Editorial

2D-Elektrophorese von integralen Membranproteinen

Schmierige Probleme

von Hubert Rehm


Was hat die Küche unseres Autors mit integralen Membranproteinen zu tun? Lesen sie einfach weiter, und Sie werden es (und noch mehr) erfahren.

Es gibt Probleme, die jeder Mühe trotzen: Die saubere Einstellung der Gangschaltung in meinem Fahrrad, der Linksum beim Wiener Walzer, vor allem aber der Zustand meiner Küche. Letzterer ist, zumindest in gewissen Ecken, nicht nur ein schwieriges, sondern auch ein schmieriges Problem. Meine Anläufe, die Küche aufzuräumen, erinnern mich immer an meine Versuche, integrale Membranproteine in 2D-Gelen aufzutrennen. Beides ist mir bisher misslungen. Aber Aufgeben ist nicht meine Sache. In variablen Abständen ziehe ich Gummihandschuhe an, nehme die Seifenflasche zur Hand und – ran an die fetten Proteine.

Das Problem ist klar: Integrale Membranproteine lassen sich oft nicht in nativem Zustand in Lösung bringen und wenn sie es tun, dann aggregieren sie schon beim ersten Schritt zum 2D-Gel, der isoelektrischen Fokussierung (IEF). Das ist kein Wunder, denn bei der isoelektrischen Fokussierung wandern die Membranproteine zum isoelektrischen Punkt und eben dort ist die gegenseitige Abstoßung am niedrigsten. Bei Membranproteinen wirkt sich das offensichtlich besonders fatal aus: Die gängigen nichtdenaturierenden Seifen können die hydrophoben Proteinbereiche nur ungenügend abschirmen. Das Ergebnis ist ein Schmier im IPG-Streifen und folglich auch ein Schmier im 2D-Gel.

Im Kern des Problems steht also – wie beim Küchenputz – die Seife. Man bräuchte für die IEF ein ähnlich universelles Solubilisierungsmittel, wie es SDS für die Gelelektrophorese darstellt. Nach diesem heiligen Gral suchen die Unverdrossenen schon seit Jahrzehnten und manchmal finden sie auch etwas was einem Gral auf den ersten Blick zu ähneln scheint. Leider haben sich diese Grale immer als aus Blech gestanzt erwiesen.

Robert Henningsen und seine Kollegen aus Palo Alto, USA stießen auf eine Seife mit dem schönen Namen 4-Octylbenzol Amidosulfobetain (Obas) (Henningsen et al., Proteomics 2002, 2, 1479-1488). Das Detergenz besitzt die gleiche hydrophile Gruppe wie die Sulfobetaine ASB-14 und ASB-16, wedelt aber im lipophilen Schwanz mit einem Benzolring. Henningsen und Co. prüften Obas auf seine Fähigkeit, integrale Membranproteine zu solubilisieren und in Lösung zu halten.


Schöpferischer Akt

Der schöpferische Akt dieser Art Forschung ist nicht die Idee, eine neue Seife an Membranen auszuprobieren. Das darf als Ausschlachten bezeichnet werden, als Fleißarbeit. Der schöpferische Akt war vielmehr, die neue Seife aus der Taufe zu heben.

Taufpate der Seife Obas war nicht Henningsen, sondern Thierry Rabilloud. Dementsprechend verneigt sich Henningsen in seinem Paper etliche Male vor Monsieur Rabilloud. Das ist ihm umso höher anzurechnen, als er die Seife Obas nicht von Rabilloud, sondern von der Firma Calbiochem geschenkt bekam und die Anerkennung eines schöpferischen Aktes – wenn er von anderen kommt – in der Wissenschaft nicht immer selbstverständlich ist. Seifenmacher galten allerdings schon im Mittelalter als zünftige Handwerker und waren hoch angesehen.

Wie prüften Henningsen et al. die Solubilisierungskraft der neuen Seife? Zuerst stellten sie zwei CHO-Zelllinien her. Eine exprimierte menschliche Histamin H2-Rezeptoren mit sieben Transmembrandomänen, die andere einen ligandenabhängigen Ionenkanal der Ratte mit zwei Transmembrandomänen. Aus beiden Zelllinien wurden Zellmembranen präpariert. Dies mit Standardmethoden: Gefrorene Zellen auftauen, mit dem Polytron homogenisieren, abzentrifugieren bei 1500 g, den Überstand noch mal mit dem Polytron behandeln und dann bei 7500 g abzentrifugieren.

Dieser Überstand wurde bei 100 000 g abzentrifugiert und das Pellet Zellmembranen“ getauft, was den frommen Wunsch der Experimentatoren ausdrückt, dass das, was Zellmembranen heisst, auch zum größten Teil aus Zellmembranen besteht. Ein frommer Wunsch, wie gesagt. Nachgeprüft haben sie es nicht.

Was immer auch die Natur dieser Membranen ist, sie bestehen nicht nur aus Lipiden und integralen Membranproteinen, sondern enthalten auch adsorbierte und assoziierte Proteine. Diese unerwünschten Mitreisenden entfernte Henningsen, indem er die Membranen mit einer Lösung von Na-Carbonat spülte. Keine neue, aber eine effiziente Methode. Sie beruht darauf, dass Proteine und Membranen im alkalischen Milieu negativ aufgeladen werden und sich gegenseitig abstoßen.

Falls Ihnen die Carbonatspülung zu brutal erscheint, können Sie die Membranen auch mit niedrigen Konzentrationen von Deoxycholat waschen und anschließend in einem Sucrose-Gradienten reinigen (dazu Navarre et al., Proteomics 2002, 2, 1706-1714). Ich empfehle die Carbonatspülung. Der alkalische pH stört nicht weiter: Meiner Erfahrung nach hält die Phospholipidmembran die integralen Membranproteine in der nativen Konformation oder verhindert wenigstens die Aggregation. Früher hat man ja auch Soda (Na-Carbonat) gegen Sodbrennen genommen und es ging einem hinterher sogar besser.

Diese carbonatgespülten Membranen wurden in Harnstoff/Thioharnstoff, verschiedenen Seifen, Puffer und IPG-Puffer aufgelöst. Mit der Lösung rehydrierte Henningsen IPG-Strips. Dann folgte das übliche: Fokussierung in der 1. Dimension, SDS-Gelelektrophorese in der zweiten. Das 2D-Gel wurde entweder mit Coomassie gefärbt oder geblottet und der Blot mit Antikörpern gegen den H2-Rezeptor bzw. den Ionenkanal entwickelt. Fünf Sulfobetainseifen wurden verglichen: Chaps, SB 3-10, ASB 14, ASB 16 und Obas.


Obas wäscht am besten

Schaut man sich die coomassiegefärbten 2D-Gele an, so zeigt sich, daß Obas im Vergleich zu Chaps, ASB-14 und ASB-16 wesentlich mehr Proteine in Lösung brachte: Obas wäscht am besten. Auch bei den beiden Testproteinen, dem Ionenkanal und dem H2-Rezeptor, schnitt Obas gut ab. Beim Ionenkanal solubilisierte Obas nicht nur wesentlich mehr Ionenkanalprotein als die anderen Seifen, der Kanal wurde zudem schön fokussiert.

Auch brachte Obas das meiste H2 Rezeptor-Protein in Lösung, im Vergleich mit Chaps und ASB-14. Doch damit enden die guten Nachrichten: Der Unterschied zum ASB-14 war nicht mehr gewaltig und noch bedenklicher: Auch mit Obas waren die meisten Rezeptoren aggregiert und schmierten. Es sah aus wie in meiner Küche hinterm Herd. Die sieben Transmembranbereiche des H2 Rezeptors sind wohl selbst für Obas zu viel.

Des weiteren ist Obas nicht generell besser für die Solubilisierung integraler Membranproteine. In den coomassie-gefärbten 2D-Gelen tauchte mindestens ein Protein auf, das nur mit Chaps, nicht aber mit Obas in Lösung ging.

Der Schluss: Das Leben ist kompliziert und das Lösungsverhalten integraler Membranproteine noch komplizierter – jedenfalls dann, wenn sie fokussierbar bleiben sollen. Im wirklichen Leben, dem bekanntlich native Proteine zugrunde liegen, scheint es keine einfachen Lösungen zu geben, insbesondere keinen Supermann der Seifen (SDS). Dennoch: Falls Ihr integrales Membranprotein nur geringe Hydrophobizität aufweist, ist Obas einen Versuch wert.


Einen Versuch ist's wert

Falls sie auch mit Obas scheitern, können Sie – ich empfehle es nicht, aber in der Verzweiflung züchtet der Forscher Fliegen – die 1. Dimension wechseln. Statt der isoelektrischen Fokussierung nehmen Sie eine Gelelektrophorese. Natürlich keine SDS-Gelelektrophorese, sondern eine unter anderen Bedingungen, beispielsweise mit einer kationischen Seife.

Catherine Navarre empfiehlt dazu die Seife Cetyl Trimethyl Ammonium Bromid (CTAB) (Navarre et al., Proteomics 2002, 2, 1706-1714). Es ist dies ein Detergens, das sich viele Leute als Shampoo in die Haare schmieren. Die Haare sehen hinterher schöner aus, die 2D-Gele allerdings nicht. Integrale Membranproteine, bei Navarre et al. aus Hefe, geben in der CTAB -SDS-2D-Elektrophorese durchweg einen Schmier und zudem ist die Auftrennung schlecht: Fast alle Proteine liegen auf einem engen diagonalen Streifen.

Die 2D-Elektrophorese von integralen Membranproteinen bleibt also ein ungelöstes Problem, eine Dulcinea in Banden, die auf einen Ritter harrt, der sie befreit. Sie träumen davon? Passen Sie auf, daß Sie nicht als Don Quichotte erwachen.




Letzte Änderungen: 08.09.2004