Editorial

Etikettenkleber
Produktübersicht: Protein- & Antikörper-Labeling-Kits

Alle Produkte im Überblick pdficon

Für das Labeln von Proteinen oder Antikörpern gibt es verschiedene Techniken. Neben klassischen ­Methoden finden sich zunehmend auch bioorthogonale Labelingverfahren. Mit diesen kann man Proteine auch mit kleinen Farbstoffen markieren, die für die Nanoskopie geeignet sind.

p_19_03a
Illustration: pennmri.org

Noch haben Wissenschaftler nicht den leisesten Schimmer, wie viele verschiedene Proteinspezies (Proteoformen) sich in einer menschlichen Zelle herumtreiben. Es sind aber mit Sicherheit eine ganze Menge. Zu den etwa 20.000 Proteinen, die direkt von Protein-kodierenden Genen des Genoms stammen, kommen noch unzählige Spleiß- und SNP-Varianten, sowie posttranslational modifizierte Proteine hinzu.

Einige Forscher gehen inzwischen davon aus, dass sich Millionen verschiedene Proteinspezies in menschlichen Zellen tummeln. Um einzelne Proteine in diesem wilden Durcheinander identifizieren und verfolgen zu können, markiert man sie mit einem kleinen Etikett – oder neudeutsch: einem Label.

Eine der klassischen, auch heute noch üblichen Labeling-Techniken ist das Markieren des gewünschten Proteins mit Primär- und Sekundär-Antikörper: Der Primär-Antikörper bindet an ein Epitop des Proteins, anschließend heftet sich ein Fluoreszenz-markierter Sekundär-Antikörper an den Primär-Antikörper und bringt den ganzen Kladderadatsch zum Leuchten.

Ziemlich große Brocken

Antikörper sind aber gute zehn Nanometer groß und wiegen 150 kDa. Hängen zwei von den Dingern an dem anvisierten Protein, so ist die Fluoreszenzmarkierung etwa zwanzig Nanometer von diesem entfernt. Eine präzise Lokalisierung ist hierdurch kaum möglich. Hinzu kommt, dass Antikörper zu groß sind, um durch die Membranporen lebender Zellen zu schlüpfen – für das Live Cell Imaging sind sie daher kaum geeignet. Die für das Protein-Labeling verwendeten Antikörper wurden deshalb peu à peu abgespeckt. Etwa indem man nur das Antigen-bindende Fab-Fragment (50 kDa) aus den variablen Domänen von schwerer und leichter Kette verwendete oder das noch kleinere Fv-Fragment (25 kDa), das nur von einer leichten und einer schweren variablen Domäne gebildet wird.

Nur schwere Ketten

Noch schlanker sind von Kamelid-Antikörpern abgeleitete Nanobodies. Kamelid-Antikörper, die zum Beispiel von Kamelen oder Lamas stammen, enthalten nur zwei schwere Ketten mit jeweils einer variablen Antigen-bindenden Domäne am Ende. Immunisiert man die Tiere mit einem entsprechenden Antigen, kann man aus den B-Zellen Kamelid-Antikörper isolieren. Kloniert man eine der beiden variablen Domänen des gewonnenen Antikörpers, so erhält man einen nur wenige Nanometer großen und etwa 13 kDa leichten Nanobody.

Nanobodies sind sehr gut löslich und funktionieren im Gegensatz zu klassischen Antikörpern auch im reduzierenden Zytosol von Säugerzellen. Fehlt nur noch ein passender Fluoreszenz-Marker, um sie für das Labeling endogener Proteine einsetzen zu können. Hierzu fusioniert man den Nanobody zum Beispiel mit einem Fluoreszenzprotein, wodurch ein sogenannter Chromobody entsteht.

Das ziemlich voluminöse Anhängsel stört aber unter Umständen die Analyse des Zielproteins. Geschickter ist es, ein kleines Farbstoffmolekül direkt mit dem Nanobody zu verknüpfen.

Robert Tampés Gruppe vom Institut für Biochemie der Universität Frankfurt hängte zum Beispiel ATTO- und Cy-Farbstoffe über einen Cystein-Rest an einen gegen alpha-Lamin gerichteten Nanobody. Mit der sogenannten Zell-Squeezing-Technik schleusten Tampés Mitarbeiter den fluoreszierenden Nanobody in lebende Säugerzellen ein und konnten so das Fluoreszenz-markierte Geflecht aus Lamin-Filamenten mit der höchstauflösenden Mikroskopie beobachten (Chem. Sci., 9, 7835-42).

Künstliche Epitope

Fehlt ein geeigneter Antikörper gegen ein bestimmtes Protein, kann man passende Epitope auch mit einem entsprechenden Epitop-Tag in das Zielprotein einführen. Dazu fusioniert man die Epitop-Tag-DNA mit der DNA-Sequenz des Ziels und exprimiert das Fusionsprotein in einem passenden Wirt. Der erste eingesetzte Epitop-Tag bestand aus dem acht Aminosäuren langen FLAG-Tag-Peptid, das ursprünglich für die Affinitätschromatographie entwickelt wurde. Inzwischen sind etliche weitere hinzugekommen, die auch in Protein-Labeling-Kits auftauchen, etwa HA-Tag, V5-Tag oder Myc-Tag.

Die kleinen Anhängsel ermöglichen aber auch das Labeln von Proteinen ganz ohne Antikörper. So binden zum Beispiel die beiden Bi-Arsen-Fluorescein-Derivate FLaSH und ReAsH kovalent an Tetracystein-Tags und fluoreszieren hierdurch. Ganz ähnlich funktionieren auch die beliebten HALO-, SNAP- und CLIP-Tags. Diese Tags bestehen aus Enzymen, die einen Fluoreszenz-markierten oder anderweitig funktionalisierten Liganden, kovalent mit dem Zielprotein verknüpfen.

Sehr raffiniert sind Protein-Labeling-­Methoden, die auf der bio­ortho­gonalen Click-Chemie basieren. Bioorthogonal nennt man chemische Reaktionen, die Zellen, salopp gesprochen, am Allerwertesten vorbeigehen und sie nicht im Geringsten stören. Weil sie zudem äußerst spezifisch mit hohen Ausbeuten ablaufen, kaum Nebenprodukte produzieren und (zumindest für Chemiker) so einfach durchzuführen sind, dass beinahe ein Schnipsen mit dem Finger genügt sie zu starten, bezeichnet man sie als Click-Reaktionen oder Click-Chemie.

Hundert Jahre alte Reaktion

Urahn der bioorthogonalen Click-Reaktionen ist die Staudinger-Reduktion, die der Nobelpreisträger und Begründer der Polymerchemie Hermann Staudinger vor hundert Jahren in seinem damaligen Labor an der ETH Zürich zum ersten Mal durchführte. Bei der Staudinger-Reduktion reagiert ein Phenyl-Azid mit einem Triphenylphosphin zu Phenylamin und einem Phosphinoxid. Klar, für Biologen ist das eine ziemlich abgefahrene Reaktion, mit der sie nicht viel anfangen können. Gut achtzig Jahre lang beschäftigten sich mit ihr auch nur hartgesottene Organiker. Bis der amerikanischen Glykoprotein-Forscherin Carolyn Bertozzi, damals noch an der University of California, Berkeley, der Gedanke kam, dass sich organische Azide perfekt für bioorthogonale Reaktionen eignen müssten – Azide kommen in Zellen nicht vor, werden von diesen aber ohne weiteres toleriert. Bertozzi modelte die Staudinger-Reduktion etwas um und erfand schließlich die Staudinger-Ligation, mit der man Azid-modifizierte Glykoproteine mithilfe von Phosphin-Proben labeln kann.

Intensive Literaturrecherche

Die Staudinger-Ligation läuft jedoch nur sehr langsam ab, was Bertozzi ziemlich störte. Also schloss sie sich in der Bibliothek in Berkeley ein und suchte in der Chemie-Literatur nach weiteren Reaktionen organischer Azide, die für das Labeling von Glykoproteinen brauchbar waren.

Vermutlich hatte sie dabei Kopfhörer auf und dröhnte sich mit Heavy Metal-Musik zu. Bertozzi spielte in ihrer Studienzeit in Harvard Keyboard in einer Heavy Metal-Hair Band – zusammen mit dem Gitarristen Tom Morello, der einige Jahre später mit der Gruppe Rage Against the Machine berühmt wurde.

Bei ihrer Literaturrecherche stieß sie schließlich auf eine (auf deutsch geschriebene) Publikation des Chemie-Nobelpreisträgers Georg Wittig von 1961 zur Reaktion von Phenyl-Azid mit Alkinen. Wittig erwähnte darin, dass Phenyl-Azid sehr heftig mit dem ringförmigen Alkin Cyclooctin in einer sogenannten 1,3-Cycloaddition reagiert.

Offensichtlich hat es in diesem Moment auch bei Bertozzi "click" gemacht. Vermutlich war ihr schnell klar, dass sie für das Labeln von Proteinen mit einer bioorthogonalen Click-Reaktion nur ein unter Ringspannung stehendes cyclisches Alkin mit einem organischen Azid zusammenbringen musste: Die Reaktion ist absolut spezifisch, läuft ohne zusätzlichen (giftigen) Katalysator unter physiologischen Bedingungen ab und verknüpft die beiden Reaktanden über eine stabile kovalente Bindung. Bertozzi labelte die von ihr untersuchten Glykoproteine schließlich, indem sie die Azid-Gruppe an gewünschten Positionen rekombinanter Glykoproteine unterbrachte und diese mit einem Biotin-markierten Cyclooctin reagieren ließ.

Mit einer brillanten neuen Technik, die Edward Lemkes Gruppe vom EMBL in Heidelberg entwickelte, geht es aber auch genau anders herum: Über eine Erweiterung des genetischen Codes (genetic code expansion) führt man eine nicht-kanonische Aminosäure (ncAA), die ein zyklisches Alken mit einem gespannten Ring trägt, an einer gezielten Position des Proteins ein. Das Alken reagiert anschließend in einer Click-Reaktion mit einem zyklischen Tetrazin, das mit einem entsprechenden Farbstoff markiert ist.

Lemkes ncAA-Labeling-Technik ist nicht zuletzt auch für das Labeln von Proteinen mit kleinen, lichtstarken und photostabilen Fluoreszenzfarbstoffen interessant, die insbesondere bei der höchstauflösenden Mikroskopie eingesetzt werden.

Alle Produkte im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 03/2019, Stand: Februar 2019, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 08.03.2019