Editorial

Vom World-Café zur Postersession

Die perfekte Konferenz

Daniel Breuer und Christina Sieber


Wer jemals eine Konferenz auf die Beine gestellt hat weiß, wie nervenaufreibend dies sein kann. Mit den Tipps von zwei Kongressprofis geht es entspannter.

Die Organisation einer kleinen oder mittleren wissenschaftlichen Konferenz mit 200 bis 500 Teilnehmern ist kein Pappenstiel. Selbst mit einem eingespielten Organisationsteam aus zwei bis fünf Personen und einer möglichst professionellen IT-Unterstützung müssen Sie mit mindestens 1.000 Stunden Arbeitsaufwand rechnen. Damit Ihnen diese, für die meisten Forscher ungewohnte Aufgabe nicht über den Kopf wächst, sollten Sie einige grundlegende Dinge beachten.

Vorrauschauende Planung

Eine Konferenz findet nicht im Vakuum statt und erfordert die Zusammenarbeit vieler Menschen, die zwangsläufig in die Veranstaltung involviert sind, beispielsweise die Verwaltung (speziell an Universitäten), das Personal am Veranstaltungsort, Firmen und gegebenenfalls weitere externe Partnerinstitutionen und Dienstleister. Es lohnt sich, sehr frühzeitig, noch ehe Entscheidungen getroffen werden, Kontakt mit allen potentiell Beteiligten aufzunehmen und ihnen von dem Vorhaben zu berichten. Man weiß im Voraus nie, welche ­Informationsquellen sich hierbei auftun und wo sich eventuell Synergien ergeben.

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Im World-Café diskutieren die Konferenzteilnehmer in einzelnen Grupppen ein vorgegebenes Thema. Nach jeder Diskussionsrunde wechseln sie die Tische. Fotos: AmeriFlux

Die Konferenz sollte drei bis vier Tage dauern und nicht am Wochenende stattfinden. Am ersten Tag ist es empfehlenswert ein „Student Training“ abzuhalten, bei dem versierte Sprecher die Grundlagen des jeweiligen Konferenzthemas erklären. Der erste und letzte Tag sollte jeweils nur einen halben Tag dauern, damit den Teilnehmern genug Zeit für die An- und Abreise verbleibt.

Wählen Sie einen gut erreichbaren und schönen Veranstaltungsort aus, zum Beispiel in der Altstadt. Am besten sind die Konferenzräumlichkeiten direkt in dem Hotel, indem die Teilnehmer auch übernachten können. So kann man sich abends an der Bar noch zum „wissenschaftlichen Bierchen“ treffen. Der Tagungsort muss bei mittelgroßen Veranstaltungen in der Regel ein Jahr vorher oder noch früher reserviert werden. Es empfiehlt sich, einen günstigen Tarif mit dem Tagungshotel oder anderen Hotels vor Ort auszuhandeln. Bei ­internationalen Konferenzen, sollten Sie spätestens drei Monate vor Beginn Ihren Teilnehmern umfassende Informationen zur Anreise (Öffentlicher Personen Nahverkehr) und zu Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Bei nationalen oder regionalen Tagungen kann der Zeitplan straffer gestaltet sein.

Anreize für Nachwuchswissenschaftler

Studenten freuen sich über günstige Alternativen, zum Beispiel kleinere Hotels oder Hostels vielleicht lässt sich der ein oder andere auch bei Kollegen vor Ort unterbringen. Stellen Sie für Studierende besonders günstige, falls möglich sogar subventionierte Tarife bereit, und loben Sie für die besten Abstracts und Poster einen Preis aus. Reisestipendien für Studierende sind ebenfalls ein Anreiz, junge Wissenschaftler anzulocken und damit neue Ideen sowie frischen Wind in einen Kongress zu bringen.

Die Stipendien sollten Sie spätestens drei Monate vor Eröffnung der Tagung ausschreiben und mit dem Einwerben des Geldes bereits sechs bis neun Monate vorher loslegen. Mit Ende der Bewerbungsfrist für die Abstracts kann das Organisationsteam dann in Ruhe über die Reisestipendien entscheiden.

Erstellen Sie ein gut indiziertes Tagungsbuch (Abstract Book) das neben den Profilen der Sprecher und einer Teilnehmerliste auch Informationen zur Konferenz und dem Veranstaltungsort enthält. Sie können das Konferenz-Programm, Informationen zu Postern, Sprechern und Teilnehmern auch als App bereitstellen, mit der die Teilnehmer Favoriten einrichten und online auf Abstracts zugreifen können. Denken Sie auch daran, Namensschildchen mit Informationen zur Herkunft des Trägers zu verteilen, die die Kontaktaufnahme der Konferenzteilnehmer erleichtern.

Workshops, Rahmenprogramm und Diskussionen sind für eine gelungene Konferenz ebenso wichtig, wie Vorträge. Neben den wissenschaftlichen Beiträgen ist der Austausch unter den Teilnehmern das A und O. Anregungen hierfür kann man durch verschiedene Angebote zur Verfügung stellen. Unser Gehirn arbeitet am effektivsten, wenn es aktiv gefordert wird. Versuchen Sie deshalb, die Teilnehmer möglichst oft persönlich einzubinden und interaktive Programmpunkte anzubieten.

Für das Rahmenprogramm sind im Grunde keine Grenzen gesetzt: Ob klassische Dinnerparty, Stadtführung oder eine Kinderbetreuung, die Konferenzteilnehmern mit Kindern die Teilnahme erleichtert.

Auch ein „Meet the Experts Lunch“ bietet sich an, in dem die Besucher in kleinen Gruppen mit einem der Platzhirsche der Forscherszene zu Mittag essen und frei diskutieren können.

Eine so genannte „Fishbowl“-Diskussion, bei der heiße Themen interaktiv in einer größeren Gruppe diskutiert werden, sollte ebenfalls nicht fehlen. Übergeordneten Aspekten, die über die rein wissenschaftlichen Fragestellungen hinausgehen, sollte man in Podiumsdiskussionen Platz einräumen.

Sie können aber auch mit neuen Konzepten für Diskussionsforen experimentieren, etwa dem Open Space, bei dem die Teilnehmer eine Sitzung zu einem vorgegebenen oder eventuell erst auf der Tagung entstandenen Thema gestalten. Auch ein sogenanntes World-Café fördert den Diskurs unter den Besuchern der Konferenz. Wie in einem Wiener Café-Salon diskutieren die Wissenschaftler an einzelnen Tischen ungezwungen ein Problem, das alle Anwesenden betrifft, und ermitteln Lösungsvorschläge.

Problemlösung im Pro-Action Café

Die Diskussionsgrundlage könnte zum Beispiel die Forschungsfinanzierung allgemein oder die Zukunftsplanung mit befristeten Verträgen sein. Die Mitwirkenden des World-Cafes wechseln hierbei mehrmals die Tische und lernen so verschiedene Kongressbesucher kennen. Ganz ähnlich funktioniert auch das Pro-Action-Café. Hier suchen die Forscher jedoch Lösungen für akute Fragen, etwa zu Problemen bei der Etablierung einer Methode. Wie beim World-Café wechseln die Teilnehmer nach jeder Runde den Tisch.

Im Vordergrund des Kongresses steht natürlich der wissenschaftliche Austausch. Jeder Teilnehmer oder Vortragende sollte deshalb die Gelegenheit erhalten, ein Poster zu präsentieren. Oftmals sind die Diskussionen an Postern viel tiefgehender und interessanter, als die Fragen nach einem Vortrag. Zusätzlich zu einer einfachen Postersession können Sie eine Poster-Tour oder Poster-Talks anbieten. Das Poster wird hier in 60 Sekunden vom Autor kommentiert, danach erfolgt eine vierminütige Diskussionsrunde, ehe man sich dem nächsten Poster widmet.

Genügend Zeit für Poster-Tour

Es empfiehlt sich reichlich Zeit für Postersessions und Diskussionen einzuplanen, die Sitzungen sollten aber nicht zu lang werden, 90 Minuten sind optimal. Weisen Sie die Vorsitzenden in ihre Aufgabe ein, am besten schriftlich und in einem kurzen Treffen vor der jeweiligen Sitzung. So kann man den „Chairs“ Techniken und Werkzeuge zum Unterbrechen der Sprecher an die Hand geben, falls diese überziehen, etwa Stoppuhr, Warnlicht, Glocke oder Tischmikro. Planen Sie genug Zeit für Pausen ein und sorgen Sie dafür, dass diese auch eingehalten werden. Parallele Sessions sollte man vermeiden, damit die Konferenzteilnehmer alle Veranstaltungen besuchen können.

Vergessen Sie nicht für die Grundbedürfnisse der Kongressbesucher zu sorgen, erst dann können sich diese voll und ganz auf die Diskussionspunkte konzentrieren. Es empfiehlt sich, gutes Essen und Trinken bereitzustellen − wenn möglich regional und saisonal, und „Bio“, wo es Sinn macht. Denken Sie auch an Vegetarier, Veganer und Lebensmittelallergiker (Laktose, Nüsse). Entsprechende Vorlieben oder Einschränkungen können Sie direkt bei der Anmeldung abfragen.

Spaß und Humor in den Ablauf der Tagung mit einzubauen, ist ein Muss. Auch Episoden zur Historie der Konferenzstadt oder des Tagungsortes lockern das Programm auf und sorgen dafür, dass die Teilnehmer die Tagungsstätte positiv mit der Veranstaltung verbinden. Am Ende des Kongresses beziehungsweise zwischendurch sollte man ein schönes Gruppenfoto aller Teilnehmenden schießen. Dieses dient nicht nur als Erinnerungsfoto, sondern auch dazu, die Veranstaltung auf der Webseite oder in Printmedien zu präsentieren.

Binden Sie auch Industriesponsoren in den Ablauf der Konferenz ein, was beiden Seiten zu Gute kommt. Als Veranstalter verhelfen Ihnen die zusätzlichen Mittel unter Umständen dazu, ein besseres Catering, mehr Reisestipendien oder günstigere Tarife anzubieten. Im Gegenzug kommt die Industrie in Kontakt mit ihrer Zielgruppe. Und die teilnehmenden Wissenschaftler entdecken vielleicht alternative, verbesserte oder neue Materialien und Methoden, die sie zu neuen Forschungsideen anregen. Hier sollten Sie berücksichtigen, dass Firmen ihre Budgets im Herbst des Vorjahres aufstellen. Spätestens im Spätsommer sollten Sie deshalb damit beginnen, Gelder für Veranstaltungen im Folgejahr einzuwerben.

Die meisten Tagungen und Konferenzen gelingen nur mit dem unermüdlichen Engagement vieler freiwilliger Helfer. Vergessen Sie keinesfalls diesen Einsatz angemessen zu würdigen, etwa mit einer öffentlichen Danksagung oder kleinen Geschenken. Hierzu gehört auch ein Trinkgeld für das Personal am Veranstaltungsort, das Sie nach Absprache eventuell auch als Servicepauschale abrechnen können.

Die Nachbereitung der Veranstaltung ist ebenfalls ein Fixpunkt jeder Konferenzorganisation. Stellen Sie den Teilnehmern die Vorträge zur Verfügung, holen Sie Feedback ein, aktualisieren sie die Homepage mit Fotos und den Preisgewinnern. Sie können auch eine Evaluation durchführen, die unter Umständen wichtige Anregungen für die nächste Konferenz liefert.

Neue Konferenzideen

Und wie könnte die Zukunft wissenschaftlicher Konferenzen, Tagungen oder Kongresse aussehen? Sind PowerPoint- Präsentationen und frontale Vorträge in abgedunkelten Räumen noch sinnvoll, angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Wissensvermittlung aus Psychologie und Medizin? Wie sollten sich die Konferenzteilnehmer am besten auf eine Konferenz vorbereiten, um diese optimal für sich zu nutzen? Und was könnte man als Wissenschaftler tun, um auch internationale Konferenzen „umweltfreundlicher“ oder „klimaneutraler“ zu gestalten?

Durchaus interessante Fragen, die Sie in die Planung und Organisation Ihrer nächsten Konferenz mit einfließen lassen können.






Letzte Änderungen: 02.04.2015