Editorial

Spitzenforschung für große Herausforderungen

Helmholtz-Forschungsgruppen
Ralf Schreck, Laborjournal 03/2019


Die Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. hat gerade zum 16. Mal ihre gleichnamigen Nachwuchsgruppen ausgeschrieben. Was sich dahinter versteckt, erfahren Sie hier!

Fünf Jahre Promotion und danach zehn Jahre Postdoc, das war einmal – vielversprechende Forscherkarrieren gestalten sich heute meist anders. Ein wichtiges Sprungbrett ist insbesondere die möglichst frühe Leitung eines eigenen Forschungsteams in einem renommierten Nachwuchsprogramm. Auch für die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), oder kurz Helmholtz, ist es daher inzwischen ein Muss, attraktive Nachwuchsgruppen mit der Option auf eine unbefristete Anstellung anbieten zu können. Nur so können exzellente Forscher im „War of Talents“ aus dem In- und Ausland gewonnen und an die Einrichtung gebunden werden.

Think Big – Knapp 30 Jahre Spitzenforschung

Die Helmholtz-Gemeinschaft ging im Jahr 1995 aus der eher losen Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) hervor. Mit rund 40.000 Mitarbeitern und einem Budget von mehr als 4,5 Milliarden Euro hat sie sich zwischenzeitlich zur größten deutschen Wissenschaftsorganisation gemausert.

Helmholtz ist heute ein eingetragener Verein. Mitglieder sind 19 rechtlich selbstständige Forschungszentren mit naturwissenschaftlich-technischer oder biologisch-medizinischer Ausrichtung. Dazu gehören zum Beispiel das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin und das Forschungszentrum Jülich (FZJ). Rund 70 Prozent des Helmholtz-Budgets stammen dabei als eine Art Grundfinanzierung von Bund und Ländern im Verhältnis von 90 zu 10 Prozent. Die restlichen 30 Prozent werden als Drittmittel von EU, DFG, Ministerien oder anderen Quellen eingeworben. Unter dem Motto „Spitzenforschung für Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft“ wird hier mit Strategie und langfristiger Perspektive an allem geforscht, was richtig teuer und komplex ist – und damit andere Forschungseinrichtungen überfordern könnte.

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Illustr.: jove.com

So errichtet und betreibt Helmholtz etwa große Forschungsinfrastrukturen – entweder alleine oder gemeinsam mit weiteren Akteuren. Diese können bereits beim Bau hohe Millionenbeträge verschlingen und reichen von Teilchenbeschleunigern über Schiffe und Flugzeuge für Forschungszwecke – bis hin zur Neumayer III-Forschungsstation in der Antarktis, Deutschlands südlichstem Labor.

Die Forschungsaktivitäten von Helmholtz decken sechs große Themenfelder ab: Energie; Erde und Umwelt; Gesundheit; Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr; Materie; Information. Seit 2015 steht der Mediziner und Neurowissenschaftler Otmar Wiestler als Präsident an der Spitze von Helmholtz. Er leitete zuvor zwölf Jahre lang das DKFZ in Heidelberg.

Ende letzten Jahres geriet Helmholtz in die Schlagzeilen, als der Haushaltsausschuss des Bundestages ein Viertel der Betriebsmittel der Helmholtz-Zentren für 2019 einfror. Ursache waren nicht ausgegebene Mittel im dreistelligen Millionenbereich, die sich über die Jahre angehäuft hatten.

Impuls- und Vernetzungsfonds – Aufstockung wünschenswert

Der Impuls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten ist ein wichtiges strategisches Förderinstrument bei Helmholtz. Die Fondsmittel mit einem jährlichen Umfang von rund 90 Millionen Euro oder knapp 2,5 Prozent der Grundfinanzierung werden auf Wettbewerbsbasis unter den Forschungszentren verteilt. Mit zeitlich befristeten Maßnahmen werden vier strategische Bereiche unterstützt: Zukunftsfelder, Partnerschaften, Transfer und Innovation sowie Talentmanagement.

Bei den „Partnerschaften“ werden insbesondere die Anbindung der Helmholtz-Zentren an Hochschulen, aber auch an außeruniversitäre Einrichtungen angestoßen. So werden sogenannte Helmholtz-Allianzen auf fünf Jahre gefördert. Unter Mitwirkung ausgewählter Wissenschaftler aus externen Einrichtungen sollen neue Fragestellungen mit ebenso neuen Ansätzen bearbeitet werden. Idealerweise soll sich hierbei ein neues Forschungsfeld für die beteiligten Helmholtz-Zentren öffnen.

Die ebenfalls durch den Fonds teilfinanzierten „Virtuellen Institute“ zielen auf die Vorbereitung größerer strategischer Forschungsvorhaben. In sechs Förderrunden wurden bisher insgesamt 130 Millionen Euro ausgeschütet, davon mehr als die Hälfte an beteiligte Hochschulen. Diese Kooperationen sind äußerst wertvoll, auch wenn es zum Beispiel darum geht, gemeinsame Aktivitäten wie Berufungen, kooperativ betreute Promotionen oder Graduiertenkollegs und -schulen zu initiieren. Immerhin werden deutschlandweit rund 8.400 Doktoranden durch Helmholtz-Wissenschaftler betreut und rund 1.100 Helmholtz-Mitarbeiter schließen pro Jahr eine Promotion erfolgreich ab.

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Dörte Rother
(Gruppenleiterin am Forschungszentrum Jülich und Professorin an der RWTH Aachen):
„Ich bin von den Helmholtz-Nachwuchsgruppen als Förderinstrument absolut überzeugt. Die Mittel ermöglichen es, ein unabhängiges Forschungsfeld aufzubauen und die Tenure-Track-Option bietet dabei eine gewisse Planungssicherheit. Diese Förderung hat mir sehr in meinem Bestreben geholfen, eine akademische Karriere einzuschlagen und gleichzeitig eine Familie zu gründen.“ Foto: Privat
220 Nachwuchsgruppen bei Helmholtz – Luft nach oben

Zwischen 2005 und 2012 hat sich die Zahl der Nachwuchsgruppen bei Helmholtz von 89 auf 236 weit mehr als verdoppelt. Ende 2017 waren 230 Nachwuchsgruppen aktiv. Davon werden 150 Nachwuchsgruppen durch die jeweiligen Helmholtz-Zentren betrieben. Rund 80 Nachwuchsgruppen laufen unter der Marke „Helmholtz-Nachwuchsgruppe“. Diese werden zentral ausgeschrieben und während der sechsjährigen Laufzeit mit mindestens 1,8 Millionen Euro gefördert. Der Impuls- und Vernetzungsfonds steuert hierzu die Hälfte bei, also jährlich 150.000 Euro. Das jeweilige Zentrum, an das die Gruppe angesiedelt ist, legt nochmals mindestens den gleichen Betrag oben drauf. Damit lässt sich was anfangen!

Überschlägt man jedoch die Personalkosten für eine Minigruppe aus Leitung (nach TVÖD 14 oder 15), Postdoc und zwei Doktoranden grob über die gesamte Laufzeit, sind rasch 1,5 Millionen Euro weg – und es müssen zusätzliche Mittel bei DFG und anderen Förderern eingeworben werden. Auch wenn der Vergleich etwas hinkt, so scheinen andere große deutsche Wissenschaftsorganisationen wie Max-Planck-Gesellschaft oder Leibniz-Gemeinschaft im Nachwuchsgruppenbereich aktiver zu sein: Pro Milliarde Gesamtbudget werden im Vergleich zu Helmholtz jeweils rund die doppelte Anzahl von Nachwuchsgruppen gefördert.

Ran an den Speck – Welcome to Helmholtz

Der Flaschenhals zur Gruppenleiterstelle ist die zweiseitige Skizze, mit der sich interessierte Nachwuchswissenschaftler beim Helmholtz-Zentrum ihrer Wahl bewerben. Eine Eigenbewerbung bei der Helmholtz-Zentrale ist nicht möglich. Mit 363 eingereichten Skizzen wurde im Jahr 2017 ein neuer Höchststand erreicht. Ein Grund hierfür könnte sein, dass ehemals stark nachgefragte Förderprogramme für Länder wie die Vereinigten Staaten oder Großbritannien durch aktuelle politische Entwicklungen an Attraktivität verloren haben.

An jedem Helmholtz-Zentrum gibt es einen direkten Ansprechpartner für die Bewerbung, der in der Ausschreibung gelistet ist. Die Zentren treffen intern eine Vorauswahl. Dabei ist die Zahl möglicher Nominierungen pro Zentrum reguliert. So gibt es Zentren wie das Forschungszentrum Jülich (FZJ) oder das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die bis zu vier Anträge ins Rennen schicken, während andere Einrichtungen oftmals nur mit zwei oder drei dabei sind.

Der Antrag wird über das elektronische Antrags- und Begutachtungssystem EABS von Helmholtz eingereicht und muss auch Angaben zum internen Verfahren der Skizzenauswahl enthalten. Antragsteller ist das Zentrum, das die Nachwuchsgruppe aufnimmt. Werden die Kontingente voll ausgeschöpft, so gehen bis zu fünfzig Anträge pro Ausschreibung in die schriftliche Begutachtung. Anschließend lädt der Präsident bis zu dreißig Kandidaten zur Projektpräsentation vor einer Gutachtergruppe nach Berlin ein. Kurz danach gibt es die Ergebnisse des Auswahlverfahrens, das vom Ausschreibungsstart im Januar bis zur Gutachtersitzung Mitte Oktober läuft.

Die Zahl der neugeförderten Gruppen schwankte in den letzten Jahren zwischen 10 und 16 pro Jahr. Zusätzlich gibt es eine Frauenquote. Bei den letzten beiden Ausschreibungen waren mindestens 40 Prozent der neuen Gruppen für Gruppenleiterinnen vorgesehen. Interne Bewerbungen von Helmholtzern sind möglich, diese müssen aber gemäß Ausschreibung „internationale Erfahrung und Mobilität in besonderem Maße“ nachweisen. Nachdem das Begrüßungsschreiben der Helmholtz-Geschäftsstelle im Briefkasten ist, hat der zukünftige Gruppenleiter bis zu zwölf Monate Zeit, die Zelte an seiner bisherigen Wirkstätte abzubrechen.

Gemeinsame Antragstellung – hoher Abstimmungsbedarf

Der Antrag selbst wird in enger Abstimmung zwischen Kandidat und Helmholtz-Zentrum erstellt. In der Ausschreibung steht alles zum fachlichen Teil und den zusätzlich erforderlichen Erklärungen drin. Richtige Überraschungen gibt es hier nicht! Primäre Bewertungskriterien sind die wissenschaftliche Exzellenz des zukünftigen Gruppenleiters nach internationalem Maßstab, die Qualität des Forschungsvorhabens sowie der strategische Mehrwert der Gruppe für das gastgebende Helmholtz-Zentrum.

Auch die Antragsvoraussetzungen der Kandidaten sind mehr oder weniger Standard und vergleichbar mit anderen Nachwuchsgruppenprogrammen: Gesucht werden exzellente Wissenschaftler in der Phase von zwei bis sechs Jahren nach der Promotion sowie einem mindestens sechsmonatigen Forschungsaufenthalt im Ausland. Bei Medizinern oder Bewerbern mit Kindern kann der Sechsjahres-Zeitraum auch überschritten werden. Die wissenschaftliche Exzellenz soll unter anderem durch Publikationen, Hirsch-Index und Auszeichnungen belegt werden. Eine Bewerbung als Nachwuchsgruppenleiter bei Helmholtz ist dann ausgeschlossen, falls bereits eine Berufung erfolgt ist oder eine Förderung für ein vergleichbares Programm erteilt wurde.

Das Thema der anvisierten Nachwuchsgruppe muss zu den sechs großen Themenfeldern von Helmholtz passen. Ebenso muss an Helmholtz-Zentren ein Institutsleiter gefunden werden, der bei positiver Auswahl zum unmittelbaren Vorgesetzten wird und das Ganze unterstützt.

Bevorzugt sollte schon von Beginn an eine Hochschule mit an Bord sein, die dann gegebenenfalls auch einen finanziellen Beitrag leistet. Entsprechende Erklärungen beteiligter Hochschulen zu Rechten und Pflichten des Nachwuchsgruppenleiters – wie etwa Personal- und Budgetverantwortung, Doktorandenbetreuung, Lehre oder Ressourcennutzung – müssen spätestens bis zur Gutachtersitzung vorliegen. Hochschulleitung und Fakultät müssen zustimmen und sich auch zu den Karriereperspektiven des Nachwuchsgruppenleiters äußern – insbesondere dann, wenn sich der Forscher nach Auslaufen der Förderung eher an der Universität und nicht bei Helmholtz sieht.

Es empfiehlt sich also für interessierte Bewerber, sich rechtzeitig, am besten schon im Vorfeld der Ausschreibung, mit möglichen Gastinstitutionen abzustimmen. Angesiedelt werden kann die Gruppe dann entweder an einem Helmholtz-Zentrum oder bei Helmholtz und der beteiligten Hochschule, wobei die Aufgabenverteilung im Antrag zu beschreiben ist. Klingt vielleicht etwas umständlicher als bei anderen Nachwuchsgruppenprogrammen – aber damit ist dann alles Wesentliche geregelt, und man hat es schwarz auf weiß.

Positive Begutachtung sichert Entfristung

Evaluiert wird die Gruppe beziehungsweise der Gruppenleiter nach vier Jahren unter Einbeziehung externer Gutachter. Teil der Evaluierung ist dabei auch ein Karrieregespräch mit dem Zentrums- oder Institutsleiter am Helmholtz-Zentrum. Das Geld aus dem Fonds für die Restlaufzeit der Gruppe wird erst dann freigegeben, wenn die Ergebnisse der Evaluierung einschließlich der Stellungnahme des jeweiligen Zentrums vorliegen. Laut Ausschreibung mündet eine „uneingeschränkt positive Evaluierung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit möglichst Personalverantwortung.“ Damit wäre die Zeit befristeter Verträge dann vorbei und der Fortbestand der Forschungsgruppe gesichert.

Was sind weitere Vorzüge einer Helmholtz-Nachwuchsgruppe? Beispielsweise gibt es einen verpflichtenden Kurs „Leading your Group“ in der Helmholtz-Akademie für Führungskräfte. Zudem werden weitere individuelle Qualifizierungs- und Beratungsangebote in einem Personalentwicklungskonzept festgehalten. Ebenso bekommt der Nachwuchsgruppenleiter in der Anfangsphase einen erfahrenen Wissenschaftler als Ansprechpartner und Mentor gestellt. Eltern- und Teilzeit aus familiären Gründen sind möglich und werden durch die zusätzliche Finanzierung eines Postdocs unterstützt, der die Gruppe während der Abwesenheit oder Teilzeit leitet. Eine Verschiebung des Zeitpunkts der Evaluierung sowie Laufzeitverlängerung der Gruppe sind aus diesen Gründen ebenfalls möglich.

Bleibt als Fazit: Tolles Programm mit der Möglichkeit, sich während einer frühen Karrierestufe intensiv mit zwei Welten auseinanderzusetzen – Forschungszentrum und Hochschule.


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Foto: gemeinfrei
Wer war Hermann von Helmholtz?

„Das Wissen allein ist aber nicht der Zweck des Menschen auf der Erde.“

Diesen Satz formulierte Hermann von Helmholtz, der Namensgeber der Helmholtz-Gemeinschaft, im Jahr 1862. Nach seiner Ansicht sollte dieser „Zweck“ vielmehr die praktische Anwendung des Gewussten und die Vermehrung der Wissenschaft sein.

Helmholtz (1821-94) wurde als Sohn eines Gymnasiallehrers in Potsdam geboren, studierte an der Berliner Militärakademie und promovierte 1842 in Medizin mit einer Arbeit zum Ursprung von Nervenzellen. Nach Tätigkeiten als Militärarzt und Anatomielehrer folgten Professuren für Physiologie oder Physik in Königsberg, Bonn, Heidelberg und Berlin. Zusammen mit Werner von Siemens initiierte er den Vorläufer der heutigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, dessen erster Präsident er bis 1894 wurde.

Optik, Akustik, Thermodynamik, Elektrochemie oder Physiologie sind nur einige der Felder, in denen es dem Universalgelehrten Helmholtz gelang, wichtige Grundprinzipien experimentell und anwendungsorientiert zu erforschen sowie neue Theorien zu verfassen. Helmholtz führte den Begriff der freien Energie ein, formulierte den Energieerhaltungssatz umfassend und stellte die Dreifarbentheorie des Lichts auf. Er entwickelte unterschiedliche Apparaturen für experimentelle Untersuchungen und medizinische Anwendungen – wie die Helmholtz-Spule, den Helmholtz-Resonator oder ein Gerät zur Bestimmung der Krümmung der Augenhornhaut.

Aus seiner Zeit in Heidelberg wird berichtet: „Täglich kam er einmal ins Arbeitszimmer, besuchte alle Arbeitenden, fragte jeden, was es gegeben hatte, und gab Hilfestellung, wenn es notwendig war“ (aus „Universalgenie Helmholtz: Rückblick nach 100 Jahren“ von Lorenz Krüger, 1994). Auch nach mehr als 150 Jahren ist dies sicherlich eine gute Anregung für Nachwuchsgruppenleiter bei Helmholtz und in anderen Einrichtungen.





Last Changed: 08.03.2019