikel auf Platz 3 der Liste - einem Multi-Autorenpaper über die Ergebnisse des sogannten ENU-Mausmutanten-Screens, der seinerzeit vor allem im Institut für Säugetiergenetik am GSF Neuherberg lief. Diese beiden Artikel wurden bis November diesen Jahres 418mal bzw. 159mal zitiert, Wolfs meistzitiertes "Uschi"-Paper stand bis dahin mit 77 Zitierungen in der Datenbank.

Noch stärker als Wolf profitierte indes der Zürcher Veterinär-Virologe Mark Suter von "starken" Kooperationen. Zwei Koproduktionen mit den Immunologen um Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel brachten ihm die Plätze zwei und vier in der Liste der meistzitierten Artikel. Ein weiteres Kooperationsprojekt mit Antonio Lanzavecchia, damals am Basel Institute for Immunology, lieferte ihm zudem noch das am siebthäufigsten zitierte Paper der Liste. Mit insgesamt zehn Veröffentlichungen in den Jahren 1999-2001 rangiert er nicht zuletzt aus diesem Grund auf Platz 3 der fünfzig meistzitierten Tiermediziner.


... gefolgt von Biochemie...

Zwischen Wolf und Suter auf Platz zwei schob sich Wolfs Fakultätskollege von der Uni München - Hans-Joachim Gabius, Leiter des dortigen Instituts für Physiologische Chemie. Dieser hat sich Ruf und Zitierungen insbesondere mit seinen Arbeiten über zuckerbindende Lektine sowie deren mögliche Rollen in medizinischer Diagnostik und Therapie erworben. Klar daher, dass auch Gabius und seine Mitarbeiter sehr oft mit humanmedizinischen Kollegen kooperiert.

Von den Top 10-Artikeln führen insgesamt nur drei ein tiermedizinisches Forschungsinstitut als Korrespondenzadresse - wobei zwei davon wiederum ausländische Institute sind, an deren Studien deutsche Tiermediziner mitgearbeitet haben (Plätze 6 und 9). Erst auf Platz 10 kommt ein Paper, das federführend an einem deutschsprachigen tiermedizinischen Forschungsinstitut entstand - und zwar am Institut für Tierzucht und Tierverhalten der Foschungsanstalt für Landwirtschaft in Neustadt/Mariensee. Thema der Gruppe um Heiner Niemann (Platz 13): Reproduktionsbiologische sowie molekularbiologische Erkenntnisse und Methoden für die Tierproduktion nutzen. Dazu gehören natürlich solche Top-Themen wie Klonen mittels somatischen Kerntransfer, epigenetische Reprogrammierung, Spermien-Oozyten-Interaktion oder molekulargenetische Typisierung im Hochdurchsatz.

Heiner Niemann repräsentiert damit wie schon Eckhard Wolf die Gruppe der Molekularen Tierzüchter, die letztlich Genetik und Reproduktionsbiologie verbinden. Auch der Wiener Gottfried Brem (Platz 4) oder der Kieler Ernst Kalm (Platz 29) gehören beispielsweise zu dieser Gruppe.


...und Virologie

Eine weitere zitationsstarke Gruppe sind die Veterinärvirologen. Neben dem bereits erwähnten Mark Suter sind deren erfolgreichste Vertreter Thomas Mettenleiter, Leiter des Friedrich Löffler-Instituts auf der Ostseeinsel Riems, sowie Heinz-Jürgen Thiel von der Uni Gießen (Platz 23) und Walter Günzburg (Platz 26) von der Uni Wien.

Ebenfalls gut vertreten sind die Parasitologen. Am weitesten vorne zwei Schweizer: Peter Deplazes aus Zürich (Platz 7) und der Berner Bruno Gottstein (Platz 19). Beide leiten indes an ihren Universitäten parasitologische Institute, die sowohl der Tier- als auch der Humanmedizin zugerechnet werden.

Auch Biochemiker finden sich neben Hans-Joachim Gabius und seinen Mitarbeitern noch einige in der Liste: die Zücher Michael Hottiger (Platz 8) und Ulrich Hübscher (Platz 16) etwa, oder der in diesem Jahr verstorbene Gießener Erich Eigenbrodt (Platz 36).

Ansonsten fällt das gute Abschneiden der Forscher aus Österreich und der Schweiz noch auf: 19 Forscher insgesamt schafften es aus den beiden Alpenländern unter die Top 50, davon alleine 8 unter die ersten 11.

Ganz verwundern braucht das allerdings nicht. Denn werden dort mit Wien, Zürich und Bern an insgesamt drei Standorten Tiermediziner ausgebildet, findet dies in Deutschland auch nur an fünf Universitäten statt: in Berlin, München, Hannover, Gießen und Leipzig.



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Letzte Änderungen: 04.02.2005