Editorial

Stipendiaten im Behördendschungel

Bettina Dupont, Laborjournal 4/2021


(08.04.2021) Kürzlich machte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Gastwissenschaftler seinem Ärger Luft, weil er sein Stipendium nachträglich versteuern soll. Doch wie kann es so weit kommen? Schließlich gibt es Unterstützungsangebote.

Die Webseiten von Euraxess (euraxess.de) bieten ratsuchenden mobilen Wissenschaftlern umfangreiche Informationen zu Steuern, Doppelbesteuerungsabkommen für Ausländer in Deutschland sowie deutsche Wissenschaftler im Ausland, ob mit Stipendium oder Arbeitsvertrag – und das in den Sprachen Deutsch und Englisch. Euraxess stellt Informationen zu 42 Ländern bereit und verfügt über 600 Unterstützungszentren.

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Und du dachtest, dass Stipendien grundsätzlich steuerfrei sind... Foto: AdobeStock / insta_photos

Auch die deutschen Universitäten stellen ihren internationalen Stipendiaten Beratungsangebote zur Verfügung, damit diese sich nicht im Behördendschungel verirren. An der Universität Bielefeld bietet zum Beispiel das Welcome Centre ausführliche Informationen zu Steuern und Versicherungen, aber auch zu Behördengängen, Kontoeröffnung und Wohnen. „Ihr Stipendiengeber kann Ihnen Auskunft geben, ob das von ihm gewährte Stipendium versteuert werden muss oder nicht“, rät die Webseite. Sollten immer noch Fragen offen sein, können sich internationale Wissenschaftler auch individuell durch das Welcome Centre beraten lassen. Derzeit erfolgt die Beratung vor allem auf digitalem Wege.

Kein Arbeitsentgeld

Auch an der Universität Mainz bietet das Welcome Center der Abteilung „Internationales“ eine erste Orientierung. Potenzielle Fragen in Zusammenhang mit einem Stipendium sollen von den jeweiligen Betreuern mit den Stipendiaten möglichst schon im Vorfeld geklärt werden. Bei komplexen Fragestellungen geben die Fachabteilungen der Verwaltung Auskunft. Bei Anfragen zu Kindergeld oder Elternzeit bietet das Familienservicebüro der Universität Mainz Unterstützung.

„Da Stipendiaten keine Beschäftigten sind, unterliegen sie auch nicht den Pflichten, wie sie mit einem Dienst- oder Arbeitsvertrag typischerweise verbunden sind“, erläutert die Universität Mainz. Für ihre Krankenversicherung müssen Stipendiaten selbst sorgen. Da Stipendien kein Arbeitsentgelt darstellen, werden von der Universität auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Auch die Freie Universität Berlin weist alle Stipendiaten darauf hin, dass sie krankenversicherungspflichtig sind. Individuelle Steuerbelange müssen allerdings von den Stipendiaten selbst geklärt werden. „Stipendien unterhalb einer bestimmten Grenze, zum Beispiel viele Promotionsstipendien, unterliegen in der Regel nicht der Steuerpflicht“, berichtet eine Vertreterin der Universität. Doch verbindliche Auskünfte könne die Freie Universität angesichts der Vielfalt der Stipendien und der individuellen Situation der Stipendiaten auch hier nicht geben. Die Universität rät im Zweifelsfall zu Steuerberatern und Lohnsteuerhilfevereinen.

Steuerberater fragen

Doktoranden, die von der Universität Heidelberg Stipendien und Zuschüsse durch die Graduiertenakademie erhalten, werden in Fragen, die zum Beispiel steuerliche Aspekte betreffen, direkt von deren Mitarbeiterinnen beraten, soweit ihre Expertise ausreicht. Andere Stipendiaten wie Nachwuchswissenschaftler berät die Graduiertenakademie ebenfalls auf Nachfrage. Über das Angebot dazu informiert die Graduiertenakademie auf ihren Webseiten, auf Willkommensveranstaltungen und in Orientierungspublikationen.

„Wenn in komplexeren Situationen ausreichende Informationen fehlen, erfolgt eine Rücksprache mit verschiedenen Ansprechpartnern in den Fachdezernaten im Dezernat Finanzen und im Dezernat Internationale Beziehungen“, so Helke Hillebrand, administrative Direktorin der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg. „Darüber hinaus stattet die Graduiertenakademie die Ratsuchenden auch mit konkreten Fragen aus, die sie mit ihren Versicherern oder zuständigen Behörden vor Ort oder im Heimatland klären müssen. Sie übernimmt auch Teile dieser Klärungen per Telefon oder Mail – sofern es den Ratsuchenden Recht ist – und setzt sich direkt mit den individuellen externen Versicherern oder Behörden in Verbindung.“ Je nach Sachlage empfiehlt auch die Graduiertenakademie, einen Steuerberater hinzuzuziehen.

Finanzamt entscheidet

Die Abteilung „Personalentwicklung & Chancen“ der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) erläutert: „Grundsätzlich sind die von der MPG vergebenen Stipendien steuerfrei. Eine endgültige Entscheidung dazu obliegt allerdings nicht der MPG, sondern den Finanzämtern.“ Eine individuelle Beratung zu steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen erfolge seitens der MPG nicht.

Für ihre internationalen Gastwissenschaftler gibt die MPG die Broschüre „Living and Working in Germany“ heraus. Die Autoren der Broschüre stellen fest: „Nach den Bestimmungen des deutschen Sozialversicherungssystems sind Stipendiaten nicht über den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung versichert; […].“ Zusätzlich gibt die MPG Merkblätter zu den Rahmenbedingungen des Stipendiums heraus. Individualfragen können Stipendiaten mit den Anlaufstellen am jeweiligen Max-Planck-Institut klären.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) teilt uns mit, dass sie grundsätzlich die Förderung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen anstrebe. „So erhalten beispielsweise Promovierende heute in allen Wissenschaftsbereichen üblicherweise sozialversicherungspflichtige Stellen. Stipendien werden nur noch in wenigen Fällen in einzelnen Graduiertenkollegs vergeben“, berichtet eine Vertreterin. Darüber hinaus fördert die DFG Stipendien hauptsächlich im Rahmen des Walter-Benjamin-Programms für Auslandsaufenthalte.

Nicht alle Stipendien steuerfrei

„Den von ihr geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten gibt die DFG umfassend Auskunft zu den Förderbedingungen der DFG, zu den Leistungen, die das Stipendium beinhaltet sowie zur finanziellen Abwicklung während der Laufzeit des Stipendiums“, fügt die DFG-Vertreterin hinzu. Zur Klärung individueller steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Fragen verweist auch die DFG die Stipendiaten an die zuständigen Finanzämter und gegebenenfalls an Steuerberatungsbüros oder zuständige Sozialkassen.

Wann Stipendien steuerfrei sind, beschreibt Paragraph 3 Nummer 44 des Einkommenssteuergesetzes. Sie müssen zum Beispiel aus öffentlichen Mitteln stammen, die Forschung oder die wissenschaftliche Ausbildung fördern, und dürfen die Stipendiaten nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung oder einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichten. Außerdem sollen sie den Betrag nicht übersteigen, wie er für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs nötig ist.

Nach Ansicht der Oberfinanzdirektion Frankfurt aus dem Jahr 2018 sind Heisenberg-Stipendien der DFG aufgrund ihrer Höhe demnach nicht steuerfrei. EXIST-Gründerstipendien fördern nicht Forschung oder wissenschaftliche Ausbildung und sind daher ebenfalls nicht steuerfrei. Stipendien der Carl-Zeiss-Stiftung sind nicht steuerfrei, da es sich nicht um eine gemeinnützige Stiftung handelt.

Bei den Stipendien des European Research Councils (ERC) sind die Gastinstitutionen Empfänger der finanziellen Zuwendungen. Principal Investigators unterliegen ebenso wie ihre Gastinstitution, mit der sie einen Arbeitsvertrag haben, dem jeweiligen nationalen Arbeits- und Steuerrecht. Die Gastinstitutionen sind daher am besten geeignet, Wissenschaftler in spezifischen Fragen zu Einkommenssteuer, Versicherung und Rente zu beraten, so der ERC. Dies falle nicht in den Aufgabenbereich der Exekutiv-Agentur des Europäischen Forschungsrats (ERCEA).

Ausländer haben‘s schwer

Im Falle von Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub oder längerer Krankheit des Principal Investigators und deren Auswirkungen auf den ERC-Grant ist der verantwortliche Projektbeauftragte bei der ERCEA der Ansprechpartner für den Principal Investigator, um mögliche Optionen zu besprechen, wie beispielsweise eine Aussetzung des Grants oder eine Verlängerung.

Richtig aufwendig wird es für inländische Stipendiaten ausländischer Förderer, wenn die Steuerfreiheit des Stipendiums noch nicht geklärt ist. Gemäß Ausführungen der Oberfinanzdirektion Frankfurt aus dem Jahr 2018 müssen die Stipendiaten dann ihrem Wohnsitzfinanzamt geeignete Belege vorlegen, dass der Stipendiengeber die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Man kann sich vorstellen, dass ausländische Wissenschaftler, die kein Deutsch sprechen, vor einem solchen Behördengang eher zurückschrecken.

Da selbst einheimische Muttersprachler bezüglich der Details des deutschen Steuerrechts eher im Dunkeln tappen, empfiehlt es sich, professionelle Hilfe hinzuzuziehen, bevor das Finanzamt eine Hammer-Steuernachzahlung präsentiert. Das muss sein, auch wenn es extrem lästig ist. Euraxess bietet übrigens hierzu einen Link zu einer Datenbank mit Steuerberatern.

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Na, dann eben doch... Foto: ExtReb D