Editorial

Finster und Bitterkalt
Produktübersicht: Laborkühl- und Gefrierschränke

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Magnetismus

Da helfen zum Abtauen nur ein paar herzhafte Schläge mit dem Vorschlaghammer oder Eispickel – oder man zieht den Stecker raus und schmeißt das Teil auf den Müll.

In vielen Laboren brummen noch Kühl- und Gefrierschränke vor sich hin, die längst die besten Jahre hinter sich haben. Zeit, sich von diesen Kühl-Zombies zu verabschieden, und sich nach modernen Geräten umzusehen.

Sie fristen nicht selten ein wenig beachtetes Dasein in einem Kellerloch des Instituts oder versperren in Reih und Glied stehend lange Flure. Dennoch zählen sie zu den wichtigsten Geräten im Labor, auf die hundertprozentiger Verlass sein muss: Laborkühl- und Gefrierschränke. Ein unbemerkt auftauender -80 °C Freezer, in dem die kostbaren Schätze einer Arbeitsgruppe still vor sich hin gammeln, zählt sicher zu den schlimmsten Schreckensszenarien eines jeden Biologen oder Lebenswissenschaftlers.

Aber auch ein simpler Laborkühlschrank, dessen Innenraum-Temperatur ungleichmäßig verteilt ist, kann Forschungsergebnisse beeinflussen oder ganz ruinieren. Es lohnt sich also, hin und wieder den Kühl- und Gefrierschrank-Bestand zu begutachten und Kühldinosaurier mit zentimeterdicken Eispanzern gegen moderne, selbstabtauende Geräte zu tauschen, die dazu noch deutlich weniger Strom verbrauchen.

Wärmetransporteure

Trotz des Werbegedöns um die neuesten Kühl- und Gefrierschrankmodelle hat sich an der grundlegenden Kühltechnik seit 90 Jahren, als die ersten elektrisch betriebenen Kühlschränke auf den Markt kamen, herzlich wenig verändert. Wie die ersten Geräte aus den Goldenen Zwanzigern arbeiten auch heutige Kühl- und Gefrierschränke nach dem Prinzip einer Wärmepumpe, die Wärme aus dem Geräteinnenraum nach außen in den Aufstellungsort transportiert. Und noch immer gehorchen sie hierbei den gleichen unverrückbaren, thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten, die der französische Physiker Sadi Carnot bereits 1824 der Nachwelt hinterließ.

Der in Paris lebende Carnot interessierte sich leidenschaftlich für die physikalischen Grundlagen von Dampfmaschinen (Wärmekraftmaschinen), dabei hatte es ihm insbesondere deren maximaler Wirkungsgrad angetan. Nach seinen Überlegungen kann dieser nicht höher sein als der Wirkungsgrad eines Kreisprozesses (Carnot-Zyklus), bei dem ein ideales Gas durch zwei adiabatische (kein Wärmeaustausch) und zwei isotherme (keine Temperaturänderung des Gases) Schritte expandiert und komprimiert wird. Läuft der Carnot-Zyklus vorwärts, so verrichtet er, angetrieben durch eine möglichst hohe Temperaturdifferenz, Arbeit (Wärmekraftmaschine); läuft er rückwärts, so kann er mit der zugeführten Arbeit (Energie) Wärme transportieren (Wärmepumpe).

Nicht ideale Realität

Auf dem rückwärts ablaufenden Carnot-Zyklus basieren sämtliche Laborkühl- und Gefrierschränke – von den von Carnot angenommenen idealen Bedingungen und damit einem maximalen Wirkungsgrad sind sie jedoch ein gutes Stück entfernt. In der Realität müssen sich Kühlschrankkonstrukteure mit realen Gasen herumschlagen und auch die von Carnot geforderte Reversibilität des Kreisprozesses bleibt letztlich auf der Strecke. Mit dem so genannten Dampfkompressor-Zyklus versuchen sie jedoch dem Idealfall des Carnot-Zyklus so weit als möglich nahe zu kommen.

Zusammenpressen und Entspannen

Beim Dampfkompressor-Zyklus wird ein Gas (Kältemittel) in einem Röhrensystem (Verdampfer) auf der Innenraumrückseite des Kühlschranks bei etwa -5 °C und etwas mehr als 1 Bar Druck verdampft. Die hierzu nötige Energie liefert die Wärme des Kühlschrankinnenraums, der sich hierdurch abkühlt. Das (Energie) gesättigte gasförmige Kältemittel strömt nachfolgend zum Verdichter (Kompressor), der sich an der Außenseite des Kühlschranks befindet. Hier wird es adiabatisch auf etwa 9 Bar zusammengepresst und erwärmt sich hierdurch auf etwa 40 °C. Anschließend gelangt das komprimierte, aber noch immer gasförmige Kältemittel in die schlangenförmigen Kapillarröhren des Kondensators (Verflüssiger). Dort wird es durch die Umgebungsluft gekühlt (Raumtemperatur, 25 °C) und geht wieder in den flüssigen Aggregatzustand über.

Die hieraus resultierende, noch immer unter hohem Druck stehende Flüssigkeit tritt schließlich durch eine Düse erneut in den Verdampfer ein. Die Flüssigkeit entspannt sich hierdurch und geht wieder in den gasförmigen Zustand über. Die dazu nötige Verdampfungsenergie entzieht sie dem Kühlschrankinnenraum, womit der Zyklus abgeschlossen ist und von vorne beginnen kann.

Um die Temperatur weit unter Kühlschranktemperatur abzusenken, etwa auf -86 °C in Ultratief-Kühlschränken (ULT-Freezer), nutzen die Konstrukteure einen simplen Trick. Sie verknüpfen einfach zwei Dampfkompressions-Zyklen zu einer zweistufigen Kaskadenkühlung, die mit zwei Kompressoren und zwei unterschiedlichen Kühlmitteln arbeitet.

Dick eingepackt

Ohne eine dicke Isolationschicht wäre diese tiefe Temperatur mit einem vernünftigen Stromverbrauch, auch mit der cleversten Kaskadenkühlung nicht zu schaffen. Bei ULT-Freezern sind mittlerweile 13 cm (5 Zoll) dicke Isolationspolster aus Polyurethan Standard, die den Wärmeaustausch des Innenraums mit der Umgebung drastisch einschränken. Noch stärker lässt sich der Wärmeverlust mit einer Kombination aus Polyurethanplatten und Vakuumpaneelen reduzieren, die den Innenraum wie die Vakuumhülle eines Dewargefäßes umgeben.

Zusammen mit einem optimierten Kühlsystem zahlt sich die Isolierung insbesondere beim Stromverbrauch aus. Bei Topgeräten liegt dieser je nach Innenraum-Volumen zwischen 8 und 12 KWh/Tag. Schlechter isolierte Geräte verbrauchen leicht das Doppelte und Altgeräte konsumieren meist über 30 KWh/Tag. Ganz zu schweigen vom unersättlichen Strombedarf von „Zombie Freezern“. So bezeichnen die Autoren des lesenswerten ULT Freezer Management User Guide von der University of California Davis (http://apps1.eere.energy.gov/buildings/publications/pdfs/alliances/ulf_freezer_user_guide.pdf) alte ULT-Freezer, die zwar äußerlich normal erscheinen, innen jedoch so marode sind, dass sie so viel Strom fressen, wie mehrere moderne ULT-Freezer zusammen.

Neue alte Kühlmittel

Interessant ist derzeit eine Entwicklung bei den Kühlmitteln, die man unter dem Motto „Zurück in die Zukunft“ zusammen fassen könnte. In den ersten Kühlschränken strömten noch allerlei exotische Gase durch die Kapillaren und Röhren des Dampfkompressor-Systems. Die Palette reichte von Ethylether, Ammoniak, Schwefeldioxid, Methylchlorid bis zu Propan und Isobutan. Aber bereits in den dreißiger Jahren wurden diese durch die neu entwickelten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) verdrängt, die bis in die neunziger Jahre die bevorzugten Kühlmittel blieben.

Nach dem Verbot der FCKWs stiegen die Hersteller zunächst auf Fluorkohlenwasserstoffe um. Inzwischen haben einige aber auch die Qualitäten der zu Anfang benutzten Kohlenwasserstoff-basierten Kühlmittel wiederentdeckt. So findet man in den Geräte-Spezifikationen immer häufiger die Kürzel R600, R600a oder R290 als Angabe für die verwendeten Kühlmittel. Hinter diesen verbergen sich die in den dreißiger Jahren ausgemusterten Kühlmittel n-Butan, Isobutan und Propan.

Da diese leicht entflammbar und explosiv sind, müssen die Kühlsysteme entsprechend gegen Leckagen und Gasaustritt gesichert sein. Nach beinahe 100 Jahren Erfahrung mit dem Dampfkompressor-System sollte dies den Konstrukteuren von Laborkühl- und Gefrierschränken aber keine allzu großen Probleme bereiten.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 10/2013, Stand: September 2013, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 01.10.2013