Editorial

Laborbegrünung

Das nachhaltige Labor

Kerstin Hermuth-Kleinschmidt (niub-Nachhaltigkeitsberatung)


Nachhaltiges Arbeiten im Labor spart nicht nur Energie und Ressourcen, sondern auch bares Geld.

Labore gehören zu den universitären Einrichtungen mit den größten Auswirkungen auf die Umwelt. Hierzu tragen neben einem hohen Verbrauch an Ressourcen wie Energie, Wasser und Chemikalien auch die großen Mengen oftmals toxischer Abfälle bei. So benötigen Laborgebäude drei bis viermal soviel Energie wie Bürogebäude – der Gesamtverbrauch kann schon mal dem Energiebedarf einer Kleinstadt entsprechen. Den Löwenanteil mit ca. 60% verschlingen Lüftungs- und Kühlsysteme, 25% verbraucht das Equipment (Kühl- und Gefrierschränke sowie andere Geräte), der Rest geht für die Beleuchtung drauf. Auch der Wasserverbrauch der Forscher ist ­enorm: vierzig Prozent der universitären Wasserrechnung geht zu Lasten der Labore.

Mit einigen wenigen simplen Verhaltensregeln lässt sich der Energie- und Ressourcenverbrauch im Forschungsalltag deutlich reduzieren. Hierzu zählt zum Beispiel das Schließen des Abzugs, wenn er nicht gebraucht wird.

SQRS

Auf der Output-Seite einer Nachhaltigkeitsanalyse im Labor stehen zumeist Berge von Plastikabfall.

Energiefresser Abzug

Für den Architekten Ralf Streckwall, der unter anderem für die Laboreinrichtungen am Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch (MDC) verantwortlich ist, zählen Abzüge neben Gefrierschränken zu den größten Energiefressern: „Ein moderner Laborabzug tauscht in Abhängigkeit davon, ob die Frontscheibe geschlossen, halb geschlossen oder offen ist, etwa 200, 400 bzw. 600 m3 Luft pro Stunde aus. Bei einem Luftaustausch von 400 m3 pro Stunde wird so viel Energie umgesetzt wie ein Einfamilienhaus in einem Jahr verbraucht!“, erklärt Streckwall im Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDC, imdc (02/2011 ­15-17).

Die Universität Stanford in den USA startete bereits 2008 ein Programm zur Senkung des Energiebedarfs bei der Lagerung biologischer Proben. Dadurch sparte sie 2,4 Millionen kWh Strom ein, was ungefähr einem Fünftel des gesamten jährlichen Energieverbrauchs der Uni entspricht. Zu Beginn des Projekts lagerten noch 50 Millionen Proben über den ganzen Campus verstreut in ca. 2.000 Gefrierschränken, die zehn Prozent der Laborfläche einnahmen. Die Freezer-Armada verschlang pro Jahr 11,6 Millionen kWh Strom die rund 5,2 Millionen Dollar kosteten.

Um den Energiebedarf zu senken, hielt die Uni ihre Mitarbeiter dazu an, nicht mehr benötigte Proben konsequent zu entsorgen und Proben, die nicht länger als fünf Jahre gelagert werden sollten, bei -20 °C statt -80 °C einzufrieren. DNA- und RNA-Proben wurden bei Raumtemperatur aufgehoben. Diese simplen Maßnahmen führten dazu, dass 25% der Proben nicht mehr eingefroren, sondern bei Raumtemperatur gelagert wurden, was viele Freezer überflüssig machte. Die eingesparten Gelder investierte die Uni in energieeffizientere Neugeräte.

An der Edinburgh School of Chemistry versehen die Mitarbeiter der Chemikalienzentrale alle eingehenden Substanzen mit einem Barcode. Über eine interne Datenbank sieht jeder Wissenschaftler, wo sich welche Chemikalie befindet, wie viel von dieser bereits verbraucht wurde (dies muss der jeweilige Nutzer eintragen) und wie lange die Chemikalie noch haltbar ist. Die Datenbank ist mit dem Bestellsystem verknüpft, so dass jeder Besteller erkennen kann, ob und wo die gewünschte Substanz vorhanden ist.

Keine Doppelbestellungen mehr

Dieses System vermeidet Doppelbestellungen und gewährleistet, dass Chemikalien, die in einer Abteilung selten gebraucht werden, anderen Forschern zur Verfügung stehen, bevor sie ihr Haltbarkeitsdatum erreichen. Die sparsamen Schotten senkten ihre Einkaufskosten mit dem Barcode-System im ersten Jahr um 100.000 englische Pfund und sparten zusätzlich 12.000 Pfund für Entsorgungskosten ein.

Auch in Biotech-Unternehmen ist Nachhaltigkeit längst ein Thema. Viele Firmen haben bereits ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem (EMAS oder ISO 14001) installiert und berichten regelmäßig über ihre Nachhaltigkeits-Aktivitäten.

Wer die Foschungsarbeit der eigenen Gruppe nachhaltiger ausrichten will, sollte zunächst den Ressourcenverbrauch des Labors ermitteln. Das heißt konkret: Wie viel Energie und Material benötigt die Gruppe für die Laborarbeit und wie viel Abfall produziert sie? Nachhaltigkeits-Forscher bezeichnen dies als stofflich-energetische Input-Output-Analyse.

Auf der Input-Seite stehen zunächst der Energiebedarf und der Wasserverbrauch. Hierzu sollten sowohl in Unternehmen als auch in Universitäten konkrete Zahlen vorliegen. Im Idealfall ist eine Instituts- oder Abteilungs spezifische Zuordnung möglich. Ist dies nicht der Fall, kann man den Energie- und Wasserverbrauch in einem „Energieexperiment“ auch selbst ermitteln.

Zum stofflichen Input zählen die Chemikalien und Verbrauchsmittel sowie die vorhandenen Geräte inklusive geplanter Neuanschaffungen. Eine gute Inventarisierung erleichtert hier den Überblick.

Auf der Output-Seite steht die Menge des Abfalls, den die Gruppe produziert. Wie viel (Um-)Verpackungs-Müll fällt an? Benutzt die Gruppe viele Einmalartikel? Wie hoch ist die Menge toxischer Abfälle, die entsorgt werden müssen? Hier sollte man einfach alles sammeln, was in einer typischen Arbeitswoche anfällt und sich das Abfallvolumen anschließend vor Augen führen.

Nach dieser Analyse sollten die größten Verbrauchs-Posten identifiziert sein und es geht daran, diese, wenn nötig, zu optimieren oder zu reduzieren. Ergänzend zu den bereits genannten Beispielen können Sie sich hierzu an der oben aufgeführten Nachhaltigkeits-Checkliste orientieren.

Nicht zuviel auf einmal

Diese Liste liefert lediglich Anhaltspunkte und soll zum Mitmachen und Nachdenken anregen. Viele Leser haben sicher noch weitere Ideen, wie sich ein nachhaltiges Labor einrichten lässt. Damit diese auch umgesetzt werden und nicht nach kurzer Zeit wieder einschlafen, sollte man folgende Punkte beachten: Setzen Sie Prioritäten und versuchen Sie nicht zuviel auf einmal umzukrempeln. An der guten alten Checkliste führt hier kein Weg vorbei. Strukturieren Sie die Umstellung auf nachhaltiges Arbeiten mit Hilfe von kurz- und langfristigen Zielen. Legen Sie fest, wer für die Umsetzung des „Nachhaltigkeits-Programms“ verantwortlich ist und planen Sie Zeit für den Verantwortlichen und für gemeinsame Diskussionsrunden ein, am besten als fester Bestandteil des Labormeetings. Sprechen sie Probleme an: Welche Punkte sind schwierig umzusetzen? Was hindert die Gruppe daran? Nicht immer existieren zu Experimenten „grüne“ Alternativen und nicht jedes etablierte Protokoll lässt sich ohne weiteres umstellen.

Die ausgearbeiteten Nachhaltigkeits-Maßnahmen und die damit zusammenhängenden Probleme sollten aber nicht nur intern besprochen werden. Erweitern Sie den Kreis und ziehen Sie zum Beispiel auch die Universitätsverwaltung, Lieferanten und Kooperationspartner sowie Forscher in anderen Instituten in die Diskussion mit ein. Viele Universitäten, Forschungsinstitute oder Forschungsgesellschaften haben Nachhaltigkeit bereits als Leitbild integriert, etwa die FraunhoferGesellschaft oder die Universität Freiburg, die den Arbeitskreis „Nachhaltige Universität“ eingerichtet hat. Auch bundesweit und international setzen sich immer mehr Initiativen für mehr Nachhaltigkeit im Labor und auf dem Campus ein.

Das Schwierigste dürfte aber sein, die Labor-Mitarbeiter dazu zu motivieren, eingefahrene Routinen (nachhaltig) zu ändern. Hier hilft es, Erfolge sichtbar zu machen (wie viel Energie, Abfall, etc. wurde eingespart), etwa mit den an manchen Unis existierenden Contests oder Rankings, und diese auch zu belohnen. Erinnerungshilfen, wie ein ganz banaler Sticker am Abzug mit dem Hinweis diesen zu schließen, unterstützen die Umstellung auf Nachhaltigkeit genauso wie regelmäßige Trainings für (neue) Mitarbeiter. Auch hier gilt: Änderungen brauchen Zeit. Ziel ist es, die „Forschungskultur“ zu ändern und Nachhaltigkeit automatisch in die tägliche Laborroutine zu integrieren.

Langer Atem nötig

Die sozialen Komponenten eines nachhaltigen Laborumfeldes sollte man ebenfalls nicht vernachlässigen. Hierzu gehören zum Beispiel die Arbeitsbedingungen im Labor, Sicherheitsaspekte, eine vernünftige Balance zwischen Arbeit und Freizeit und nicht zuletzt ein reduzierter Lärmpegel. Fasst man den Nachhaltigkeits-Gedanken weiter, kann man sich natürlich auch überlegen, wie man diesen in Bildung und Lehre verankern kann und welche Auswirkungen die eigene Forschung auf eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Gesellschaft hat.

Nachhaltigkeit im Labor ist ein langfristiger Prozess, der immer wieder neu justiert und verbessert werden muss. In diesem Sinne viel Spaß beim Austüfteln neuer Nachhaltigkeits-Strategien und Pläne in der gemeinsamen Kaffeerunde.

Nachhaltigkeits-Checkliste für das Labor
  • Energie sparen: Schließen Sie Abzüge, die nicht benutzt werden, oder schalten Sie diese eventuell sogar ganz ab. Reduzieren Sie die Luftwechselrate unbenutzter Abzüge. Tauen Sie Ihre Gefrierschränke regelmäßig ab und schmeißen Sie überflüssige Proben raus. Die Lagerung von DNA- und RNA-Proben ist auch bei Raumtemperatur möglich. Schalten Sie unbenutzte Geräte aus (auch automatisiert, z.B. mit Timern); ersetzen Sie energiefressende Geräte durch energieeffizientere.
  • Wasser sparen: Installieren Sie einen Kühlkreislauf statt eines kontinuierlichen Wasserdurchflusses. Entsorgen Sie Wasserstrahlpumpen und ersetzen Sie diese falls nötig durch Vakuumpumpen. Umkehrosmose und Ionenaustauscher benötigen weniger Energie als Destillation. Überprüfen Sie, welche Wasserqualität Sie tatsächlich benötigen.
  • Nachhaltige Beschaffung: Etablieren Sie ein Beschaffungsmanagement für Verbrauchsmaterialien. Sparen Sie Transportwege durch Sammelbestellungen. Prüfen Sie Neuanschaffungen auf Energieeffizienz beziehungsweise je nach Gerät auf Wasserverbrauch, Erweiterungsmöglichkeiten, Reparaturfreundlichkeit, etc. Vergewissern Sie sich vor dem Kauf, wie gut das Gerät tatsächlich ausgelastet sein wird. Beteiligen Sie sich an Börsen für nicht mehr genutzte Geräte oder teilen Sie Geräte. Wird tatsächlich ein Neugerät benötigt oder ist ein guterhaltenes, gebrauchtes ausreichend? Ist es eventuell sinnvoller nur die entsprechende Dienstleistung zu nutzen? Wie nachhaltig arbeitet der Lieferant?
  • Abfallmengen reduzieren: Versuchen Sie, toxische HPLC-Laufmittel zu ersetzen oder die Lösungsmittelmengen mit kleinerem Säulendurchmesser oder kleiner dimensionierten Geräten wie Microflow LC zu verringern. Eine Liste „nachhaltiger Lösungsmittel“ erhalten Sie zum Beispiel von der American Chemicals Society. Auch zu Ethidiumbromid gibt es Alternativen. Ist jede (Um-)Verpackung nötig, oder lässt sich diese reduzieren oder ganz einsparen? Existiert für die jeweilige Verpackung ein Rücknahmesystem? Ist unbedingt der Einmalartikel nötig oder funktioniert der Versuch auch mit wiederverwendbaren Utensilien? Welche Publikationen müssen Sie unbedingt ausdrucken und welche Kataloge benötigen Sie wirklich?





Letzte Änderungen: 12.03.2015