Editorial

Putzsets für Proteine
Produktübersicht: Proteinreinigungs-Kits

Alle Produkte im Überblick pdficon

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Alles bereit zur Proteinreinigung mit einer Nickel-NTA-Affinitätsäule. Foto: Vanderbilt University

Tenside beziehungsweise Detergenzien sind nicht nur ­Hauptbestandteile in Putzmitteln, sondern auch in vielen Proteinreinigungs-Kits.

Die Reinigung von Proteinen, die sich nicht selten wie verwöhnte Diven aufführen, ist noch immer deutlich komplizierter und oft genug auch frustrierender als die Reinigung von DNA oder RNA.

Dies gilt nicht nur für die klassische Proteinreinigung, bei der man sein Lieblingsprotein mit Affinitäts-, Ionenaustausch-, Umkehrphasen- oder Gelpermeations-Chromatographie so lange putzt, bis es frei von unerwünschten Anhängseln oder anderen Verunreinigung im Auffanggläschen herumschwimmt. Auch die „einfache“ Extraktion der Gesamtproteinmenge aus Zellextrakten, die etwa für Proteomiker zum Alltagsgeschäft gehört, ist meist nicht ganz so simpel wie die Isolation von Nukleinsäuren.

Altbekannte Verfahren

Eine deutliche Erleichterung der Proteinputzerei versprechen unzählige Proteinreinigungs (oder Extraktions-, Isolations)-Kits, die die einschlägigen Hersteller anbieten. Das Rad neu erfunden haben die Entwickler der Kits aber nicht: Die Mehrzahl basiert auf altbekannten Verfahren, die lediglich etwas aufgepeppt wurden oder sich hinter geheimen Zutaten verstecken.

Ein Klassiker ist die direkte Extraktion der Proteine in einem speziellen Lyse-Puffer. Hierdurch entfällt die in vielen selbstgestrickten Laborrezepten übliche Fällung der Proteine mit einer Trichloressigsäure-Aceton-Mischung, die häufig mit einer Phenol-Extraktion kombiniert wird. Unverzichtbare Grundsubstanzen dieser Direkt-Extraktions-Kits sind chaotrope Verbindungen wie Harnstoff oder Thioharnstoff, die in hohen Konzentrationen in einem Tris-Puffer gelöst sind. Die ­chaotropen Moleküle bringen nicht nur die Ordnung der Wassermoleküle in Lysepuffern durcheinander. Sie unterbinden auch nicht-kovalente Interaktionen in und zwischen den darin enthaltenen Proteinen. Die meisten Proteine verlieren hierdurch ihre dreidimensionale Struktur, denaturieren und lösen sich schließlich im Lyse-Puffer.

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Es gibt aber auch hartnäckigere Kandidaten, wie zum Beispiel Membranproteine, die mit chaotropen Substanzen allein nicht dazu zu bewegen sind, sich in dem Lyse-Puffer zu lösen. Hierzu sind zusätzliche Detergenzien beziehungsweise Oberflächen-aktive Substanzen nötig, die den Platz der Membran einnehmen und die darin eingebetteten Proteine in Mizellen-Protein-Komplexen einbinden. Darüber hinaus verhindern Detergenzien, dass die denaturierten Proteine verklumpen und als unlösliche Proteinhaufen enden.

Die verwendeten Detergenzien können ungeladen sein, wie das häufig in den Kits anzutreffende Polyoxyethylen-Detergenz NP-40, oder als Zwitterionen auftreten, wie das ebenfalls oft enthaltene Cholat-Derivat CHAPS. Allen gemeinsam ist jedoch eine amphiphile Struktur mit hydrophiler Kopfgruppe und hydrophobem (lipophilem) Schwanz, die perfekt dazu geeignet ist, zwischen wässrigem Puffer und Membranlipiden zu vermitteln.

Detergenzien-Cocktail

Durch Kombinationen verschiedener Detergenzien versuchen die Hersteller die Solubilisierungs-Wirkung der Pufferlösungen zu verstärken. So enthält zum Beispiel der sehr beliebte RIPA-Puffer nicht nur NP-40, sondern auch Natriumdesoxycholat sowie SDS. Weitere gängige Detergenzien, die in den Kits regelmäßig in der Zutatenliste aufgeführt werden, sind zwitterionische Amidosulfobetaine, wie zum Beispiel ASB14 oder der nicht-ionische Polyoxyethylen-Abkömmling Brij56.

Im Gegensatz zu DNA- und RNA-Isolations-Kits dauerte es bei Proteinreinigungs-Kits ziemlich lange, bis kleine Silica Spin-Säulchen in den Pappschachteln auftauchten. Proteine sind weitaus ­hete-rogener als DNA und RNA. Deshalb ist es nicht ganz so einfach, alle Proteine eines Zellextrakts dazu zu bringen, an die Silica-Matrix zu binden. Wie dies den Kit-Entwicklern dennoch gelang, verraten sie zwar nicht im Detail, das Prinzip ist aber auch hier nichts Neues. So werden die Zellen bei einem Spin-Säulchen-Kit für die Proteinextraktion aus Bakterien oder Hefen zunächst mit Glaskügelchen und Vortexer in einem Puffer mit chaotropem Zusatz zerdeppert. Mitentscheidend sind die Größe der Kugeln und die Art der chaotropen Verbindung. Beides bleibt das Geheimnis des Herstellers. Anschließend mischt man den Rohextrakt mit einer neutralen Salzlösung und pipettiert das Ganze auf die Spin-Säulchen.

Auf der Silica-Oberfläche haften zunächst Proteine, deren Adsorption von der Salzkonzentration beziehungsweise der Ionenstärke der Lösung abhängen. Der Durchfluss wird aufgefangen und mit einer Pufferlösung gemischt. Gibt man diese Mischung erneut auf das Säulchen, so binden auch pH-abhängige Proteine mit kleinem Molekulargewicht an die negativ geladene Silica-Oberfläche. Nach einem Waschschritt eluiert man die Proteine schließlich mit einem wiederum geheimen Puffer von der Säulenoberfläche, der aber mindestens eine chaotrope Verbindung und eventuell auch ein Detergenz enthalten dürfte.

Nicht immer ist für die effektive Extraktion von Proteinen ein spezieller Kit nötig, oft genügen die altbewährten Hausrezepte und liefern teilweise sogar bessere Resultate. Zu diesem Schluss kam zumindest die Gruppe der Pflanzenforscherin Isabel Abreu von der Universität Lissabon. Abreu sucht mit ihren Leuten nach neuen Phosphorylierungsstellen in Schlüsselenzymen der C4-Photosyntese.

Für die entsprechenden Experimente isolieren ihre Mitarbeiter die gesamten Proteine aus Maisblättern, trennen diese mit einer 2D-Gelelektrophorese auf und analysieren sie schließlich im Massenspektrometer. Sie brauchen hierzu ein ­Extraktionsverfahren, das möglichst hohe Ausbeuten liefert, ohne die Phosphorylierung zu beeinflussen.

Mais gilt unter Pflanzenforschern jedoch als widerspenstige, rekalzitrante Pflanze, die in ihrem Gewebe jede Menge Polyphenole, Lipide sowie Polysaccharide einlagert, die Proteinreinigern das Leben schwer machen. In der Regel versuchen diese, die störenden Verbindungen durch eine Proteinfällung los zu werden, die sich jedoch nachteilig auf posttranslationale Modifikationen auswirken kann.

Abreus Mitarbeiter testeten deshalb fünf verschiedene Extraktions-Methoden auf ihre Eignung für die geplanten Phosphorylierungs-Studien: direkte Extraktion im Lyse-Puffer, Extraktion in Lyse-Puffer kombiniert mit einem Proteinreinigungs-Kit, TCA-Aceton Fällung, Phenol-Extraktion sowie TCA-Fällung mit anschließender Phenol-Extraktion (PLoS One 11(10): e0164387).

Nach ihren Ergebnissen ist eine Fällung zumindest bei jungen Maisblättern nicht nötig. Die besten Resultate erzielte die Gruppe mit der simplen direkten Extraktion in einem Tris-Puffer, der neben den obligatorischen Protease-Hemmern, Harnstoff, Thioharnstoff sowie CHAPS ­enthielt. Selbst das zusätzliche Putzen mit dem Reinigungs-Kit brachte keine substantielle Verbesserung und war unnötig.

Kationen öffnen Membran

Eine völlig andere Proteinreinigungstechnik, die weder Zelllyse, Fällungen, noch Detergenzien benötigt, entwickelte Rainer Hahns Gruppe an der Universität Wien für die Extraktion rekombinanter Proteine aus Bakterien (J Biotech 207: 21-9). Die Wiener nutzten hierbei die Interaktion der negativ geladenen Zelloberflächen mit starken Kationen. Als Kationen verwendete die Gruppe etwa ein Mikrometer große Partikel, die sie durch Vermahlen eines Anionentauscher-Harzes in einem motorisierten Mörser herstellte. Die Mikropartikel mischte die Wiener mit Bakterienzellen, die das Grünfluoreszierende Protein exprimierten. Anschließend inkubierten sie die Melange einige Zeit ohne weiteres Rühren.

Im Tausch gegen strukturerhaltende Kationen binden die Mikropartikel an die Zelloberfläche und stören die Integrität der Membrandoppelschicht, in der sich hierdurch Löcher bilden. Da die Peptidoglykan-Schicht der Bakterienhülle intakt bleibt, können nur Proteine aus der perforierten Membran austreten, größere Moleküle wie etwa DNA bleiben in ihr gefangen. Die ausgeflossenen Proteine flocken zusammen mit den Mikropartikeln aus und werden anschließend mit einem Elutionspuffer von diesen abgelöst. Mit einer Zentrifugation pelletiert man schließlich die Partikel und erhält im Überstand die gewünschten Proteine.

Die Methode der Wiener ist aus zwei Gründen nicht ohne Charme: Zum einen entsteht kein Zellschrott, der die weitere Aufarbeitung der Proteine stört, zum anderen lässt sie sich leicht vom Minimaßstab im Labor bis zur industriellen Produktion in Edelstahl-Fermentern skalieren. Was will man als Proteinreiniger mehr?

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 06/2017, Stand: Mai 2017, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 12.06.2017