Editorial

Unermüdliche Pipettierknechte
Produktübersicht: Pipettier-Automaten

Pipettier-Automaten im Überblick pdficon

Pipettier-Roboter gibt es in unterschiedlichsten Größen und Ausführungen. Für akademische Forschungslabore sind insbesondere günstige und platzsparende Modelle interessant, die für die meisten Pipettier-Jobs völlig ausreichen.

Pipettier-Roboter gibt es in unterschiedlichsten Größen und Ausführungen. Für akademische Forschungslabore sind insbesondere günstige und platzsparende Modelle interessant, die für die meisten Pipettier-Jobs völlig ausreichen.

Welche Gruppe träumt nicht vom eigenen Pipettier-Automaten, der zumindest die stupidesten Pipettieraufgaben übernimmt, wie zum Beispiel die Herstellung von Verdünnungsreihen, das Füllen von Mikrotiterplatten oder den Transfer von Flüssigkeiten in verschiedene Reaktionsgefäße? Dazu ist keine riesige Workstation nötig, die die halbe Laborfläche in Anspruch nimmt, einen großen Teil des Budgets auffrisst und dann meist nur untätig rumsteht, weil es sich nicht lohnt, das Riesending wegen ein paar Verdünnungsreihen anzuschmeißen. Hierfür genügen handliche ­Pipettier-Roboter, die mit ihren kleinen Stellflächen von kaum mehr als einem halben Quadratmeter problemlos auf der Bench Platz finden.

Das haben auch immer mehr Hersteller erkannt, die mit den praktischen Winzlingen versuchen, akademische Forschungslabore von den Vorteilen des automatischen Liquid Handlings zu überzeugen. Los geht's bereits ab 4.000 Euro. So viel, beziehungsweise so wenig, kostet das Basismodell des 2013 von drei Biologie-begeisterten Mitgliedern des Open-Access-Labors Genspace im New Yorker Stadtteil Brooklyn gegründeten Start-ups Opentrons.

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Ingmar Riedel-Kruses Gruppe in Stanford konstruierte mit Lego-Bauklötzen einen einfachen funktionsfähigen Pipettier-Roboter für Ausbildungszwecke. Für den Einsatz im rauen Laboralltag müsste man den Lego-Pipettierer aber noch etwas aufpeppen. Foto: Labor Ingmar Riedel-Kruse
Auf das Nötigste reduziert

Der Pipettier-Automat aus Brooklyn ist zwar auf das Allernötigste abgespeckt, bietet für den überschaubaren Preis aber erstaunlich viel. In einer Einhausung aus Plexiglas bewegt sich ein flinker Arm aus Aluminium, der mit verschiedenen Kombinationen aus Ein- und Achtkanal-Pipetten bestückt werden kann, die Volumina von einem bis tausend Mikroliter abdecken. Auf der Arbeitsplattform können elf Mikroplatten sowie ein Abfallbehälter eingespannt werden, gesteuert wird der Roboter über eine graphische Benutzeroberfläche mithilfe vorgegebener oder maßgeschneiderter Pipettierprotokolle.

Auch in puncto Genauigkeit muss sich Opentrons Pipettier-Roboter selbst vor der wesentlich teureren Konkurrenz nicht verstecken: Der zufällige Fehler (Präzision) liegt bei einem pipettierten Volumen von einem Mikroliter bei etwa fünf Prozent. Der systematische Fehler (Richtigkeit) ist beim gleichen Volumen mit fünfzehn Prozent aber recht hoch.

Auch die meisten anderen kleinen Pipettier-Automaten, etwa die Liquid Handling Station von Brand, LTFs Piro, oder der Myra Liquid Handler von Bio Molecular Systems basieren auf dem klassischen horizontalen Liquid-Handler-Design. Der Pipettierkopf ist bei dieser Ausführung in einen Liquid-Handler-Arm integriert, der sich in der xy-Ebene bewegt. Hat der Kopf die gewünschte Position über einem Flüssig­keitsgefäß erreicht, wird er mithilfe eines zusätzlichen senkrechten Schlittensystems in der z-Achse verschoben, wodurch die Pipettenspitze in die Flüssigkeitsgefäße taucht oder aus diesen herausgezogen wird. In einigen Modellen, wie zum Beispiel Gilsons Pipette Max oder dem CyBio Felix von Analytik Jena ist die Positionierung in der xy-Ebene auch zwischen dem Roboter-Arm und dem Aufnahmetisch aufgeteilt: Der Roboter-Arm fährt in der x-Richtung hin und her, während sich der Tisch quer dazu in der y-Achse verschiebt.

Vertikales, statt horizontales Design

Sehr kompakt und platzsparend sind vertikale Pipettier-Roboter, deren Design zum Teil an große Kaffee- oder Espressomaschinen erinnert. So ist zum Beispiel der Pipettierkopf in der Vertical Pipetting Station von Agilent nicht in einen waagrechten Roboterarm integriert, sondern in einen kleinen „Fahrstuhl” im oberen Drittel der senkrechten Automaten-Rückwand. Die Plattenhalterungen sind im mittleren Teil der Wand auf mehreren Ebenen ähnlich wie Regalböden installiert und lassen sich nach links und rechts verschieben. Auf der untersten Ebene sind zwei Böden für Spitzenboxen untergebracht.

Um Spitzen auf die dafür vorgesehenen Aufnahmen des Kopfes zu stecken, werden die Spitzenboxen zunächst in die Mitte unterhalb des Fahrstuhls verschoben. Anschließend rauscht der Pipettierkopf zwischen den rechts und links geparkten Plattenaufnahmen hindurch nach unten. Hat er die Spitzen aufgenommen, kann er auf der gewünschten Etage Flüssigkeiten transferieren. Auch hier werden die erforderlichen Mikroplatten jeweils unterhalb des Fahrstuhls positioniert und dann entsprechend prozessiert.

Völlig anders als die üblichen horizontalen oder vertikalen Liquid-Handler kommt dagegen der Pipettier-Roboter Andrew der Schweizer Firma Andrew Alliance daher, der als sogenannter Knickarm- oder Gelenkarm-Roboter konzipiert ist. Andrew ist ziemlich simpel aber äußerst zweckmäßig aufgebaut: Ein Roboter-Arm mit drei Gelenken, die Schulter, Ellenbogen- sowie Handgelenk eines menschlichen Arms entsprechen, ist über das Schultergelenk mit einem in senkrechter Richtung beweglichen Schlittensystem in einer schlanken Plastiksäule verbunden. Auf einem zusätzlichen starren Arm, der auf der gegenüberliegenden Seite waagrecht aus der Säule herausragt, sind mehrere manuelle oder elektronische Pipetten aufgereiht. Vorrats- und Zielgefäße sowie eine Box mit Pipettenspitzen sind auf einer Arbeitsfläche innerhalb des Bewegungsradius des Gelenkarms installiert. Wird ein Pipettierprogramm über die graphische Benutzeroberfläche gestartet, schnappt sich die Roboter-Hand eine passende Pipette, führt sie zur Spitzenbox und bestückt sie zunächst mit den passenden Spitzen. Anschließend steuert der Arm ein Vorratsgefäß an und pipettiert die aufgenommene Flüssigkeit in das ausgewählte Zielgefäß.

Auch für sehr kleine Volumina

Andrew ist zwar etwas behäbiger als die meisten horizontalen Pipettier-Roboter, die nur wenige Sekunden benötigen, um eine 96er-Mikrotiterplatten zu befüllen. Dafür ist er im Gegensatz zu diesen auch für Volumina unter einem Mikroliter ausgelegt. Wenn er mit einer geeigneten Pipette ausgestattet ist, pipettiert er selbst winzige 200-­Nanoliter-Tröpfchen ohne allzu große Fehler.

Ein Problem besteht aber unabhängig von der horizontalen oder vertikalen Konfiguration bei allen Pipettier-Robotern: Bisher existiert kein generelles Softwareprogramm, mit dem sich Liquid-Handler verschiedener Firmen einfach und laborübergreifend steuern lassen. Stattdessen liefert jeder Hersteller sein eigenes Steuer-Programm, das nur mit seinen Modellen funktioniert. Meist basieren die Programme auf grafischen Oberflächen, welche die Eingabe der nötigen Parameter auch ohne spezielle Programmierkenntnisse erlauben. Mit der Vereinfachung geht aber oft auch die Möglichkeit verloren, den Liquid-Handler an spezielle Experimente oder Protokollabläufe anzupassen.

Im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Jörg Stelling am Department of Biosystems Science and Engineering (BSSE) der ETH Zürich hat sich der Systembiologe Ellis Whitehead deshalb vorgenommen, eine allgemein verwendbare Software für die Programmierung von Pipettier-Robotern zu schreiben (www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/244796; ACS Synth. Biol. 7 (3): 922-32).

In Whiteheads Programm Roboliq werden drei Dateneingabe-Files zu einem Pipettierprogramm kombiniert, das der Roboter schließlich ausführt. Das erste Eingabe-File enthält portable Pipettierprotokolle, die so weit wie möglich auch auf andere Pipettier-Roboter übertragbar sind, und nur die notwendigsten Details aufführen. Den zweiten Input liefert das sogenannte Konfigurations-File, in dem genauere Daten zu den Eigenschaften des Roboters stehen. Dieses Konfigurations-File muss nur einmal für den jeweils verwendeten Automaten eingegeben werden. Fehlt nur noch das Input-File des Nutzers. Mit diesem teilt er dem Roboter zum Beispiel mit, welche Art von Platten benutzt wird und auf welcher Ausgangsposition sich diese befinden. Alles weitere übernimmt Roboliq, das zunächst die einzelnen Protokollschritte verifiziert und sowohl auf eventuelle Fehler hinweist, als auch mögliche Alternativprogramme auflistet. Erst wenn alles korrekt ist, erzeugt der Compiler des Programms eine Instruktionsliste, die von dem Automaten schließlich abgearbeitet wird.

Ursprünglich plante Whitehead, Roboliqs Pipettierprotokolle vollständig portabel auszuführen, um sie zwischen Gruppen austauschen zu können, die ganz unterschiedliche Protokolle und Roboter einsetzen. Von dieser Idee musste er sich jedoch verabschieden. Die Nutzer hätten in diesem Fall erheblich mehr laborspezifische Daten selbst eingeben müssen, was sehr schnell zu Fehlern führen kann. Er reduzierte die Übertragbarkeit deshalb auf ähnliche Methoden und Pipettier-Automaten. Für seine Tests benutzte Whitehead die Freedom-EVO-Modelle des BSSE, weshalb Roboliq noch auf das Evoware-Steuerungsprogramm dieser Pipettier-Roboter beschränkt ist. Wenn Sie das Programm ausprobieren wollen, finden Sie die Anleitung dazu auf Whiteheads Github-Seite (https://ellis.github.io/roboliq/manual/).

Pipettier-Automaten im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 06/2019, Stand: Mai 2019, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 15.06.2019