Durchstarten in der Life-Science-Industrie (4)
Ich möchte Projektmanager werden

Morna Gruber, Laborjournal 6/2022


Editorial

(13.06.2022) Obwohl viele Absolventen gerne einen Job als Projektmanager hätten, fühlen sie sich beim Lesen der betreffenden Stellenanzeigen schnell überfordert. Manchmal hat man den Eindruck, dass es so viele Definitionen von Projektmanagern gibt, wie auch Stellenausschreibungen dazu veröffentlicht werden. So ganz trügt diese Wahrnehmung nicht. Wir klären auf.

Was ist überhaupt ein Projekt?

Viele promovierte Absolventen – so auch ich damals – gehen ja davon aus, dass sie sehr gut für eine Stelle als Projektmanager in Frage kommen. Immerhin haben sie ja schließlich auch ihre Promotion – die ja wohl eindeutig ein großes Projekt ist – erfolgreich gemanagt. Aber ist eine Promotion tatsächlich ein Projekt im engeren Sinne?

Im Alltag wird eine Vielzahl von Vorhaben sehr schnell als Projekt bezeichnet. Schaut man sich die Definitionen aus Lehrbüchern oder von Fachgesellschaften an, merkt man schnell, dass einige dieser „Projekte“ diese Bezeichnung im engeren Sinne gar nicht verdient haben. Laut International Project Management Association gilt folgende Definition: „Ein Projekt ist ein einmaliges, zeitlich befristetes, interdisziplinäres, organisiertes Vorhaben, um festgelegte Arbeitsergebnisse im Rahmen vorab definierter Anforderungen und Rahmenbedingungen zu erzielen.“

Editorial

Viele dieser Parameter treffen – zumindest auf den ersten Blick – auch auf die Forschungsvorhaben im Rahmen von Doktorarbeiten zu. Wenn man aber genauer hinschaut, lassen sich häufig doch nicht alle Parameter auf Doktorarbeiten anwenden. Vor allem Forschungsvorhaben aus der Grundlagenforschung lassen sich nicht eins zu eins durch diese Art von Projektdefinition beschreiben. Das muss aber gar nicht negativ bewertet werden. Im Rahmen der Grundlagenforschung ist es eben so, dass die Fragestellung zwar vorher feststeht, die Ergebnisse aber so neuartig und unerwartet sein können, dass diese im weiteren Verlauf des „Projektes“ erweitert, angepasst oder ganz aufgegeben werden muss. Oder sogar komplett neu hinterfragt gehört. Grundlagenforschung muss sogar offen und flexibel auf Ergebnisse reagieren, ansonsten würde man Bekanntes immer nur feiner beschreiben und niemals etwas wirklich Neues entdecken können. Dadurch ziehen sich Forschungsvorhaben häufig stärker in die Länge, als man vorher angedacht hatte (zum Leidwesen vieler Doktoranden). Verständlich, da man eben gerade nicht auf ein vorher exakt definiertes Endergebnis hinarbeiten kann, da dieses noch gar nicht bekannt ist.

Im Kontext des klassischen Projektmanagements passen Forschungsprojekte aus der Grundlagenforschung also nicht so recht zur Definition von „Projekt“, denn weder die „Arbeitsergebnisse“ noch der Zeitplan können im Vorhinein exakt beschrieben und geplant werden.

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Das magische Dreieck des Projektmanagements. Illustr.: Hox

Auch sind Promotionsprojekte nicht immer interdisziplinär aufgestellt beziehungsweise beschäftigen häufig nicht mehrere Personen oder Gruppen. Es gibt nicht mehrere Stakeholder oder mehrere Projektmitarbeiter, die von einem Projektmanager gemanagt werden müssen. In der Regel organisiert man als Doktorand „nur“ sich selbst sowie seine Aufgaben und hat vielleicht noch eine TA oder einen Masterstudenten zur Unterstützung. Ein Lehrstuhl konzentriert sich dabei auf ein zentrales Forschungsthema, dessen unterschiedliche Aspekte von mehreren Doktoranden bearbeitet werden. Zwar fließen am Ende die Ergebnisse aus den verschiedenen Arbeiten zum Gesamtthema zusammen, aber die einzelnen Promovierenden arbeiten im Alltag meist parallel und relativ unabhängig voneinander. Selbstverständlich hält man den Arbeitsgruppenleiter und die Promotionskollegen in den Arbeitsgruppensitzungen auf dem Laufenden, und der Arbeitsgruppenleiter fügt alles zu einem großen Ganzen zusammen, aber im operativen Alltag unterliegt man meist keinem gemeinsamen Projektmanagement im klassischen Sinne. Noch mal: Die Beschreibung dieser Unterschiedlichkeit hat keinerlei negative Konnotation. Es ist nur einfach so, dass sich die Durchführung von Projekten in der universitären Grundlagenforschung vom Projektmanagement industrieller (Groß-)Projekte unterscheidet und auch unterscheiden muss, da beide Bereiche unterschiedliche Zielsetzungen haben.

Was ist denn nun Projektmanagement?

Projektmanagement umfasst alle Maßnahmen der Initiierung, Planung, Steuerung und Überwachung, die notwendig sind, um ein Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Dabei werden vor Projektbeginn in Form von sogenannten Lasten- und Pflichtenheften die Anforderungen an das Produkt oder die Dienstleistung detailliert beschrieben, die Kosten kalkuliert und die zu erzielende Qualität festgelegt. Darüber hinaus müssen im Rahmen einer vorab stattfindenden Risikoabschätzung (Risk Assessment) Risiken identifiziert, antizipiert und durch sinnvolle Maßnahmen begrenzt sowie abgefedert werden. Gleichzeitig müssen Chancen erkannt und positiv für den Projekterfolg genutzt werden.

Der Projektmanager begleitet das Projekt von der Initiierung bis zum Abschluss und ist für die erfolgreiche Umsetzung und Steuerung verantwortlich. Hierbei muss er die dem Projekt zugedachten Ressourcen – Personen, Sach- und Geldmittel – sinnvoll einsetzen. Gleichzeitig verantwortet er auch die finale Qualität des Produktes oder der Dienstleitung (natürlich zusammen mit dem Qualitätsmanagement) und muss sicherstellen, dass Produkt oder Dienstleistung den im Lasten- und Pflichtenheft definierten Anforderungen entspricht.

Auch die Einhaltung des Terminplans und des kalkulierten Budgets obliegt seiner Verantwortung. Stets muss er das sogenannte magische Dreieck des Projektmanagements im Blick haben (siehe Illustration auf Seite 67). Dieses verdeutlicht, dass die Entitäten „Qualität“, „Kosten“ und „Zeit(-plan)“ in engster Abhängigkeit zueinanderstehen. So verursacht zum Beispiel eine Erhöhung der Qualität des Produkts automatisch höhere Kosten. Auch eine Verkürzung der Timeline führt zu höheren Kosten, da man zum Beispiel eine größere Anzahl an Mitarbeitern an die Aufgabe setzen muss, um diese schneller zu bewältigen. Wenn man Kundenprojekte betreut, trifft man meist auf folgenden Anspruch des Kunden: „Ich möchte ein Produkt von höchster Qualität, zum geringstmöglichen Preis und in kürzester Zeit entwickelt und hergestellt haben.“ Hier gilt es als Projektmanager diplomatisch dem Kunden verschiedene Optionen darzulegen und zu erläutern, dass alle drei Parameter selten gleichzeitig zu erfüllen sind.

Die Definitionen sind eindeutig, die Realität ist verwirrend

Nun haben wir uns sehr genau angeschaut, was man im klassischen Sinne unter den Begriffen Projekt und Projektmanagement versteht. Uns als Naturwissenschaftlern scheint zunächst alles klar zu sein, denn unsere Gehirne lieben eindeutige Definitionen. Nur leider kreuzt irgendwann die Realität auf und sorgt nicht selten für Verwirrung. Zwei häufig gestellte Fragen: Warum unterscheiden sich Projektmanager-Stellenanzeigen so extrem? Und wieso kommt es einem so vor, dass nicht klar und deutlich formuliert wird, was man auf der Position denn nun wirklich tun soll?

Zur ersten Frage sei gesagt: Die Stellenbeschreibungen unterscheiden sich so stark, weil sich die Realität nicht exakt an die Lehrbuch-Definitionen hält. Es gibt eine Menge Vorhaben und Prozesse in der Industrie, die gemanagt werden müssen, aber nicht als ein klassisches Projekt-Definition eingestuft werden können. Oder manchmal entspricht das Projekt tatsächlich der Lehrbuch-Definition, aber das Unternehmen möchte die Verantwortung für dessen Management aufteilen. In einem solchen Szenario kommt oft ein Team zusammen, das aus einem Scientific Project Manager, einem Communication Project Manager und einem Financial Project Manager besteht.

Der Scientific Project Manager kümmert sich um die konkrete Planung und Einhaltung der Zeitlinie sowie die Planung und Umsetzung der Arbeitspakete.

Der Communication Project Manager hingegen ist eine kommunikative Schnittstelle und Advokat des Kunden. Er sorgt dafür, dass zu jedem Zeitpunkt alle Stakeholder über sämtliche wichtigen Informationen verfügen. Dafür organisiert er in regelmäßigen Abständen Meetings und Telefonkonferenzen, schreibt und versendet Protokolle und sorgt dafür, dass die Projektdokumentation geführt wird und vollständig vorhanden ist. Schließlich bereitet er auch die Übergabe an den Kunden oder den Prozesstransfer an ein anderes Unternehmen vor, das den nächsten Schritt im Gesamtprojekt bearbeiten soll.

Der Financial Project Manager schließlich kalkuliert das Budget und überwacht dessen Einhaltung. Leider wird in manchen Stellenanzeigen im Titel nicht gut genug differenziert und alle drei Positionen firmieren unter dem Titel „Project Manager“. Übrigens gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie die Verantwortlichkeiten unter verschiedenen Teilprojektmanagern aufgeteilt werden können.

Und dann war da noch die Frage, wieso es einem so vorkommt, dass die Positionsbeschreibung nicht klar und deutlich formuliert wird? Tatsächlich verfassen einige Firmen ihre Stellenanzeigen eher unkonkret, gerade wenn es um Projektmanagerpositionen geht. Teils versteht man als Absolvent aber auch einfach nur das Wording nicht gut genug und kann es deshalb nicht einordnen. Nach der Lektüre dieses Artikels sollte aber hoffentlich einigermaßen klar sein, was auf den verschiedenen Positionen von Ihnen erwartet wird – selbst wenn der Titel der Stellenanzeige einfach nur „Projektmanager“ lautet.

Take-Home-Message oder: Welche dieser Projektmanager-Stellen sind für mich als Absolvent geeignet?

Als Faustregel gilt: Steht in der Stellenausschreibung, dass man vollverantwortlich für Zeitplan, Ressourcen (Budget) und die Erreichung der Projektziele ist, handelt es sich meist um eine vollumfängliche Projektmanagerstelle. Für diese sollte man auf jeden Fall Berufserfahrung in der Industrie mitbringen, denn für diese Position trägt man tatsächlich viel Verantwortung und muss alle Zusammenhänge gut kennen und überblicken.

Lesen Sie aber Sätze wie: „Sie agieren als Schnittstelle zwischen Kunde und Unternehmen“, „Sie unterstützen bei der Einhaltung der Timeline“, „Sie sind verantwortlich für die Organisation von Meetings und dem Schreiben von Protokollen“, „Sie stellen die Vollständigkeit der Projektdokumentation sicher“, – dann agiert man eher als kommunikative Schnittstelle und Unterstützer für den hauptverantwortlichen Projektmanager. Diese Stellen sind perfekt für Absolventen geeignet, weil man als Teil des Projektmanagement-Teams schon wichtige Aufgaben übernimmt, aber gleichzeitig auch die Zeit bekommt, von sattelfesten Projektmanagern zu lernen. Diese Erfahrung hilft enorm dabei, nach und nach in die Rolle eines vollumfänglichen Projektmanagers hineinzuwachsen.