Knackfrisch – das muss ein Leibniz sein!

Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz
Ralf Schreck, Laborjournal 05/2019


Editorial

Seit 1974 ist es ein zentrales Anliegen der Deutschen Stiftung Krebshilfe, die onkologische Forschung in Deutschland voranzutreiben. Im Fokus der Förderung steht dabei auch der wissenschaftliche Nachwuchs, der zum Beispiel durch das Mildred-­Scheel-Postdoc- oder das Max-­Eder-Nachwuchsgruppenprogramm unterstützt wird. Laborjournal erklärt, welche persönlichen Voraus­setzungen dieses Programm erfordert und welche Unterstützung im Erfolgsfall winkt.

Editorial

Promovierter Naturwissenschaftler oder Mediziner? Lust auf Forschung an einer renommierten Einrichtung im Ausland? Dann ist das Mildred-Scheel-Postdoktorandenprogramm, in dem Stipendien in onkologischer Grundlagenforschung beziehungsweise klinischer Krebsforschung vergeben werden, sicher eine Option.

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Keine Angst, Stipendiaten der Deutschen Krebshilfe müssen nicht im Trikot herumlaufen. Vielmehr war die Stiftung in der Saison 1978/79 Trikotsponsor der Bundesliga-Fußballer von Schalke 04.

Die Liste der Antragsvoraussetzungen ist relativ lang, birgt aber keinerlei Überraschungen. Potenzielle Antragsteller mit ständigem Wohnsitz in Deutschland sollten nicht älter als 35 Jahre sein. Naturwissenschaftler müssen onkologische Vorkenntnisse über mindestens eine begutachtete Publikation nachweisen, während bei Medizinern eine erfolgreich abgeschlossene experimentelle Promotionsarbeit ausreichend ist. Dies stellt keine hohe Hürde dar, ist aber vergleichbar mit manch anderen Postdoc-Programmen.

Der Antrag muss bei der Stiftung vor Aufnahme der Forschungsaktivitäten im Ausland eingehen. Eine Fortführung von Projekten mit Finanzierung durch andere Geldquellen wird nicht unterstützt. Ebenso ein No-Go sind Vorhaben, an denen gemäß Leitfaden der Stiftung ein „unmittelbares wirtschaftliches Interesse von Unternehmen“ besteht. Klar, dass man hier nicht die Vorlaufforschung der Pharmaindustrie finanzieren möchte. Wenn auch wohl nahezu jeder neue Ansatz, der Fortschritte bei Diagnose, Prävention oder Therapie von Tumorerkrankungen verspricht, wirtschaftlich interessant sein dürfte.

Ins Ausland und zurück

Des Weiteren geht die Stiftung davon aus, dass der Antragsteller nach Ende seines maximal zweijährigen Stipendiums nach Deutschland zurückkehrt. Daher verlangt sie von der entsendenden deutschen Einrichtung bei Medizinern eine verbindliche, bei Naturwissenschaftlern eine weniger verbindliche Zusage, dass man nach dem Stipendium dort wieder unterkommen und die im Ausland erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen kann.

Zwei Gutachten zur Qualität des Antragstellers und des geplanten Vorhabens sowie ein Schreiben zur Aufnahme und den Arbeitsmöglichkeiten an der Gastinstitution sind dem Antrag beizufügen. Dabei sollte der Gutachter nicht direkt vom aktuellen Heimat- oder künftigen Gastinstitut sein. Dieser darf aber durchaus im benachbarten Institut oder der Fakultät des Antragstellers arbeiten. Wird ein inhaltlich ähnlicher Antrag irgendwo anders eingereicht, so bedeutet dies das Aus für den Antrag bei der Stiftung. Die Stiftung behält sich vor, Listen mit geförderten Anträgen mit anderen Förderorganisationen auszutauschen, um eine Doppelförderung zu vermeiden.

Ein Gesundheitszeugnis des Antragstellers, wie in den Anfangsjahren des Stipendiums zwingend benötigt, wird zwischenzeitlich nicht mehr gefordert.

Jährlich gibt es vier Einreichungsfristen beziehungsweise Begutachtungsrunden. Der 16-köpfige Fachausschuss „Medizinische/Wissenschaftliche Nachwuchsförderung“ der Krebshilfe unter Leitung von Claudia Rössig von der Universität Münster prüft die eingereichten Unterlagen und gibt in der Regel zwei bis drei Monate nach Abgabe eine Förderempfehlung ab. Im Ausnahmefall werden Antragsteller zum „Vorsingen“ nach Bonn einbestellt und dürfen ihren Antrag persönlich präsentieren. Nach positivem Entscheid muss das Stipendium, das administrativ über den Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD abgewickelt wird, spätestens nach einem Jahr angetreten werden.

Wie viele Stipendien werden pro Jahr vergeben? Das steht bei den meisten Förderern im Jahresbericht, nicht aber bei der Krebshilfe. Auch auf direkte Nachfrage gab es hier keine Auskunft. Warum solche Geheimniskrämerei?

Noch etwas ist ungewöhnlich. Kaum sind die Koffer ausgepackt, so fordert die Stiftung nach nur zehneinhalb Monaten im Ausland einen bis zu zwanzigseitigen Zwischenbericht mit diversen Anlagen in vierfacher Ausfertigung, der über die Weiterförderung im zweiten Stipendienjahr entscheidet. Zusätzlich muss die Gastinstitution hier nochmals schriftlich bestätigen, dass sie auch weiterhin dem Stipendiaten ein Dach über dem Kopf inklusive Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Ebenso möchte die Stiftung wissen, was der Stipendiat vom Gastlabor und seiner Betreuung hält und ob die Gastinstitution mit den bisher erzielten Ergebnissen zufrieden ist.

Die Stipendienleistungen orientieren sich an den aktuellen DAAD-Sätzen und umfassen einen Grundbetrag für Unterkunft und Lebensunterhalt samt länderspezifischem Aufschlag. Gegebenenfalls kommen ein Verheiratetenzuschlag, ein Reisekostenzuschlag für Stipendiaten und Angehörige, eine einmalige Starthilfe sowie eine monatliche Sach- und Kongressbeihilfe hinzu. Die Kinderzulage beträgt monatlich vierhundert Euro für das erste und hundert Euro für jedes weitere Kind unter 18 Jahren. Bei Kindern unter 12 Jahren kann für maximal 12 Monate entweder eine Stipendienverlängerung um bis zu einem Jahr oder ein monatlicher Betreuungszuschuss bis zur Höhe des Stipendiengrundbetrages beantragt werden.

Endbericht gegen Schindluder

Im obligatorischen Endbericht, der den Gutachtern zur Bewertung zugeht, möchte es die Stiftung dann nochmals ganz genau wissen: Gab es beispielsweise Patente und wie wurden diese verwertet? Wie wirken sich die Projektergebnisse zukünftig auf Klinik und Praxis aus? Was sind die nächsten Karriereschritte des Stipendiaten? Wie schätzt der Stipendiat das besuchte Gastlabor ein, und wie stellt sich umgekehrt die ehemalige Gastinstitution zum Stipendiaten? Wenn man sich nahezu ausschließlich aus Spenden und Nachlässen finanziert, muss man offenbar stärker als andere, „nur“ durch Steuergelder finanzierte Förderorganisationen darauf achten, dass mit den zur Verfügung gestellten Mitteln kein Schindluder getrieben wird.

Nach erfolgreich absolviertem Postdoc wären der Aufbau und die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe dann der nächste Karriereschritt. Hierfür betreibt die Krebshilfe seit 2001 das Max-Eder-Nachwuchsgruppenprogramm, das nach dem ehemaligen Pathologie-Direktor der LMU München und langjährigen Vorsitzenden des Medizinischen Beirates der Krebshilfe benannt wurde.

In den Anfangszeiten waren hier pro Förderung 300.000 DM jährlich über drei bis fünf Jahre vorgesehen. Hochqualifizierten Wissenschaftlern im Alter von unter 36 Jahren, Medizinern wie Naturwissenschaftlern, sollte damit ermöglicht werden, grundlegende Forschungsergebnisse in diagnostische oder therapeutische Anwendungen der klinischen Onkologie zu überführen. Dies kann, muss aber nicht zwangsläufig auch patientennahe Forschung bedeuten. Je nach Projektinhalten sind dem Antrag daher bereits entsprechende Ethikvoten sowie Angaben zu vorgesehenen gentechnischen oder tierexperimentellen Arbeiten beizufügen.

Vorort-Begehung inklusive

Der Regelfall ist, dass die Arbeitsgruppe an einer Klinik etabliert wird. Ein Ortswechsel ist ein Muss und bedeutet, dass ein Postdoc aus dem Inland die Institution wechseln muss, während ein Postdoc aus dem Ausland auch an vorherige Ausbildungs- und Arbeitsstätten zurückkehren kann. Anträge von W1-Juniorprofessoren, bereits habilitierten Antragstellern oder applizierenden Professoren werden angenommen, Anträge von W2-, W3- oder Stiftungsprofessoren sind hingegen nicht möglich. Ebenfalls nicht berechtigt sind Antragsteller mit bereits erfolgreich eingeworbener Nachwuchsgruppe in den entsprechenden Programmen der DFG, des Europäischen Forschungsrates ERC, der Max-Planck-Gesellschaft oder der Helmholtz-Gemeinschaft.

Angefordert werden vier Gutachten, die in die Bewertung durch den Fachausschuss „Nachwuchsförderung“ eingehen. Evaluiert werden bei den Max-Eder-Anträgen wiederum die Qualifikation und Expertise des Antragstellers sowie dessen demonstrierte Eigenständigkeit. Im Rahmen der Begutachtung erfolgt auch eine Vorort-Begehung, bei der Leiter und Fakultätsvertreter der aufnehmenden Einrichtung anwesend sein müssen.

Freistellung vom Klinikalltag

Eine Förderung erfolgt für zunächst vier Jahre mit einem obligatorischen Zwischenbericht nach zweieinhalb Jahren und einem möglichen Fortsetzungsantrag auf eine weitere dreijährige Förderperiode nach dreieinhalb Jahren. Sehr gut, aber nicht exzellent bewertete Projekte erhalten im Anschluss an die erste Förderperiode eine Auslauffinanzierung von bis zu einem Jahr.

Gefördert wird zwischenzeitlich mit maximal 200.000 Euro pro Jahr. Zusätzlich wird erwartet, dass die aufnehmende Institution einen gewissen Eigenanteil leistet – zum Beispiel einen technischen Assistenten abstellt oder Mittel für Verbrauchsmaterialien und Versuchstierhaltung von bis zu 20.000 Euro jährlich beisteuert – sowie eine geeignete Forschungsinfrastruktur zur Verfügung stellt. Ebenso soll der Gruppenleiter im Falle der Finanzierung seiner Stelle durch die Krebshilfe vollständig oder aber im Falle der Finanzierung seiner Stelle durch die Klinik für mindestens sechs Monate innerhalb der Förderdauer von klinischen Verpflichtungen freigestellt werden.

Auf den Internetseiten der Krebshilfe gibt eine Liste der aktuell laufenden Nachwuchsgruppen einen Einblick in die erfolgreichen Gruppen und deren thematische Schwerpunkte. So war Mitte Mai die Mehrheit der aktuell 22 Gruppen in Göttingen, Heidelberg und München und nur zwei Gruppen im Osten angesiedelt. Mit etwas Googlen und Recherche in Pub­Med findet man dann auch heraus, wie hoch die Latte beim Max-Eder-Programm hängt.

New kid on the block: Mildred-Scheel-Nachwuchszentren

Neben diesen beiden etablierten Förderlinien gibt es bei der Deutschen Krebshilfe immer wieder auch neue Initiativen. So brachte sie etwa 2017 auf der Basis eines Positionspapiers zur Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Krebsforschung mit dem 50 Millionen Euro schweren Mildred-Scheel-Nachwuchsprogramm ein neues Förderinstrument auf den Weg. Gegenstand ist die Förderung von fünf Leuchtturmprojekten an Medizinischen Fakultäten mit dem Ziel, dort onkologische Profilbereiche strukturell zu fördern beziehungsweise anzuschieben. Modellhaft für ganz Deutschland sollen hier neue und langfristige berufliche Perspektiven sowohl für Clinician Scientists (klinisch-wissenschaftlich arbeitenden Ärzte) als auch für Medical Scientists (in der Medizin tätige Naturwissenschaftler) unter Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eröffnet werden.

Erfreulicherweise wurde hier auf die Notwendigkeit zur Verstetigung der Nachwuchszentren nach Auslaufen der Förderung verzichtet. Der Zwang zur Verstetigung zeitlich befristeter Förderungen in zahlreichen Programmen von Bund und Ländern beflügelt regelmäßig die Phantasie der Antragsteller und lädt zum Fabulieren ein. Zu oft fehlen dann aber nach tatsächlichem Auslaufen der Förderung die erforderlichen Eigenmittel, um geschaffene Strukturen in ähnlichem Umfang weiterzuführen. Dies wie auch die weitere Übertragung erfolgreicher Modelle in die Forschungslandschaft, so die Stiftung, sei primär Aufgabe der Wissenschafts- und Gesundheitspolitik und nicht der geförderten Einrichtung oder der Krebshilfe.

Gut gesprochen!



Die Deutsche Krebshilfe

Die Deutsche Krebshilfe e.V. wurde 1974 durch die Ärztin Mildred Scheel kurz nach der Wahl ihres Ehemanns Walter zum Bundespräsidenten gegründet. Gemäß dem Motto „Helfen, Forschen, Informieren“ unterstützt sie unter anderem Projekte zur Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, medizinischen Nachsorge und psychosozialen Versorgung inklusive der Krebs-Selbsthilfe. Die Deutsche Krebshilfe ist seit 2014 eine selbstständige Stiftung bürgerlichen Rechts und hat sich zwischenzeitlich zum größten nationalen privaten Geldgeber in der Krebsforschung entwickelt.

Von Anfang an zeichnete sie sich dadurch aus, dass sie weder Steuergelder erwartete, noch Spenden aus der Pharmaindustrie oder von Medizingeräteherstellern annahm. Während Ende 1975 umgerechnet gut 4,6 Millionen Euro an Einnahmen eingingen, waren es im Jahr 2017 bereits über 122 Millionen Euro. Rund sechzig Prozent davon stammen aus Erbschaften und Vermächtnissen. Ein weiteres Viertel wurde durch rund 370.000 Einzelspenden von Privatpersonen und Unternehmen sowie weiteren Quellen wie Bußgeldern aufgebracht. Daraus wurden Fördermittel für die Forschung in Höhe von rund 44 Millionen Euro bereitgestellt. Rund acht Prozent des Budgets gehen in die Verwaltung, davon ein Großteil in die Spendenakquise. Repräsentant und Präsident der Stiftung ist seit 2010 der Ex-WDR-Intendant Fritz Pleitgen, nachdem sein Vorgänger, der Nobelpreisträger Harald zur Hausen, nach nur fünf Monaten im Amt wegen Unstimmigkeiten mit der Stiftung zurückgetreten war. Daneben gibt es einen exekutiven zweiköpfigen Vorstand und einen Stiftungsrat als Aufsichtsrat sowie beratende Gremien wie Kuratorium, Beirat und sechs Fachausschüsse. Aktuell gibt es fünf Tochterorganisationen der Krebshilfe wie die Scheel-Stiftung für Krebsforschung oder die Stiftung Deutsche KinderKrebshilfe.



Last Changed: 17.06.2019