Editorial

Legitimes Mittel oder Betrug

Bildbearbeitung versus Bildmanipulation

Katharina Hien & Steffen Rümpler


WYSIWYG
Photoshop macht's möglich: In der Luftballon-Installation der Künstlerin Katharina Grosse ("Art" Basel 2007, o.l.) taucht plötzlich ein Krokodil aus dem Basler Zoo (o.r.) auf.

Ist es in Ordnung, den Kontrast eines Gelbildes ein wenig zu verstärken, damit es im neuen Paper besser rüberkommt. Oder ist das schon eine "Datenfälschung"?

Ein Bild zu verbessern ist ja erstmal nichts Schlechtes. Wir können die Qualität des Fotos für den Druck steigern, durch einen Zuschnitt des Bildes den Fokus der Betrachter lenken oder per Farbkorrektur das Foto attraktiver gestalten. In den letzten 15 Jahren sind die Möglichkeiten der Bildbearbeitung sehr viel einfacher geworden. Wer sich ein wenig damit beschäftigt, kann digitale Bilder am Computer mit immer raffinierterer Bildbearbeitungssoftware an die eigenen Wünsche anpassen: auf Knopfdruck Aufhellen oder Abwedeln, Bildproportionen verschieben, Kontraste verstärken, Filter benutzen oder Farbinformationen verändern.


Köpfe montieren

Bis in die 80er Jahre hinein mussten Fotografen die Bearbeitung von Fotos beim Belichten des Fotopapiers durchführen. Bereits in den Anfängen der Fotografie stellten sie Situationen mit Statisten nach und montierten ihnen die gewünschten Köpfe auf oder schnipselten mehrere Negative zu einer Fotomontage zusammen. Die Fotobearbeiter konnten natürlich auch Details hinzufügen oder entfernen – ein klarer Betrug, wenn der Betrachter keinen Hinweis auf die nachträgliche Bearbeitung erhielt. Diese Manipulationen sind heute recht einfach mit Bildbearbeitungsprogrammen zu bewerkstelligen und beeinflussen direkt den transportierten Bildinhalt.

Schummeln ist auch mit unveränderten Bildern möglich. Etwa, wenn Fotografen mit falschen Texterklärungen ein Bild in einen irreführenden Zusammenhang stellen oder unzusammenhängende Bilder in Kontext bringen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür lieferte im vergangenen Jahr der südkoreanische Stammzellen-Forscher Hwang Woo Suk. Er hatte unter Anderem Fotos von angeblich geklonten humanen Stammzelllinien veröffentlicht.


Wo ist die Grenze?

Aber wo verläuft die Grenze zwischen der Verdeutlichung einer Darstellung durch Bildbearbeitung und Betrug? Mit einem Bildausschnitt kann man den Blick auf das Wichtigste fokussieren oder aber wesentliche Bildinhalte wegschneiden. Eine Farbkorrektur kann das Arbeitsgruppenbild verbessern oder den ungeliebten Forscherkollegen kränklich und unscheinbar erscheinen lassen. Menschen sind mit Fotos sehr leicht auszutricksen, weil sie Bilder als Abbild der Realität ansehen. Frei nach dem Motto: "Ein Foto zeigt die Wirklichkeit". Dabei sind Fotos als Beweis inzwischen nahezu irrelevant.

In totalitären Regimen haben die Machthaber bewusst Fotomanipulationen eingesetzt, um durch die Medien Kontrolle über die Bevölkerung zu erlangen. So ließ Stalin den ungarischen Revolutionär Tibor Samuelli aus einem Bild, das ihn hinter Lenin zeigt, herausretuschieren, um nicht mit der Bolschewistischen Revolution in Zusammenhang gebracht zu werden. Hitler ließ Goebbels aus einigen Bildern retuschieren, in denen beide mit Leni Riefenstahl zu sehen waren.

Zeitungen und Journalisten in Ländern mit praktizierter Pressefreiheit arbeiten dagegen hart an der Glaubwürdigkeit ihrer Bilder. Die Kleinigkeit eines retuschierten Achselschweißflecks bei Angela Merkel etwa, führte zu einer heftigen Grundsatzdiskussion um Bildmanipulation und einer öffentlichen Erklärung seitens der Verursacher. Bei BR-online erschien 2005 das retuschierte Foto von Merkels Auftritt bei den Bayreuther Festspielen, gleichzeitig war das gleiche Foto in großen Zeitungen ohne Retusche zu sehen. Die Zurückweisung der Retuschierung mit den Worten: "So einen Unsinn machen wir nicht", musste der Multimedia-Leiter des Bayrischen Rundfunks, Hans Helmreich, gegenüber Spiegel-Online am nächsten Tag zurücknehmen. Mit der Retusche habe man gegen hauseigene Prinzipien verstoßen, Bilder seien Dokumente. Dies nahm der Deutsche Journalisten-Verband zum Anlass, nochmals zu betonen, dass technisch bearbeitete Pressefotos gekennzeichnet werden müssen.

Was bedeutet das für die Bearbeitung wissenschaftlicher Bilder? Und wie authentisch sind die Ausgabebilder und -grafiken der Messgeräte? Bei vielen Techniken ist das Bild bereits die Darstellung des Messergebnisses, beispielsweise bei Kernspintomographie, Raster-Elektronen-Mikroskopie, Röntgenstrukturanalyse oder in der Kristallographie. Die Auswertungen erfolgen automatisch, Interpretationen führen die Apparate teilweise selbst durch. Der Programmierer bestimmt, mit welchen Parametern der Computer die Datenfülle in Bilder umwandelt. Dadurch beeinflusst er die anschließende Interpretation durch den Wissenschaftler. Häufig hinterfragen die Forscher diese Parameter nicht weiter und nehmen sie als gegeben hin.

Davon abgesehen will der Wissenschaftler Bilder, die ein Forschungsergebnis dokumentieren, auch in Journals oder auf Postern präsentieren. Die Kontrastverstärkung eines Gelbildes dient zwar nur der besseren Darstellung, ändert jedoch gleichzeitig die "visuellen Mengenverhältnisse" auf dem Gel. Möglicherweise erzeugt man dadurch Bildinformationen, die die Beweislage ändern. Wo ist hier die Grenze zu unwissenschaftlicher Manipulation?

Kodex für wissenschaftliche Bilder

Es gibt bisher in der Wissenschaftgemeinde weder eine Diskussion zu diesem Thema, noch existieren ethische Standards zur Bearbeitung von Bildern. Brauchen Wissenschaftler wie Journalisten einen Kodex, der sie verpflichtet, bearbeitete Bilder zu kennzeichnen? Sicher wäre es eine gute Idee, für die Bildbearbeitung in der Wissenschaft eine ähnlich standardisierte Protokollpflicht einzuführen, wie für die Ausführung von Versuchen. Bilder müssen genau so reproduzierbar sein wie Versuchsergebnisse. Sonst verliert die Wissenschaft an Glaubwürdigkeit und Missbrauch wird leicht gemacht. Auf jeden Fall sollten wissenschaftliche Bilder in Journals, Postern oder Vorträgen nach dem gleichen Modus wie Pressefotos gekennzeichnet sein, wenn sie bearbeitet wurden. Beispielsweise sind zusammen geschnittene Titelbilder von Zeitschriften immer als solche gekennzeichnet.

Die moderne Software ermöglicht es jedem, Bilder zu manipulieren oder ganz neu zu kreieren. Dabei entstehen meist vollständig glaubwürdige Bilder, deren Echtheit wir mit blosem Auge allein nicht mehr erkennen können. Hany Farid vom Dartmouth College hat deshalb 2004 ein statistisches Verfahren entwickelt, das digital veränderte Bilder entlarven kann.

Digitale Bilder bestehen aus Bildpunkten, denen Zahlen für Farb- und Helligkeitswerte hinterlegt sind. Beim Verbinden von zwei Bildern ändern sich die Bildpunkte oder Pixel. Sie werden gestreckt, abgedunkelt, gedreht oder anderweitig verändert. Farid’s statistisches Modell basiert auf den mathematischen Regelmäßigkeiten innerhalb eines natürlichen Bildes und erkennt Änderungen an digitalen Bildern. Er betont, dass sein Verfahren, im Vergleich zur Bildbearbeitungssoftware, noch in den Kinderschuhen stecke. Doch sei es damit eventuell möglich, den Beweis einer Fälschung zu liefern.

Solche Beweise dürfen für wissenschaftliche Abbildungen jedoch nicht zum Standard werden. Sinnvoller wäre es, sensibel mit Änderungen der eigenen Bilder umzugehen, sie zu kennzeichnen und über ein Bildprotokoll in der Wissenschaft nachzudenken.

Problem
Oben: Original Gelbild. Mitte: Bearbeitetes Bild mit stärkerem Kontrast und mehr Helligkeit. Unten: Manipuliertes Gelbild.






Letzte Änderungen: 23.10.2007