Editorial

Schmerz, lass nach!

Zitationsvergleich 1999 bis 2001: Anästhesiologie und Schmerzforschung
von Ralf Neumann, Laborjournal 3/2004


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Nicht leicht zu vergleichen, Anästhesiologie und Schmerzforschung. Und dies aus teilweise ganz verschiedenen Gründen.

Anästhesiologie und Schmerzforschung zusammen stecken? Das Thomson ISI - das Institut mit dem Monopol für Zitierzahlen und -analysen- tut das jedenfalls.

Beide Disziplinen bieten Probleme für einen Zitationsvergleich: Die Anästhesiologie, da sie hierzulande meist als klinische Einheit mit der Intensivmedizin zusammengefasst ist. Die Schmerzforschung, da sie an sich als eigenes Fach kaum exisitiert und daher von Reihe verschiedenen Disziplinen ins Visier genommen werden kann: Neurobiologie und Neurologie etwa, aber auch Physiologie und Pharmakologie.

Die Folge ist, dass man bisweilen jemanden, der an einem neurobiologischen Trendthema wie etwa Schmerzrezeptoren arbeitet, mit jemandem vergleicht, der Dosierungskurven für gewisse Anästhetika ermittelt. Klar, dass man mit ersterem viel bessere Karten hat im Spiel um möglichst viele Zitierungen.

Dokumentiert wird dies unter anderem auch durch das meistzitierte "Schmerz-Paper" der Jahre 1999 bis 2001 mit mindestens einer Adresse aus dem deutschen Sprachraum. Thema: Schmerzrezeptoren, wie gesagt.

Auch Platz eins der meistzitierten "Köpfe" bestätigt dies: Der Bonner Andreas Zimmer, der im Labor für Molekulare Neurobiologie an der dortigen Psychiatrischen Klinik laut seiner Homepage die "Molekulare Genetik von Schmerz- und Suchterkrankungen" erforscht. Zwei Phänomene, die so einiges gemeinsam haben - unter anderem einige Rezeptoren im Gehirn.


Quereinsteiger

Siegfried Labeit auf Platz zwei dokumentiert ein weiteres Problem dieses Zitationsvergleichs: Ihn kennt man vielmehr als Zell- und Strukturbiologen, der vor allem am EMBL das Riesen-Muskelprotein Titin untersucht hat. Nach Zwischenstation an der veterinärmedizinischen Fakultät der Washington State University landete er nun in der Abteilung "Experimentelle Anästhesie" des Instituts für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Mannheim. Und veröffentlicht weiter über Titin in vorwiegend biochemischen, aber auch cardiovaskulären Journalen.

Die Freiburger NFkappaB-Spezialistin Heike Pahl ist ein weiteres Beispiel für eine Forscherin, die zwar an einer Anästhesiologischen Abteilung arbeitet, die aber hauptsächlich in ganz anderen Journals veröffentlicht - in ihrem Fall biochemische und hämatologische.

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Starke Österreicher

Auch Platz drei der Liste ist eine Art Sonderfall: Daniel I. Sessler ist zum einen Professor für Anästhesiologie und Pharmakologie an der University of Louisville/USA sowie Direktor des dortigen Outcomes Research Institutes. Zugleich aber ist er Professor an der Universität Wien und stellvertretender Vorsitzender des dortigen Ludwig Boltzmann-Insituts (LBI) für Klinische Anästhesie.

Als kurzes Zwischenfazit lässt sich also festhalten: Es ist durchaus spannend, was sich im Einzellfall hinter dem Etikett "Anästhesie" oder "Anästhesiologie" verbirgt. Einen Zitationsvergleich jedoch macht das, wie bereits gesagt, im Sinne des bekannten "Äpfel-Birne-Problems" nicht einfach.

Doch das ist nicht die einzige Problemquelle. Man nehme zum Beispiel die am zweithäufigsten zitierte Veröffentlichung unserer Liste: Ein Team von zwölf Anästhesiologen aus dem Klinikum Großhadern der Münchner Universität beschrieb darin eine Single-Center Study zum Septischen Schock. Nun tauchte diese bis heute in den Referenzlisten derart vieler Nachfolgeartikel auf, dass im Rahmen unserer Analyse fast sämtliche Koautoren des Papers sich unter den Top 50 platzieren konnten. Ein durchaus ungewöhnlicher Fall.

Zum Schluss noch ein wenig geographische Auswertung: Auffallend gut schneiden die österreichischen Anästhesiologen ab. Und das nicht nur wegen der erwähnten Doppelfunktion von Daniel Sessler und seinen ebenfalls in der Liste platzierten Mitarbeitern Ozan Akca (36.) und Andrea Kurz (28.). Nein, auch Innsbruck ist zum Beispiel gut vertreten: Fünf Kollegen unter den Top 50, davon drei unter den ersten Acht.

Aus deutschen Landen fallen neben den Münchnern, vor allem Erlanger auf. Allerdings weniger Anästhesiologen, als vielmehr Schmerzforscher aus der Pharmakologie rund um Kay Brune (9.) sowie Physiologen um Hermann Handwerker (48.). Rechnet man die ehemaligen Erlanger und jetzigen Frankfurter Irmgard Tegeder (31.) und Gerd Geisslinger (15.) noch großzügig mit, kommt man auf fünf "Köpfe" unter den 50 Meistzitierten. Ansonsten kommt kein weiterer Standort auf mehr als drei Forscher.

Und die Schweiz? Kaum zu sehen. Lediglich Andrea Kurz, die erst im letzten Jahr aus Daniel Sesslers amerikanisch-österreichischem Team nach Bern wechselte, ist vertreten. Natürlich (noch) nicht mit Leistungen aus ihrem neuen Schweizer Institut. Vielleicht aber schon beim nächsten Zitationsvergleich.



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Letzte Änderungen: 08.09.2004