Der doppelte Ex-Minister

Ralf Neumann


Editorial

Rätsel

(25.05.2018) Molekularbiologie und Politik – in beidem erreichte unser Gesuchter allerhöchstes Niveau. Jetzt probiert er‘s in der Pharmaindustrie.

Was hat unser Gesuchter mit dem österreichischen Biochemiker Hans Tuppy und dem pakistanischen Naturstoffchemiker Atta-ur-Rahman gemeinsam? Alle drei hatten sich als äußerst fähige Forscher ihrer Fächer etabliert, als sie jeweils Wissenschaftsminister ihres Heimatlandes wurden.

Was unterscheidet unseren Gesuchten von den beiden Ex-Ministerkollegen? Er wurde zweieinhalb Jahre nach Ende dieses Amtes nochmals Minister in einem völlig anderen Ressort.

Bereits während seiner Doktorarbeit über die Rekombination von Bakteriophagen saß unser Gesuchter zwei Jahre lang als Mitglied der örtlichen Arbeiterpartei im Stadtrat seines Universitätsortes. Als er nach erfolgreicher Dissertation, die ihm immerhin ein Cell-Paper als Erst- autor einbrachte, für einige Post-doc-Jahre ins Ausland ging, ebbte sein aktives politisches Engagement jedoch erst einmal ab. Zumal er dafür nacheinander in zwei absoluten und hochkompetitiven Edel-Institutionen landen konnte – die erste in Kalifornien, die zweite im englischen Cambridge.

Editorial

Unweit ausgedehnter Surferstrände verlagerte sich das wissenschaftliche Interesse unseres Postdocs schnell zu den Mechanismen springender DNA-Elemente in Prokaryoten. Die Ernte diesmal: Ein Nature-Paper, wiederum als Erstautor. Damit war der Weg frei mitten hinein in das Cambridge-Labor eines späteren Nobelpreisträgers, der seinen neuen Postdoc schnell davon überzeugte, von Prokaryoten auf „den Wurm“ umzusteigen.

Interessanterweise jedoch entsprang dieser Postdoc-Zeit nicht ein einziges Paper. Dem Wurm blieb er dennoch über seine ganze wissenschaftliche Karriere treu, wenn er auch daneben immer wieder Ausflüge in andere Organismen und Systeme unternahm.

Publikationstechnisch tauchte unser Gesuchter erst wieder auf, nachdem er eine Gruppenleiterstelle am Nationalen Krebsforschungszentrum seines Landes innehatte. Zehn Jahre darauf wurde er Professor für Molekulare Mikrobiologie an der Universität der Hauptstadt seines Landes. Nochmals drei Jahre später – kurz nach der Jahrtausendwende – zog er sechzig Kilometer weiter nach Südosten und wurde dort Direktor an einem Institut der nationalen Wissenschaftsakademie – gleichsam die international bekannteste und „Impact“-stärkste biomedizinische Forschungseinrichtung des Landes.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Hobby-Gitarrist bereits einen Namen als Kolumnist in Zeitungen und Fernsehen seines Landes gemacht. Regelmäßig durfte er auf diese Weise seine Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Themen verbreiten. Dabei lief er zu ganz besonderer Form auf, als 2005 die amtierende Wissenschaftsministerin von der christlich-demokratischen Landespartei ankündigte, das Parlament darüber diskutieren lassen zu wollen, ob Kreationismus und Intelligent Design nicht an den Schulen des Landes unterrichtet werden sollen. In seinen Kolumnentexten blies der ausgesprochene Atheist daraufhin förmlich zur Attacke gegen die Ministerin – wie das folgende, noch milde Beispiel belegt:

Intelligent Design spielt nicht die geringste Rolle in der Biologie. Das ist, als würde eine Gruppe indischer Fakire zu den Physikern kommen und behaupten, es gäbe keine Schwerkraft...“

Keine zwei Jahre später war der Molekularbiologe selbst Wissenschaftsminister. Von Nature damals befragt, äußerte er dazu: „Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber das bedeutet das Ende meiner Forscherkarriere. Man kann auf diesem hohen Level nicht einfach vier Jahre aussteigen und hoffen, dass man danach wieder zurückkommt.“

Es wurden nur drei Jahre, in denen er sich unter anderem von Parteigegnern den zweifelhaften Titel „Minister der Feste und Partys“ erwarb. Zweieinhalb Jahre drückte er dann als Abgeordneter die Parlamentsbank, bevor er erneut zum Minister berufen wurde – diesmal sogar in einem der „größeren“ Ressorts, das er ganze fünf Jahre lang leiten sollte.

Ende letzten Jahres rückte der doppelte Ex-Minister dann doch wieder näher an die Biomedizin: Er wurde wissenschaftlicher Direktor eines in der Hauptstadt ansässigen Pharmaunternehmens, das nach eigenem Bekunden „auf Medikamente aus biotechnologischer und genetischer Forschung setzt“. Eine seiner eigenen Hoffnungen am Rande: „Ich werde meine alten Kontakte in der akademischen Welt wieder treffen.“

Seinen Nobelpreis-gekrönten Postdoc-Mentor aus Cambridge hat er jedoch wahrscheinlich nicht mehr getroffen. Denn dieser starb im März.

Wie heißt dessen Ex-Postdoc?




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Der „doppelte Ex-Minister“ war der holländische RNA-Biologe Ronald Plasterk. Von 2007 bis 2010 war er Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft seines Heimatlandes, von 2012 bis 2017 dessen Innenminister. Seit 1. Dezember 2017 ist er Chief Scientific Officer beim Medikamentenvertreiber myTomorrows.