Editorial

Kaltes Leuchten am weißen Sand mit süßen Mischungen

Zytotoxizität, Probenaufbereitung und Sucrosegradienten

Hubert Rehm


Auf gleich drei interessante Methoden stieß unser Autor Hubert Rehm bei seiner letzen "Sitzung" in der Bibliothek des Freiburger MPI für Immunbiologie.

Jerry Goodisman ist ein älterer Herr mit Heinz Ehrhard-Frisur, der Bücher über so spannende Themen wie "Kontemporäre Quantenchemie" und "Diatomic Interaction Potential Theory" schreibt. Mit einem Fuß steht der Mann aber auch im realen Leben: Er interessiert sich für die Wirkung von Platin-Krebsmitteln. Ihr Wirkungsmechanismus ist unbekannt. Wie kommen sie in die Zelle? Wie attackieren sie nukleäre DNA? Wie löst das die Apoptose aus?

Da über Ausmaß und Mechanismus der Zytotoxizität von Krebsmitteln generell wenig bekannt ist, hat Goodisman für sie einen quantitativen Zytotoxizitätstest entwickelt. Zwar merkt man dem Test an, dass er von einem Theoretiker entwickelt wurde, doch enthält das ihn beschreibende Paper (Anal. Biochem. 381, 1-178) ein Messprinzip, das bei anderen Anwendungen hilfreich sein könnte. Goodismans Idee ist, dass viele Krebsmittel die Zellatmung beschädigen und daher der mitochondriale O2-Verbrauch abnimmt. Die Zytotoxizität könnte also über die Abnahme des O2-Verbrauchs der Zellen bestimmt werden.

Kaum gedacht, schon weitergesagt: Zhimin Tao, der Postdok eines mit Goodisman befreundeten Pädiaters, maß die Respirationsraten von Zellen in Gegenwart beziehungsweise Abwesenheit von Toxinen wie Doxorubicin, Dactinomycin, verschiedenen Platin-Verbindungen und Tirapazamin. In der Tat ergaben die Toxine, im Vergleich zur Kontrolle, abnehmende Respirationsraten. Die Abnahme hängt von der Konzentration der Toxine, ihrer Natur, der Einwirkzeit und vom Zelltyp ab. Tao schlägt vor, die Abnahme der Respirationsrate in einer bestimmten Zeit als Maß der Zytotoxizität zu nehmen. Leider ist die Abnahme der Respira-tionsrate häufig nicht-linear, was zu komplizierten Rechnungen zwingt. Goodisman scheint daran Spaß zu haben. Er produziert im Methodenteil ellenlange Formeln mit drei Integralen und quadratischen Komponenten. Aber ob der gewöhnliche Biologe das lustig findet?

Des Weiteren wird die Respirationsrate mit einem selbstgebastelten Gerät gemessen, das nicht kommerziell erhältlich ist. Schließlich gibt es das Problem der Zellzahlen. Die Respirationsrate wird teilweise über Stunden bei 37° C gemessen und in dieser Zeit vermehren sich die Zellen oder sterben ab. In der Kontrolle (ohne Toxin) vermehren sie sich möglicherweise schneller als in der Gegenwart des Toxins, das heißt man muss von allen Proben, sowohl am Anfang, wie auch am Ende des Experiments, die Zellzahlen bestimmen. Aber sei's drum: Der Wert des Papers liegt wohl weniger im Zytotoxizitätstest als in der Bestimmung der Respirationsrate.

Komplizierte Messung

Gemessen wird die Konzentration des gelösten O2 in einer Zellsuspension über die Abnahmerate der Phosphoreszenz des löslichen Pd(II)-Komplex von Meso-tetra-(4-sulfonatophenyl)-tetrabenzoporphyrin. Gefunden wurde die Substanz von Vinogradov und Wilson (J. Chem. Soc., Perkin Trans. 2, 103-111). Zur Erinnerung: Phosphoreszenz (= Luminenz, kaltes Leuchten) ist im Gegensatz zur Fluoreszenz ein langwieriger Prozess. Phosphoreszierende Agenzien können noch zwischen Bruchteilen von Sekunden bis Stunden nach der Bestrahlung Licht abgeben. Die Lichtabsorption des Pd(II)-Komplexes liegt im nahen Infrarot, die Halbwertszeit der Phosphoreszenz bei 250 Millisekunden.

Als Messrinzip nutzen Tao et al. die Tatsache, dass die Phosphoreszenz des Pd(II)-Komplexes von der O2-Konzentration der Lösung abhängt: O2 quencht die Phosphoreszenz. Nach Goodisman ist die Phosphoreszenz elektrochemischen Messmethoden überlegen. Sie sei nicht invasiv und beeinflusse das gemessene System nicht, denn es werde kein O2 verbraucht. Zudem erfasse die Methode nanomolare O2-Konzentrationen und arbeite lange Zeit mit gleicher Genauigkeit. Eine einzige Kalibration reiche aus.

Die Endkonzentration des Pd(II)-Komplexes in der Zellsuspension beträgt 2 mM. Das ist viel für einen Schwermetallkomplex und ich hätte mir gewünscht, die Autoren hätten die Toxizität der Verbindung für ihre Zellen angegeben.

Aber wen interessiert schon die Messung der O2-Konzentration von Lösungen? Viel öfter kommt es vor, dass man Proben aufs 2D-Gel laden möchte und das Zeug löst sich um's Verr... nicht. So bei Gewebeextrakten von Pflanzen. Was tun?

Annamraju Sarma von der Universität Missouri-Columbia hat versucht, das Problem zu lösen (Anal. Biochem. 379, 192-195). Herausgekommen ist eine umständliche Methode mit drei Extraktionsschritten und einer Fällung. Offensichtlich ist Sarma ein fleißiger Forscher. Der Fleiß scheint belohnt worden zu sein, jedenfalls dann, wenn die Unterschiede in Fig. 1 A (2D-Gel mit herkömmlicher Probenaufbereitung) und C (2D-Gel nach neuer Aufbereitung) typisch sind: In Fig. 1 A zählt Sarma 1.190 Punkte in Fig. 1C 1.400. Zudem sind die Punkte in C besser fokussiert und nicht so schmierig. Man merke: Gute 2D-Elektrophoresen sind ein Produkt guter Gele und guter Probenaufbereitung.

Sarma zermahlt das Pflanzenmaterial (2 bis 3 Wochen alte Sojabohnenblätter) mit säurefreiem Sand in Tris-Puffer, der DTT und Proteaseinhibitoren enthält, in einem vorgekühlten Mörser. Nach einer Zentrifugation wird der Überstand mit Phenol extrahiert. Der Phenolextrakt wiederum wird mit Tris-Puffer gewaschen und dann mit Methanol/Ammonium Acetat bei -80° C gefällt. Das Präzipitat wird abzentrifugiert, erst mit Methanol/Ammonium Acetat, dann mit Ethanol gewaschen und schließlich für die isoelektrische Fokussierung durch Vortexen und Ultrabeschallen in einer Harnstoff/Thioharnstofflösung aufgelöst. Am Ende steht eine Zentrifugation bei 100 000 g.

Nach Sarma sind die wichtigsten Änderungen folgende:
  • Zugabe von frischem DTT in allen Schritten;
  • Aufschluss des Gewebes mit Sand;
  • Extraktion mit Phenol statt mit Trichloressigsäure/Aceton;
  • Präzipitation des Phenolextrakts mit Methanol/Ammonium Acetat für 2-3 Stunden bei -80° C.

Leider zeigen Sarma et al. nicht anhand mehrerer unabhängig voneinander hergestellter Gele und Probenaufbereitungen wie reproduzierbar diese Verbesserungen sind. Zwar zeigen sie, dass ihre Methode auch bei Wurzel und Stamm funktioniert. Hier bleiben sie jedoch den Nachweis schuldig, dass das Ergebnis herkömmlichen Methoden überlegen ist. Die Gutachter von Analytical Biochemistry hätten hier nachhaken müssen. Zudem dürfte Sarmas Prozedur einen Tag dauern und der knirschende Sand im vorgekühlten Mörser wird empfindlichen Doktoranden, zusätzlich zu abgefrorenen Fingern, Seelenschäden zufügen. Was der Forscher braucht, ist eine Probenaufbereitung, die in höchstens zwei Schritten und binnen einer halben Stunde die Maximalzahl gut solubilisierter Proteine liefert und dies in einem Puffer, in dem sich diese aufs IEF-Gel aufladen lassen. Finden Sie diese Methode und sie werden Zitatekönig werden.

Rainer Barbieri

Stellt Sucrosegradienten mit der Spritze her: Rainer Barbieri

Nach dieser schwer verdaulichen Kost ein süßer Nachtisch. Der gute alte klebrige Sucrosegradient wird immer noch bei der Isolierung von Organellen oder subzellulären Partikeln eingesetzt. Hergestellt wird er oft mit Hilfe eines vom Werkstattmeister gebauten Gradientenmischers, der aus zwei miteinander verbundenen Gefäßen besteht. Das vordere (mit Auslass) enthält die hohe Sucrosekonzentration, einen Teflonfisch und steht auf einem Rührer, das hintere die niedrige Konzentration. Das System liefert zuverlässig einen linearen Gradienten ist aber umständlich.

Ich war deswegen gespannt, welche Methode sich Rainer Barbieri von der Universität Palermo ausgedacht hat (Anal. Biochem. 379 (2008) 211-212) (der bei Italienern seltene Vornamen Rainer erklärt sich aus dem Beruf von Herrn Barbieris Mutter: sie war Deutschlehrerin). Nun, Rainer benützt eine Spritze, einen abklemmbaren Schlauch, einen Erlenmeyer, einen Teflonfisch mit Rührer und Knete. Die leichte Sucroselösung wird bei abgeklemmtem Schlauch in die Spritze gegeben. Ein gleiches Volumen schwerer Sucroselösung und der Teflonfisch kommen in den Erlenmeyer, der auf dem Rührer steht. Die Spritze wird über den Schlauch luftdicht mit Knete und Stöpsel mit dem Erlenmeyer verbunden. In die schwere Lösung taucht auch das Auslassröhrchen. Öffnet man den Schlauch und stellt man den Rührer an, tropft die leichte Lösung in die schwere, und der Überdruck treibt die Mischung durch den Auslass ins Zentrifugenröhrchen.

Zweifellos funktioniert Herr Barbieris System. Doch scheint es mir, im Vergleich zum alten, keine wesentliche Erleichterung zu bieten. Die Notwendigkeit der Abdichtung macht es störanfällig in den Händen unbegabter Doktoranden. Der Vorteil von Barbieris System liegt darin, dass man damit auch nichtlineare Gradienten anfertigen kann: Unterschiedliche Volumina in Spritze und Erlenmeyer müssten gebogene Gradienten ergeben. Falls es Ihnen nicht auf die Exaktheit und absolute Reproduzierbarkeit des Gradienten ankommt, empfehle ich folgende Methode. Nehmen Sie eine Spritze, ziehen Sie erst die leichte Lösung auf, dann die schwere, dann ein kleines Luftbläschen, dann die Spritze ein- oder zweimal um 180° nach oben und wieder nach unten drehen, 20 Sekunden warten, ins Zentrifugenröhrchen abdrücken, fertig. Die Methode kommt Ihnen genial vor? Mir auch. Leider stammt sie nicht von mir. Sie wurde mir einst vom großen Vergessenen im ZMBH in Heidelberg zugeflüstert.








Letzte Änderungen: 17.10.2008