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Zitationsvergleich 1997 bis 1999: Neurowissenschaften, Folge 2: Klinischer Teil
von Ralf Neumann, Laborjournal 3/2002


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Editorial
Auch an Neurologischen Kliniken wird bisweilen molekulargenetisch gearbeitet. Naheliegend, dass unter den klinischen Neuroforschern solche "Molekular-Neurologen" besonders häufig zitiert werden.

Eines war von Vorneherein klar: den Neuroforscher kann man eindeutig in klinisch oder nicht-klinisch einteilen. Manche zum Beispiel sind Oberärzte in Neurologischen oder Psychiatrischen Kliniken, arbeiten aber vorwiegend an Grundlagen-Problemen. Typische Beispiele: Michael Weller, Leiter der Abteilung "Molekulare Neuroonkologie" an der Neurologischen Klinik der Uni Tübingen, der auf Platz 3 der meistzitierten Forscher landete, oder Thomas Gasser auf Position 11, der in der Neurologie des Klinikums Großhadern dem Morbus Parkinson hauptsächlich molekulargenetisch zu Leibe rückt.

Unvermeidbar war daher auch, dass einige "Köpfe", die bereits im Vergleich der nicht-klinischen Hirn- und Nervenforscher auftauchten (LJ 1-2/2002, S. 38), im klinischen Teil nochmals berücksichtigt werden mussten. So kommt es auch, dass auf den ersten beiden Plätzen der meistzitierten Forscher zwei Namen nochmals erscheinen, die bereits im nicht-klinischen Vergleich die Plätze 4 und 5 belegten: Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München-Schwabing, auf dem Spitzenplatz, sowie Hans Lassmann, der 1999 vom Institut für Neurologie der Uni Wien an das dortige neu gegründete Institut für Hirnforschung wechselte, direkt dahinter.
Editorial

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die meistziterten Paper der Jahre 1997-99 mit Beteiligung klinischer Neuroforscher aus dem deutschen Sprachraum. Da stürmen zwei Publikationen mit großem Abstand allen anderen davon - vor allem das meistzitierte Paper: Den Nature Genetics-Letter über eine offenbar Parkinson-begünstigende Mutation, hauptsächlich eine Kooperation der Bochumer Neurologischen Klinik mit der dortigen Humangenetik, zitierten die Kollegen weltweit doppelt so häufig wie den drittplatzierten Artikel. Die Folge: Sämtliche Mitautoren aus der Bochumer Neurologie platzierten sich schon fast mit den 350 Zitierungen dieses einen Papers alleine unter den Top 50 - allen voran "Chef" Horst Przuntek auf Platz 7 und Oberarzt Ludger Schöls auf dem neunten Rang. Erstautor Rejko Krüger landete auf Platz 37, Wilfried Kuhn auf 25, Thomas Müller auf 33 und Dirk Woitalla auf 41.


Erfolg im Ausland

Auf Platz Zwei, ebenfalls noch mit großem Abstand auf das drittplatzierte Paper, eine "echte" klinische Studie zum Schlaganfall unter Leitung des Erstautors Werner Hacke, Ärztlicher Direktor an der Neurologischen Klinik der Universität Heidelberg. Ein knappes Viertel seiner Zitierungen, die ihn letztlich auf Platz Vier brachten, "machte" er mit diesem Paper. Und auch den anderen beiden beteiligten deutschen "Neuro-Klinikern" verhalf es zu einem Platz unter den ersten Fünfzig: dem Dresdener Neuroradiologen zu Platz 16 und dem Leipziger Neurologen Dietmar Schneider zu Platz 47.

Bei fünf der übrigen acht meistzitierten Paper muss man den Zusatz "mit deutscher Beteiligung" doppelt unterstreichen. Sämtliche Publikationen auf den Plätzen 3 bis 5, sowie 9 und 10 entstanden hauptsächlich an ausländischen Einrichtungen und führen in vier Fällen gerade einmal einen in Deutschland tätigen Ko-Autor. Gleich zweimal schaffte es auf diese Art der Kieler Neurologe Paul Krack unter die Top 10 der Paper-Wertung (Plätze 3 und 9), der somit seine zwei "besten" Papers vor allem einer Zusammenarbeit mit französischen Kollegen in Grenoble verdankt. Wie auch Platz 18 in der "Köpfe"-Wertung.

Ähnlich verhält es sich mit den Papern auf den Plätzen 4 und 10. Bei Ersterem profitierte der Marburger Richard Dodel von seinen offenbar guten Kontakten nach Indianapolis, letzteres ist noch ein Rückgriff auf die Postoc-Zeit des jetzigen Regensburgers Gerd Kempermann am Salk Institute in La Jolla/USA.

Ein wenig schief erscheint der Vergleich auch dadurch, dass mit der Masse der Neurologen andere klinische "Hirn- und Nervendisziplinen" kaum mithalten können. Die Psychiatrie bringt wenigstens fünf Forscher in die Liste, davon aber immerhin Florian Holsboer auf Platz eins. Überdies platzierten sich der Würzburger Serotonin-Transporter-Experte Klaus-Peter Lesch auf 10 sowie der Wiener Werner Sieghart auf 13 ebenfalls im oberen Drittel.

Schwieriger hatten es da offenbar die Neurochirurgen. Zwar publizieren sie durchweg viele "Werke", im Schnitt werden diese jedoch deutlich weniger zitiert als etwa die Artikel der Neurologen. Lediglich einer dieser Zunft, der Bonner Johannes Schramm (21.), schaffte es unter die Top 50.

Etwas besser schnitten noch die Kollegen aus der Neuroradiologie ab: Ganze vier platzierten sich unter den ersten 50. Deren besten, der Dresdener Rüdiger von Kummer auf Platz 16, hatten wir als Koautor des am zweithäufigsten zitierten Paper bereits erwähnt. Zudem ist der Münchner Tarek Yousry (22.) für den am siebthäufigsten zitierten Artikel immerhin als Erstautor verantwortlich.

Den Rest stellen hauptsächlich die Mannen der Neurologischen Kliniken. Nur zwei Frauen, Sigrid Poser auf Platz 31 und Inga Zerr auf 36, konnten sich dazwischen drängeln. Hat es das "schwache Geschlecht" in der Neurologie besonders schwer?