Editorial

Kein Einlass für Keime
Produktübersicht: Sicherheitswerkbänke

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Wie üblich geht es vor dieser Sicherheitswerkbank ziemlich eng zu. Gegen den Aufstellungsort und die Platzierung der Arbeitsutensilien in der Bench dürfte der Sicherheitsbeauftragte aber keine Einwände haben.

Sicherheitswerkbänke sollen Forscher und Mikroorganismen voreinander schützen. Mit einem ausgeklügelten Lüftungssystem und zwei oder drei Filtern gelingt dieser Spagat.

Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die biowissenschaftliche Forschung noch ein echtes Himmelfahrtskommando. Viele Forscher hantierten völlig unbedarft und ohne jeglichen Schutz mit den fiesesten Krankheitserregern und infizierten sich regelmäßig mit ihren Forschungsobjekten. Laborinfektionen gehörten bei den Pionieren der Bioforschung zum Laboralltag und nicht selten führten sie zum frühen Tod der Forscher. Oft führten Stichverletzungen mit kontaminierten Spritzen oder der direkte Kontakt mit infiziertem Material zu Erkrankungen, in vielen Fällen war jedoch die mit Keimen geschwängerte Luft in den Laboren die Hauptursache für Infektionen.

Gefahr in der Luft

Robert Koch dämmerte als erstem, dass sich pathogene Mikroorganismen auch über die Luft ausbreiten können und so eine der Hauptgefahren im Labor darstellten. Der Entdecker von Tuberkulose-, Milzbrand- (Anthrax-), und Cholera-Erregern versuchte sich mit einem von ihm konstruierten Glaskasten vor einer Infektion mit den todbringenden Keimen zu schützen, die er auf Agarplatten kultivierte. Über zwei Zugänge, die mit geölten Handschuhen versiegelt waren, konnte er in den Kasten greifen und Arbeiten an den Kulturen durchführen. Koch musste seine „Ur-Glovebox“ jedoch regelmässig öffnen, um Agarplatten hineinzustellen oder herauszuholen. Die Erreger hatten hierdurch immer wieder die Gelegenheit aus der Box auszubüxen.

Dass Koch sich bei seinen Studien keine Cholera oder Tuberkulose einfing, verdankte er also weniger seinem selbstgebauten „Isolator“ als vielmehr einem robusten Immunsystem und viel Glück. Mit seiner bahnbrechenden Idee, Keime in einem gläsernen Gehäuse einzuschließen, um gefahrlos mit ihnen umgehen zu können, legte er dennoch den Grundstein für die Entwicklung von biologischen Sicherheitswerkbänken. Im Grunde mussten die Entwickler den Koch‘schen Glaskasten nur um einen Satz Filter und einen Ventilator ergänzen.

Fein ausbalancierte Strömung

In Sicherheitswerkbänken der Klasse II, die in biologischen Laboren zumeist routinemäßig eingesetzt werden, weil sie sowohl die Person vor der Werkbank als auch die Organismen unter der Glashaube schützen, zieht der Ventilator die Raumluft über einen Rost an der Vorderseite der Arbeitsfläche in das Gehäuse der Sicherheitswerkbank. Von hier strömt sie an der Rückseite des Kabinengehäuses zum Ventilator, der an der Seitenwand einer Kammer angebracht ist, die Arbeitsraum und Gehäusedeckel trennt. Etwa 70 Prozent der aus dem Ventilator wieder austretenden Luft passiert zunächst einen hocheffizienten Partikelfilter (HEPA-Filter), strömt dann als laminarer Luftstrom (Luftvorhang) senkrecht auf die Arbeitsfläche und wird schließlich erneut von dem Ventilator angesaugt, der sie über einen Rost an der Rückseite der Arbeitsfläche wieder nach oben zieht.

Dieser Luftkreislauf verhindert, dass Keime oder andere gefährliche Aerosole aus dem Arbeitsraum der Werkbank entweichen können und hält die Raumluft davor ab, über die Arbeitsfläche zu strömen. Die restlichen 30 Prozent der Ventilator-Luft werden durch den zweiten HEPA-Filter geleitet und entweichen schließlich über eine Öffnung in der Decke des Gehäuses als Abluft in das Labor. Die über die ­Eingriffsöffnung an der Frontscheibe der Sicherheitswerkbank in den vorderen Rost der Arbeitsfläche angesaugte Raumluft gleicht diesen Verlust wieder aus.

Zusätzlicher Filter

Diese sogenannten Zweifilter-Systeme sind für den größten Teil der in biologischen Laboren durchgeführten Arbeiten mit Mikroorganismen ausreichend. Beim Umgang mit gefährlichen Erregern oder toxischen Aerosolen sorgen Dreifilter-Systeme für zusätzliche Sicherheit. Bei diesen ist an der Rückseite unterhalb der Arbeitsfläche ein dritter HEPA-Filter installiert, der die von dem Ventilator angesaugte kontaminierte Luft (Raumluft und mit Mikroorganismen belastete Luft) filtert, bevor sie in den weiteren Lüftungskreislauf eintritt. Im Gegensatz zu Zweifilter-Systemen strömt hier also keine kontaminierte Luft durch die rückseitigen Lüftungskanäle, den Ventilator und die Luftkammer unterhalb des Gehäusedeckels. Das Risiko, dass Keime über undichte Stellen in dem System in die Raumluft entweichen können, wird durch diese Bauweise nochmals deutlich reduziert.

Der Knackpunkt bei Klasse II Sicherheitswerkbänken sind die Strömungsgeschwindigkeiten von abwärts gerichtetem Luftvorhang und einfließender Luft an der Eingriffsöffnung der Frontscheibe. Nach der für Klasse II Sicherheitswerkbänken geltenden EU Norm (EN12469) sollte erstere mindestens 0,4 Meter pro Sekunde betragen und letztere zwischen 0,25 und 0,5 Metern pro Sekunde liegen. Genau genommen müssen jedoch beide auf die individuelle Bauweise der Werkbank abgestimmt sein. Noch wichtiger ist, dass die Strömungsgeschwindigkeiten auch dann eingehalten werden, wenn sich während des Betriebs die Filter mehr und mehr zusetzen und weniger Luft durchlassen.

Motor regelt Luftzug

In älteren Modellen wird die Luftströmung mit sogenannten thermischen ­Anemometern gesteuert, die nicht allzu genau sind. Wesentlich exakter lässt sich die Strömung regeln, wenn der Ventilator mit einem elektronisch kommutierten Motor oder kurz EC-Motor angetrieben wird. Mit Gleichstrom laufende EC-Motoren sind nicht nur energieeffizienter als klassische Wechselstrom-Motoren. Über Mikroprozessoren kann man auch ihre Geschwindigkeit und ihr Drehmoment messen und kontrollieren. Die Motorelektronik registriert über die Änderungen dieser Parameter, wenn sich die HEPA-Filter mit Keimen beladen, und steuert entsprechend dagegen, um die Strömungsgeschwindigkeit konstant zu halten.

Diese ausgefeilte Sensortechnik entbindet den Betreiber jedoch nicht davon, die Strömungsgeschwindigkeiten regelmäßig zu kontrollieren und einige simple Regeln zu beachten. Denn auch die modernste Sicherheitswerkbank funktioniert nicht richtig, wenn sie an einem zugigen Platz steht oder die Lüftungsroste zugemüllt werden.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 07/2014, Stand: Juni 2014, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 11.07.2014