Editorial

Der australische Beuteltier-Experte

Winfried Köppelle


Rätsel

(01.12.2016) Sie waren wie Feuer und Wasser: sein vom Publikum umjubelter Sohn, ein weltbekannter Schauspieler – und er, der bodenständige Naturwissenschaftler vom anderen Ende der Welt.

In den Hollywood-Dramen der späten 1930er und 1940er Jahre war der junge Australier die Inkarnation des smarten und lebenslustigen Draufgängers. Die Herzen der Kinobesucherinnen flogen ihm in Scharen zu; in über 60 Filmen spielte er den charmanten Piraten, Rebellen und Revolverhelden – und damit sich selbst. In jungen Jahren hatte sich der auf einer ozeanischen Insel Geborene als arbeitsscheuer Taugenichts, aber auch als exzellenter Boxer, Schwimmer und Tennisspieler hervorgetan; mit 17 flog er nach einer amourösen Eskapade mit einer Hausangestellten von der Schule. Danach war er in schnell wechselnder Folge Sträfling, Goldsucher, Kriegsreporter, Tabakplantagenbesitzer und gewerbsmäßiger Kavalier – und immer von schönen Frauen umschwärmt. Mit 23 feierte er sein Filmdebüt; drei Jahre später machte ihn eine Rolle als „Pirat wider Willen“, nicht zuletzt wegen seines blendenden Aussehens, zum gefeierten Weltstar. Parallel gelang dies auch seiner damaligen Filmpartnerin – einer Lady, die 2016 ihren hundertsten Geburtstag feierte und damit doppelt so alt wurde wie der hier beschriebene Herzensbrecher.

Jener soff sich buchstäblich ins Grab: Exzessiver Drogenkonsum bedingte seinen Abstieg zum abgehalfterten Ex-Hollywood-Star; er verlor sein Vermögen an zwielichtige Geldverwalter, floh vor der Finanzbehörde außer Landes und lebte anschließend mittel- und heimatlos auf seiner Yacht. Bei deren Notverkauf erlitt er einen tödlichen Herzinfarkt. Der einzig wahre Robin von Locksley war heimgegangen.

Trotz allem ein stolzer Vater

Bestimmt wissen Sie längst, von wem die Rede ist. Wir suchen nicht den Schauspieler, sondern dessen Vater – einen australischen Biologen, der kurz nach der Jahrhundertwende auf einer Insel südlich von Melbourne seine erste akademische Stelle antrat. Kurz zuvor hatte er seine Frau, eine Nachfahrin der Bounty-Meuterer, geheiratet, die bereits mit dem gemeinsamen Sohn schwanger ging: richtig, jenem Knaben, der so gar nicht nach seinem Erzeuger schlagen sollte. Dem Papa trug man 1911 den ersten Biologie-Lehrstuhl seiner Universität an, und zügig startete dieser allerhand akademische Forschungsprojekte, insbesondere an Beuteltieren und Großfußhühnern. Er lieferte wegweisende Beiträge zur Fortpflanzung der Kängurus und zur Anatomie des Tasmanischen Teufels, beschrieb einen 23 Millionen Jahre alten fossilen Wal, und er setzte sich für den Schutz des vom Aussterben bedrohten Beutelwolfs ein.

Die damals entstandenen Fotos des schlanken, adrett gekleideten Gentlemans, der als akademischer Experte die Exkursionen des hauptstädtischen „Field Naturalists Club“ betreute, sind von jenen kaum zu unterscheiden, die dreißig Jahre später von seinem Sohn gemacht wurden. 1912 nahm er für einige Wochen an einer Forschungsexpedition ins Polarmeer teil; man befand sich ja mitten in jener wilden Epoche, in der ein gutes Dutzend Entdeckungsreisen zum Südpol aufbrachen. Zu tragischer Berühmtheit gelangte damals insbesondere jene legendäre Unternehmung, die Robert F. Scott und seine Begleiter 1912 zum Südpol, aber nicht wieder nach Hause führte.

Unser Gesuchter wandte sich zunehmend der marinen Forschung zu. Als königlicher Bevollmächtigter untersuchte er das kommerzielle Fischereiwesen; später ernannte man ihn zum Kurator des hauptstädtischen Museums und des Botanischen Gartens. Mit 48 ging er nach Europa und bekleidete während der letzten 18 Jahre seiner Karriere den Chefposten am Zoologie-Lehrstuhl in Belfast. Wie heißt der australische Zoologe, der auf seinen berühmten, vergnügungssüchtigen Sprössling trotz all dessen Eskapaden stolz war und sogar eine Meeresfisch-Spezies nach ihm benannte?




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Der gesuchte, australische Beuteltier-Experte ist der Meeresbiologe Theodore Thomson Flynn (1883-1968). Flynn war 1911 der erste Biologieprofessor Australiens und lehrte bis 1930 an der Universität von Tasmanien. Als solcher beforschte er Beuteltiere und Großfußhühner, die Fortpflanzung der Kängurus und die Anatomie des Tasmanischen Teufels. Flynn setzte sich für den Schutz des vom Aussterben bedrohten Beutelwolfs ein und nahm an einer Forschungsexpedition ins Polarmeer teil. Als königlicher Bevollmächtigter wachte er zudem über das kommerzielle Fischereiwesen. 1931 wanderte er mit seiner Frau, einer Nachfahrin der „Meuterer der Bounty“, nach Nordirland aus, wo er bis 1948 an der Queen‘s University von Belfast den Zoologie-Lehrstuhl bekleidete. Weit bekannter als Papa Theodore war Sohn Errol, der als Hollywood-Schauspieler Weltruhm erlangte.