Editorial

Kreative Eigenbauten
Produktübersicht: RNA/DNA-Extraktionsautomaten

RNA/DNA-Extraktionsautomaten im Überblickpdficon

(07.10.2022) Roboter für die automatische Extraktion von Nukleinsäuren sind oft nur spezialisierte Liquid-Handler. Einige Geräte nutzen aber auch völlig neuartige Extraktions-Techniken.

Die Extraktion von Nukleinsäuren steht am Anfang zahlloser molekularbiologischer Verfahren und gehört daher in nahezu allen biowissenschaftlichen Laboren zur alltäglichen Routine. Sind nur wenige Proben abzuarbeiten, lassen sich DNA oder RNA mit gängigen Protokollen oder kommerziellen Extraktions-Kits schnell von Hand extrahieren. Stapeln sich die Mikrotiterplatten mit dem Ausgangsmaterial für die Nukleinsäure-Extraktion aber bergeweise, wird das Ganze zu einer ziemlichen Plackerei. Da hilft dann nur noch ein Nukleinsäure-Extraktions-Automat, der ohne zu Murren den lieben langen Tag nichts anderes macht, als DNA oder RNA zu isolieren.

Ausgangspunkt vieler Extraktions-Automaten sind Spitzen-basierte Liquid-Handler, die auf die Extraktion der Nukleinsäuren mit kleinen Silika-Säulen oder mithilfe von magnetischen Beads zugeschnitten sind. Ihr Job besteht im Wesentlichen darin, die für die einzelnen Extraktions-Schritte benötigten Lösungen und Puffer in der richtigen Reihenfolge in die Proben- beziehungsweise Extraktionsgefäße zu pipettieren. Dazu genügen im einfachsten Fall zwei, drei Plätze auf dem Automaten-Deck für Platten und Spitzenboxen sowie ein üblicher von einem kartesischen Achssystem bewegter Pipettierkopf. Einfache auch für akademische Labore geeignete Extraktions-Automaten sind meist sehr kompakt gebaut und passen auch noch auf die überfüllteste Bench.

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Der Menschen-ähnliche Roboter Maholo beherrscht die vielen Einzelschritte der Phenol-Chloroform-Extraktion aus dem Effeff. Video: Gruppe Plessy

Nukleinsäure-Extraktion im All

Äußerst platzsparend ist auch ein für die Raumfahrt geeigneter Nukleinsäure-Extraktions-Automat, den das Omics-in-Space-Team des NASA Jet Propulsion Laboratory (California Institute of Technology, Pasadena, USA) zusammengeschraubt hat. In der in 400 Kilometer Höhe um die Erde kreisenden Internationalen Raumstation (ISS) führen die Astronauten häufig auch molekularbiologische Experimente durch, für die sie DNA oder RNA benötigen.

Bisher extrahierten sie diese manuell in den Laborräumen der ISS – was jedoch viel Zeit kostet und nicht im Hochdurchsatz funktioniert. Die ISS-Crew wünschte sich daher einen Automaten, der Nukleinsäuren auch unter den nahezu schwerelosen Verhältnissen (Mikrogravitation) auf der ISS zuverlässig extrahiert. Eigentlich würde man von Raketenwissenschaftlern eine ziemlich abgehobene Konstruktion erwarten, der Ansatz des NASA-Teams ist aber erstaunlich bodenständig (Front. Microbiol. 11:1909). Als Basis nutzen die kalifornischen Forscher einen üblichen Filament-3D-Drucker (Fused-Deposition-Drucker) mit einer waagrecht und senkrecht verschiebbaren Druckeinheit (Extruder) sowie einem darunterliegenden, entlang der x-Achse beweglichen Tisch.

Den Extruder ersetzte die Gruppe durch einen Kamm mit sechs hohlen Plastikfingern, in denen sich jeweils ein Magnet auf- und abwärts bewegen kann. Der Tisch machte einer Halterung Platz, in der sechs verschließbare Kartuschen für Reaktionsgefäß-Streifen untergebracht sind. Die Streifen enthalten jeweils acht hintereinander angeordnete Reaktionsgefäße, in denen sich Lyse-, Wasch- sowie Elutions-Puffer für die Extraktion von Nukleinsäuren mit magnetischen Beads befinden.

Das Prinzip der Extraktion ist dasselbe wie bei üblichen Bead-basierten Automaten: Die Probe wird in das Reaktionsgefäß mit dem Lyse-Puffe pipettiert; nach einer kurzen Inkubationszeit gibt man die magnetischen Beads hinzu, an die die Nukleinsäuren binden. Anschließend taucht der Finger mit dem integrierten Magneten in das Gefäß und transportiert die magnetischen Beads samt Nukleinsäure-Anhängsel sukzessive in die Wasch- und Elutionslösungen.

Der Clou des NASA-Extraktions-Automaten, den die Kalifornier µTitan nennen, sind die geschlossenen Extraktions-Kartuschen. Um zu verhindern, dass Substanzen aus ihnen entweichen und ins Innere der ISS gelangen können, werden sowohl die Finger des Kamms als auch die darin liegenden Magneten völlig kontaktfrei von außen mit zusätzlichen Magneten auf und ab bewegt.

Und die NASA wäre nicht die NASA, hätte sie den µTitan nicht einem ordentlichen Härtetest unterzogen. Dazu montierten ihn die Forscher auf der Ladefläche eines Pick-ups, starteten eine Nukleinsäure-Extraktion und bretterten dann mit voller Geschwindigkeit über einen Highway. Performance-Einbußen durch das Gerüttel auf der Pritsche des Kleinlasters registrierte das Team nicht.

Der µTitan ist aber nicht nur für die Nukleinsäure-Extraktion im All geeignet. Er funktioniert auch in irdischen Laboren und muss sich in puncto Ausbeute und Reinheit der extrahierten Nukleinsäuren nicht vor der kommerziellen Konkurrenz verstecken.

Enzym aus der Antarktis

Silika-Säulen- und Magnet-Beads-basierte Instrumente bilden zwar das Gros der Nukleinsäure-Extraktions-Automaten, es existieren aber durchaus auch andere Extraktions-Konzepte. Zu diesen gehört etwa der an einen Kugelschreiber erinnernde Nukleinsäure-Extraktions-Stift des britischen Start-ups MicroGEM.

Das an der Universität Southampton angesiedelte Unternehmen hatte 2016 die Überreste der neuseeländischen Biotechfirma ZyGEM (NZ) übernommen und firmierte zunächst unter dem Namen ZYGEM (UK). Durch diesen cleveren Schachzug kamen die Briten an eine Sammlung extremophiler Mikroorganismen, die der Mitgründer von ZyGEM (NZ), David Saul, als Teilnehmer einer neuseeländischen Antarktis-Expedition 2002 in einer heißen Quelle am Fuße des aktiven Antarktis-Vulkans Mount Eberus entdeckt hatte. In einem der Organismen fand Saul eine Proteinase, die erst durch hohe Temperaturen von 75 Grad Celsius aktiviert wird. Steigt die Temperatur weiter auf 95 Grad Celsius, wird sie schließlich denaturiert. Das thermophile Enzym eignet sich damit perfekt für die Lyse von Zellen, ohne zusätzliche Detergenzien oder denaturierende Substanzen einsetzen zu müssen.

Die Proteinase ist der Hauptbestandteil in MicroGEMs Nukleinsäure-Extraktions-Kits und spielt auch in dem Extraktions-Stift der Briten eine wesentliche Rolle. Zusammen mit einem Cocktail aus thermophilen Proteinasen sowie mesophilen Zellwand-abbauenden Enzymen wird sie mit der Probe in die am Ende des Stifts gelegene Probenkammer gegeben. Anschließend steckt man den Stift in einen speziellen Thermocycler, der die Proben jeweils für einige Minuten auf 32, 75 und schließlich 95 Grad Celsius erhitzt. Bei 95 Grad Celsius öffnet sich durch den erhöhten Dampfdruck ein Ventil und entlässt das Zelllysat auf eine kleine Größenausschluss-Säule. Die großen DNA- und RNA-Moleküle fließen wesentlich schneller durch die Säulenmatrix als kleinere Moleküle, wie zum Beispiel Proteine, Lipide, Polysaccharide oder Polyphenole. Nach dem Austritt aus dem Extraktions-Stift fängt man die Nukleinsäuren schließlich in einem Gefäß auf (BioTechniques 66: 208-213).

Ein ziemlich schick gestyltes Instrument zur automatischen Nukleinsäure-Extraktion lancierte das US-Start-up Purigen Biosystems vor drei Jahren zunächst in den USA – die Firma streckt ihre Fühler aber zunehmend auch nach Europa aus. Hinter dem modernen Gehäuse des Geräts versteckt sich ein Mikrofluidik-Chip, der eine der ältesten Elektrophorese-Techniken für die automatische Extraktion von Nukleinsäuren nutzt – die Isotachophorese.

Im Gegensatz zur zugrundeliegenden physikalischen Theorie ist deren Prinzip sehr einfach: Das Probengemisch wird in der Elektrophorese-Apparatur zwischen einem Leitelektrolyten mit hoher elektrischer Beweglichkeit und einem Endelektrolyten mit einer niedrigen Beweglichkeit aufgetragen. Im elektrischen Feld trennen sich die geladenen Probenmoleküle zwischen den Leit- und Endelektrolyen in einzelne Zonen auf, die sich mit gleicher Geschwindigkeit (isotacho) in Richtung der Elektrode (etwa der Anode) bewegen.

Die Gruppe des Elektrophorese-Spezialisten Juan Santiago konstruierte an der Stanford University in Kalifornien bereits vor mehr als zehn Jahren die ersten Mikrofluidik-Chips für die Extraktion von Nukleinsäuren mithilfe der Isotachophorese (Anal. Chem. 81: 9507-11). 2012 gründete sein Doktorand Klint Rose mit ihm Purigen Biosystems, das die Chips perfektionierte und schließlich in einen Nukleinsäure-Extraktions-Automaten integrierte.

Um eine Extraktion mit dem Gerät durchzuführen, pipettiert man zunächst die Trennpuffer mit Leit- und Endelektrolyten in die dafür vorgesehenen Wells des Mikrofluidik-Chips. Nach einer kurzen Kalibrierung kommen danach auch die lysierten Proben in die entsprechenden Näpfchen und man schaltet den Strom an. Die Nukleinsäuren werden durch das elektrische Feld unmittelbar hinter den Leitelektrolyten in einer Bande fokussiert, während die restlichen Bestandteile des Lysats als Nachhut mit den Endelektrolyten mitmarschieren. Sobald die Nukleinsäure-Bande das Extraktions-Well des Chips erreicht hat, unterbricht ein Sensor die Stromzufuhr und der Experimentator kann die Nukleinsäuren aus dem Well entnehmen.

Roboter lernt Phenol-Extraktion

Mit einer Kombination aus Old-School-Methode und ausgefeilter Robotik automatisierte Charles Plessys Gruppe am Okinawa Institute of Science and Technology die Extraktion von Nukleinsäuren. Das Team besorgte sich hierzu ein Modell des Menschen-ähnlichen (anthropomorphen) Roboters Maholo und brachte ihm die einzelnen Schritte der DNA-Extraktion mit Phenol-Chloroform bei (F1000Research 11: 240).

Menschen-ähnlich ist vielleicht etwas übertrieben. Der von Wissenschaftlern des Robotic Biology Institutes in Tokio zusammen mit Forschern des japanischen Herstellers für Industrieroboter Yaskawa konstruierte Maholo sieht nicht wirklich aus wie ein humanoider Roboter – er besteht im Wesentlichen aus einem mehr als zwei Meter großen kopflosen Rumpf mit zwei in Schulterhöhe integrierten Roboterarmen, die durch Kugelgelenke ähnlich beweglich sind wie menschliche Arme (siehe Foto).

Seine Arbeit verrichtet er in einer abgesicherten Roboterzelle an einem Arbeitstisch, auf dem er alle benötigten Geräte und Laborutensilien vor sich hat. Das von ihm abzuarbeitende Extraktions-Protokoll, das ihm die Japaner per Software eingetrichtert haben, entspricht mehr oder weniger dem klassischen Ablauf mit zahllosen Pipettier-, Schüttel- und Zentrifugations-Schritten.

In einem ziemlich skurrilen Zeitraffer-Video der japanischen Gruppe ist zu sehen, wie Maholo die Extraktion mehrerer Proben mit stoischer Ruhe durchzieht und dabei die Gefäße ausgiebig von Hand schüttelt (Link). Der einzige Protokoll-Punkt, den er noch nicht beherrscht, ist der finale, aber nicht unbedingt notwendige Wasch-Schritt. Bei diesem wird die mit Alkohol gefällte DNA noch einmal in 70-prozentigem Ethanol gewaschen, zentrifugiert und danach in einem TE-Puffer resuspendiert. Da das DNA-Pellet nach der Zentrifugation in der Ethanol-Lösung nicht am Boden des Reaktionsgefäßes anhaftet, sondern frei in der Lösung schwebt, saugt Maholo es beim Abheben des Überstands mit auf – im Gegensatz zu einer erfahrenen TA, die genau sieht, wo das Pellet gerade herumeiert und den überstehenden Alkohol entsprechend vorsichtig abpipettiert. Aber das wird der Roboter vermutlich auch noch lernen.

RNA/DNA-Extraktionsautomaten im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 10/2022, Stand: September 2022, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 07.10.2022