Editorial

Der letzte Artenschützer

Winfried Köppelle


Rätsel

(21.03.2013) Seine Mission war es, die Biosphäre zu schützen – koste es, was es wolle. Und so wurde der radikale Umweltschützer tragischerweise auch zum letzten seiner Art.

„Es gab eine Zeit, da gab es Blumen auf der ganzen Erde – und Ebenen von hohem grünen Gras, in das man sich hinlegen und darin schlafen konnte. Und es gab blauen Himmel und frische Luft ... überall!“

Aus der Epoche, die unser Protagonist so leidenschaftlich beschreibt, ist ein kurioses Foto überliefert. Es zeigt zwei Herren auf einem Bergplateau – links in Lodenjanker und Kniebundhosen der US-Präsident Theodore Roosevelt, rechts der vollbärtige „Wildnisprophet“ John Muir. Auf Muirs Betreiben hin wurden die ersten amerikanischen Nationalparks eingerichtet, nachdem er 1903 mit Roosevelt auf Campingtour gegangen war und dem US-Präsidenten dabei die Wichtigkeit des Naturschutzes nahegebracht hatte. Unmittelbar nach der Gründung des Yosemite-Nationalparks entstand dort auch das bewusste Foto.

Der verschrobene Umweltaktivist Muir, nach dem Wanderwege, Naturdenkmäler und ein Asteroid benannt sind, war der Prototyp des kauzigen Umweltschützers. In seinen Fußstapfen wanderten die Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson, deren 1962 erschienenes Sachbuch Der stumme Frühling als Initialzündung für die weltweite Umweltbewegung gilt, und David McTaggart, der Gründer von Greenpeace International. Auch der Frankfurter Artenschützer Bernhard Grzimek und der langjährige Bund-Naturschutz-Vorsitzende Hubert Weinzierl sind Nachfahren im Geiste Muirs.

Kompromissloser Öko-Aktivist

Die hier gesuchte Person wird dem radikalen Flügel der Umweltbewegung zugerechnet. Ein kompromissloser Öko-Terrorist, rigoros für die Rettung des Planeten und dessen Biosphäre kämpfend. Schon sein Vorname lässt auf eine radikal-freiheitliche Gesinnung schließen, ebenso sein äußeres Erscheinungsbild; und auch der Arbeitsplatz des Gesuchten – weitab von erdgebundenen Zwängen und Konventionen – war nicht gerade geeignet, Gesetzestreue und die peinliche Befolgung von Regeln zu fördern.

Über seine frühe Karriere ist wenig überliefert. Ein begabter Pokerspieler soll er gewesen sein, und ein Verächter von industriell erzeugter Nahrung. Das meiste, was wir über ihn wissen, stammt aus den Akten eines abgebrochenen Großforschungsprojekts. Dort hatte er als Missions-Experte für Botanik und Ökologie das umfangreichste Langzeit-Experiment zu betreuen, das die Menschheit bis dahin gesehen hatte. Er tat es mit Enthusiasmus und Gießkanne. Weder die spöttische Ignoranz seiner technikverliebten Kollegen noch die mangelnde Wertschätzung der im Hintergrund bleibenden Vorgesetzten vermochten die Begeisterung unseres Umweltfreundes zu zügeln. Er forschte und lehrte, änderte Lebensstil, Kleidung und Ernährung, zog sich ein kleines Team kleinwüchsiger Nachwuchskräfte heran und engagierte sich in der Bildungsarbeit. Es hätte ewig so weitergehen können; doch dann änderten sich die politischen Rahmenbedingungen und erzwangen katastrophale Mittelkürzungen.

Seinen von der Dienstroutine gelangweilten Kollegen war das nur recht. Unser Mann hingegen, ohnehin von aufbrausender Natur, begehrte auf. Er wollte seine Arbeit um jeden Preis fortführen und wählte den einzig möglichen Weg, dies zu tun. Dieser Weg machte ihn zu einem Gewaltverbrecher und verbaute ihm die berufliche wie private Zukunft auf ewig. Es war ihm einerlei. Denn auch wenn er selbst nie mehr forschen würde – eine von ihm ausgebildete Nachwuchskraft erledigte dies für ihn – zuverlässig und dauerhaft. Und so warf er seine gigantische Flaschenpost in den unendlichen Ozean – und wusste nicht, ob sie jemals gefunden werden würde.

Wie heißt diese Ikone der Umweltbewegung, der sogar die Pazifistin Joan Baez zwei Liedchen trällerte?




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Der gesuchte, letzte Artenschützer ist der Umweltaktivist Freeman Lowell. Als Bordbotaniker der Valley Forge war er Teil einer um den Jupiter kreisenden Raumschiff-Flotte mit der Aufgabe, die letzten Pflanzen und Tiere der von einer ökologischen Katastrophe betroffenen Erde unter riesigen Glaskuppeln zu erhalten. Lowell missachtete den Befehl, diese aus kommerziellen Gründen zu vernichten, tötete seine drei obrigkeitstreuen Besatzungskollegen und trainierte einige Automaten darauf, die Bewohner der letzten Biosphäre zu pflegen. Als man den Deserteur nach Monaten entdeckte, schickte dieser die letzte mit künstlichem Licht ausgestattete Kuppel samt Pflegeroboter als abgeschlossenes Biotop in den Weltraum und beging Selbstmord. Das Dokumentardrama „Silent Running/Lautlos im Weltraum“ aus dem Jahr 1972 hat Lowells tragische Geschichte zum Inhalt.