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Zitationsvergleich 1997 bis 1999: Physiologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 10/2001


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Editorial
Die Neurophysiologen drücken die anderen Physiologen an die Wand, klagen einige. Obwohl deren Arbeiten nicht signifikant häufiger zitiert werden.

Geht man die Liste der meistzitierten Physiologen der Jahre 1997 bis 1999 durch, so schälen sich schnell drei Reiche“ heraus (siehe S. 45): Die Neurophysiologen, die Herz-Kreislauf-Physiologen und die Nierenphysiologen. Lediglich der Zürcher Eric G. Berger, der Letzte der Top 50, lässt sich mit seinem Schwerpunkt Glykosylierung in Onto- und Onkogengese“ in keines davon einordnen.

Wie das aber so ist, wenn drei Reiche“ miteinander konkurrieren müssen, zum Beispiel um die gleichen Fördertöpfe, herrscht nicht unbedingt eitel Harmonie zwischen ihnen. Wobei sich die Experten für Herz-Kreislauf schon ganz gerne mal mit ihren Kollegen aus der Nierenforschung verbünden. Denn einer ihrer Vorwürfe lautet: Die Neuroforscher würden die gesamte Physiologie zu stark dominieren und die vegetative Physiologie an die Wand drücken.

Editorial
Da ist zum einen die schiere Masse. Im deutschen Sprachraum arbeiten deutlich mehr Forscher mit physiolgischen Methoden und Fragestellungen an Hirn und Nerven als an allen anderen Organen zusammen.

Sicherlich auch eine Folge dessen, dass Hirnforschung einfach trendy“ ist - was unter anderem dadurch dokumentiert wird, dass, nachdem die in den USA verkündete Decade of the Brain“ gerade zuende gegangen ist, prompt eine Initiative führender deutscher Hirnforscher das frisch angebrochene Jahrzehnt ebenfalls zur Dekade des Gehirns“ erklärte.

Unbestritten ist aber auch, dass die deutsche Neurophysiologie auf beträchtliche Erfolge zurück blicken kann. Da ist natürlich vor allem der Nobelpreis des Jahres 1991 für die Entwicklung der Patch-Clamp-Technik an Bert Sakmann und Erwin Neher. Da finden sich natürlich weitere große Namen, wie etwa der Frankfurter MPI-Direktor Wolf Singer. Und nicht zuletzt wurde sie auch bei der alljährlichen Verleihung der Leibnizpreise durch die DFG in letzter Zeit üppig bedacht: In den vergangenen sieben Jahren durften sich insgesamt fünf Neurophysiologen über die millionenschwere Auszeichnung freuen. Herz- und Nierenspezialisten waren keine dabei. Die haben einfach eine enorm starke Pressure Group in den Gremien“, grantelt ein Betroffener - und verweist zudem noch auf fünf laufende neurophysiologische DFG-Schwerpunktprogramme gegenüber einem anders“-physiologischen.


Fast ein Unentschieden

Was sagt nun unser Zitationsvergleich physiologischer Veröffentlichungen aus den Jahren 1997-99 dazu? Vor allem, dass der Rest“ der Physiologen sich nicht hinter den Neurophysiologen zu verstecken braucht. Bedenkt man, dass die Nieren- und Kreislaufphysiologen in der Minderzahl sind, und daher womöglich auch weniger Forscher sie potenziell zitieren können, dann halten sie sogar sehr gut mit.

So werden die Top 50 insgesamt gebildet von 26 Neurophysiologen, 14 Herz-Kreislauf-Spezialisten, 9 Nieren-Experten und dem bereits erwähnten Ausreißer“ Eric G. Berger. Und auch in der Spitze verteilen sich die Disziplinen durchaus gleichmäßig. Zwar sammelte mit Bert Sakmann ein Neuroforscher die meisten Zitierungen, der Tübinger Florian Lang folgt ihm allerdings mit nur unwesentlichem Rückstand auf Platz zwei. Platz drei geht mit dem Hamburger Thomas Jentsch wieder in die Neuro-Ecke“, auf Platz 4 und 5 folgen jedoch unmittelbar mit Rudi Busse, Frankfurt, sowie dem Zürcher Thomas Lüscher zwei Forscher aus der kardiovaskulären Physiologie. Insgesamt teilen sich die ersten Zehn auf in 4 Neuro- und 6 vegetative Physiologen (3 x Herz“, 3 x Niere“).

Unter den ersten Zwanzig ist dann Gleichstand erreicht: 10 Neuroforscher und 10 Herz- oder Nierenphysiologen. Ein wenig relativieren muss man das allerdings, denn die 10 Vegetativen“ kommen aus fünf verschiedenen Gruppen, die zehn Neuroforscher dagegen aus acht.

Dieser Gleichstand“ manifestiert sich auch in etwa bei den meistzitierten Papern: Fünf der zehn meistzitierten Veröffentlichungen wurden von Herz- oder Nierenphysiologen mit gezeichnet, die anderen fünf von Neurophysiologen.

So groß, wie durch Preise oder Förderprogramme dokumentiert, ist der Unterschied zwischen Neurophysiologen und dem Rest“ also offenbar nicht - zumindest nach Zitierungen. Die DFG könnte daher durchaus auch mal die anderen“ Physiologen bei der Vergabe des Leibnizpreises berücksichtigen. Zumal von den fünf Neurophysiologen, die ihn in den letzten sieben Jahren in Empfang nehmen durften, drei den Einzug unter die fünfzig meistzitierten Physiologen gar nicht schafften.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004