Editorial

Rezepte gegen die digitale Amnesie

Datensicherung im Labor

Matthias Faix


Zum Glück kommt der Super-Gau eines totalen Datenverlustes im Labor nicht allzu oft vor. Aber schon kleine Pannen bei der Datensicherung können verheerende Folgen haben. Matthias Faix erklärt wie Sie sich gegen Daten-Schwindsucht schützen können.

Unsere Vorgängergenerationen hatten es gut. Die Medien waren langlebig und man hatte Zeit, viel Zeit. In den Klöstern verbrachten Mönche ihr halbes Leben damit, Bücher abzuschreiben. Viele dieser Meisterwerke können Sie heute noch in Bibliotheken und Museen bewundern. Auch die Handschriften Beethovens sind noch leserlich und selbst einige Papyrusrollen aus längst vergessenen Epochen sind noch nicht zerfallen.

Und wie sieht es heute aus? Die Datenmenge explodiert geradezu! Eine Digitalkamera produziert innerhalb kürzester Zeit ein Gigabyte Daten. Zum Vergleich: Ich habe 1999 ein Labor mit 50 Mitarbeitern verwaltet, das gerade einmal 200 Megabyte Daten produzierte. Diese Datenmenge können Sie heute problemlos auf jeder Memory Card speichern. Gleichzeitig werden die Speicher-Medien immer flüchtiger. Sie trauen ihrer Festplatte oder glauben, ihr Memorystick sei sicher? Erfahrungswerte sehen anders aus! Eine Festplatte hat nach zwei Jahren ihren Zenit überschritten, eine selbst gebrannte CD/DVD hält bei guter Pflege 3-5 Jahre durch, eine DVD-RAM in Gold soll es nach Herstellerangaben auf etwa 10 Jahre bringen. Selbst Mikrofilme oder die guten alten Super-8-Filme halten länger. Je mehr Ewigkeit die Hersteller versprechen, desto flüchtiger die Speicher. Hinzu kommt, dass man einen Memory-Stick auch schnell verlieren kann.

Trügerische Sicherheit und enorm gestiegene Datenmengen gehen heute Hand in Hand. Emergency-Firmen wie Datasave leben gut von den Daten-Unglücken. Mit einer cleveren Datensicherung können Sie der digitalen Amnesie vorbeugen. Bevor Sie jetzt aber die digitale Feuerwehr rufen und in Panik ausbrechen: Keine Sorge! Es gibt einige Tricks, wie Sie ihre Daten sichern können.

Warten Sie mit dem Aussortieren ihrer Daten nicht bis zum nächsten Urlaub. Das gilt für Labordaten genauso wie für digitale Urlaubsfotos. Werfen Sie weg was Sie nicht brauchen. Spielen Sie Buchhalter. Wenn nichts anderes zur Kategorisierung hilft, sortieren Sie die Dateien nach Datum. Dies hat ganz nebenbei den Vorteil, dass Sie sich an die Geburtsdaten und Urlaube erinnern. Für Bilder gibt es eine Reihe von Verwaltungsprogrammen (Ulead, Photoshop Elements), die helfen, den Überblick zu behalten.



Hauptrisiko Laptop


Sichern Sie Laptops und Kleinrechner! Die im Laboralltag weit verbreiteten Laptops sind ein Hauptrisiko für Datenverluste. In klinischen und analytischen Laboren sind sie ständig äußeren Einflüssen, zum Beispiel Säureattacken ausgesetzt oder verschwinden einfach. Die Daten zu rekonstruieren ist dann oft unmöglich und die darauf gespeicherte Arbeit ist verloren. Aber auch wildes Sichern führt nicht unbedingt zu mehr Sicherheit. Schnell verliert man den Überblick, insbesondere bei Dokumenten, die mehrere Anwender benutzen. Ein unbekannter Datenstand ist der kleine Bruder des Totalverlusts. Vollsicherungen füllen jede Menge Schuhkartons mit CDs und beruhigen das Gewissen, aber im Falle eines Falles führen sie häufig auch zu viel Streit und Arbeit.

Bevor Sie ein Programm für die Datensicherung kaufen, sollten Sie sich eine Strategie überlegen. Das Grundschutzhandbuch des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) (http://www.bsi.de/gshb/deutsch/m/m06.htm) empfiehlt folgende Gewissensfragen:

  • Wie wichtig sind Ihnen die Daten? Wie schwierig ist deren Wiederbeschaffung?
  • Arbeiten mehrere Personen mit den Daten?
  • Passt ihre Sicherung zum Notfallplan?

Die Datensicherung besteht aus der Installation der Sicherungs-Anwendung und der Eingabe der Bewegungsdaten. Letztere sind Daten die sich permanent verändern, etwa Labordaten, Messwerte oder Zeitreihen. Um die Rechnerstruktur nach einem Datenverlust in den Ursprungszustand zu bringen, benötigt ein Computerfachmann etwa drei Tage. Dabei muss er Benutzerkennungen, Plattenauslegung, Speicheroptimierungen und all die kleinen Dinge die man im Betrieb geändert hat ohne es zu dokumentieren, wieder einrichten. Die Bewegungsdaten tippt man in die Datenbank ein. Hier zählen Arbeitsstunden und da die Bewegungsdaten sich ständig ändern, lassen sie sich nach einem Datenverlust praktisch nicht mehr wiederherstellen.

Die zwei größten Gefahren für Daten sind die Zerstörung der Festplatte (kenne ich aus eigener Erfahrung: Spannungsspitzen im Stromnetz führten zum Festplatten-Crash) und ein schleichender Verlust durch Datenverfremdung (Viren).

Zur Sicherung von Netzwerk-Rechnern eignet sich eine "Imagesicherung". Diese kann man zum Beispiel mit Symantecs "Norton Ghost" nach der Grundinstallation durchführen. Auch mit dem Sicherungsteil der Brennsoftware Nero, können Sie Imagesicherungen herstellen. Aber Vorsicht! Die Imagesicherung ist Client-spezifisch. Bei einem Festplattencrash muss diese genau so wieder hergestellt werden, wie sie bei der Urinstallation vorlag. Imagesicherungen gehen meist so lange gut, bis die Hardware des Client-Rechners getauscht werden muss. Dann bekommt man bei Windows-Rechnern mit der Windows-Registry Probleme. Oft sind davon auch andere installierte Programme betroffen.

Aus den oben genannten Gründen muss man bei Bewegungsdaten ständig auf der Hut sein. Im Grunde müssen Sie diese täglich oder sogar Non-Stop sichern. Das kann viel Zeit in Anspruch nehmen und ist mit einem hohen operativen Aufwand verbunden. Deshalb sollte diese Sicherung automatisch ablaufen. Am Besten bei gleichzeitiger Minimierung der Datenmenge. Bei Datenbanken taucht zusätzlich das Problem der Aktualität auf. Sichert das System auch die Datensätze, die gerade bearbeitet werden?

Generationensicherung

Die differentielle Datensicherung ist eine beliebte Strategie, um Bewegungsdaten zu sichern. Sie besteht aus einer Muttersicherung und verschiedenen differentiellen Sicherungen, die nur die veränderten Daten erfassen. Dadurch reduzieren sich Sicherungszeit und Speicherbedarf auf ein Minimum. Die differentielle Sicherung hat aber ein großes Manko: wenn nur eine der differentiellen Sicherungen defekt ist, sind alle nachfolgenden ebenfalls wertlos. Deswegen sollten Sie neben regelmäßigen Kontrollen der Sicherungen auch regelmäßige Vollbackups durchführen. Gerade bei diesem Verfahren gilt: ordnen Sie die CDs oder die Bänder und dokumentieren Sie die Schritte, die nötig sind um das Komplettsystem wieder herzustellen. Das Problem der "heißen" Sicherung lösen wir in unserem Haus ganz pragmatisch: Wir schmeissen die Benutzer einfach aus der Datenbank, die dann per Script im Single-User-Modus läuft.

Bei größeren Projekten helfen meist nur kommerzielle Sicherungsprogramme. Insbesondere bei Prozessdaten ist eine professionelle Sicherungssoftware notwendig. Für die Non-Stop Sicherung von Daten ist das Programm Veritas Backup Exec von Symantec geeignet. Die Programm-Entwickler haben viele Forderungen des BSI-Grundschutzhandbuch umgesetzt. Zudem unterstützt es die Dokumentation der Sicherungsstrategie.

Veritas Backup Exec eignet sich auch zur Steuerung von zeitkritischen Sicherungen. Dazu verwendet es Sicherungsmethodiken, wie das weiter unten beschriebene Generationenkonzept. Praktisch ist die Datensicherung im Point and Click-Verfahren. Auch die Sicherung mit programmierbaren Jobs und Berichten ist möglich. Darüber hinaus kann Veritas Backup Exec ein individuelles Konzept für die jeweilige Infrastruktur darstellen. Wegen seiner klaren Struktur und Einfachheit ist das Programm für Arbeitsgruppen mit den oben genannten Problemschwerpunkten zu empfehlen. Für die Einarbeitung und zum Festlegen der Sicherungsrichtlinien sollten Sie etwa eine Arbeitswoche einkalkulieren.

Auch die Wiederherstellung von Daten im Falle eines Falles muss sorgfältig geplant sein. Nicht dass sich Ihr Kollege zu Tode erschreckt, wenn plötzlich eine uralte Version seines Papers auf dem Bildschirm auftaucht. Die Großvater-Vater-Sohn-Datensicherung, (Generationenprinzip), ist ein altbekanntes Verfahren zur Datensicherung und Wiederherstellung. Dabei legt das Sicherungsprogramm ständig ein dreifaches Backup des Datenbestandes an mit jeweils anderem Alter (Großvater, Vater, Sohn). Durch diesen Trick lassen sich Veränderungen und Verluste der Daten rekonstruieren. Sind die "Sohn"-Daten beschädigt, stellt man diese aus den "Vater"-Daten wieder her. Für die Wiederherstellung der "Vater"-Daten greift man auf die "Großvater"-Daten zurück.


Kein Speicher hält ewig

Zum Schluss noch einmal die grundlegenden Ratschläge zur Datensicherung in Kurzform:
  • Lesen Sie das Grundschutzhandbuch des BSI.
  • Sortieren und Ordnen Sie von Anfang an. Dabei helfen Dokumentationssysteme.
  • Erstellen Sie einen praktikablen Sicherungsplan – besser einen löchrigen durchgeführt als einen überladenen vergessen!
  • Erstellen Sie einen Notfallplan. In welchem Fall soll welche Datensicherung eingespielt werden?
Und nicht vergessen: Kontrollieren Sie die Sicherungsbestände! Wie eingangs gesagt. Nichts hält ewig.




Letzte Änderungen: 30.05.2007