Editorial

Durchmarsch zur Professur

Emmy-Noether-Programm der DFG
von Ralf Schreck, Laborjournal 09/2018


Mehr als sechzig Prozent der „Emmys“ werden bereits während der Förderung oder kurz danach auf eine Professur berufen. Mit dem Förderbescheid in der Hand kann also fast nichts mehr schief laufen. Für alle, die das Emmy-Noether-Programm noch nicht kennen, folgt hier ein detaillierter Einblick.

Das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde Ende der neunziger Jahre unter dem damaligen Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker ins Leben gerufen. Zu einer Zeit, in der Nachwuchs eher mit Familienplanung und nicht mit Forschungsförderung in Verbindung gebracht wurde. Damals wie heute steht die Unterstützung der frühen wissenschaftlichen Unabhängigkeit besonders qualifizierter Wissenschaftler im Mittelpunkt. Mehr als tausend Förderungen wurden bisher ausgesprochen. Allein im Jahr 2017 gab es 59 neue Förderzusagen über durchschnittlich 1,4 Millionen Euro.


Emmy Noether in zeitgenössischer Aufnahme und im Logo des DFG-Programms. Foto: Univ. Göttingen

Summa cum plus Auslandsluft

Mit der Zeit wurden die Förderbedingungen des Emmy-Noether-Programms (ENP) mehrfach angepasst. Die aktuellen Antragsvoraussetzungen sind überschaubar: Herausragende Promotion, eine mindestens zweijährige Postdoc-Phase – am besten im Ausland –, ein paar hochwertige Publikationen in Top-Journalen sowie eine Hochschule oder außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die die ENP-Nachwuchsgruppe bei sich aufnehmen möchte.

Talentierte Nachwuchswissenschaftler sollen folglich zu Beginn ihrer Karriere abgeholt werden. Durch die frühe Selbstständigkeit bei freier Themen- und Ortswahl sowie einer gewissen Planbarkeit von Beruf und Familie über die sechsjährige Laufzeit hebt sich das ENP von anderen Förderprogrammen sowie klassischen Mitarbeiter- oder Assistenzstellen deutlich ab. Dies trägt zur hohen Nachfrage des Programms über alle Fachdisziplinen hinweg bei. Über die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe soll Berufbarkeit auf eine wissenschaftliche Leitungsposition erreicht werden. In den meisten Fällen ist das eine Professur, für die eine Habilitation nicht mehr zwingende Voraussetzung ist.

„Beginn der Karriere“ bedeutet für die DFG, dass die Promotion noch nicht länger als vier Jahre zurückliegt. Soweit die Promotionsurkunde nicht mehr als ein Jahr nach der mündlichen Doktorprüfung ausgestellt worden ist, gilt dabei das Datum der Urkunde. Für approbierte Mediziner und Psychologen gilt eine Frist von sechs Jahren. Pro Kind unter zwölf Jahren erhöht sich die Vier- beziehungsweise Sechs-Jahresfrist um zwei weitere Jahre.

Der Nachweis der Forschungserfahrung im internationalen Kontext erfolgt am besten über einen längeren Auslandsaufenthalt während der Promotion oder der Postdoc-Phase. Möglich ist es aber auch, Forschungskooperationen mit dem Ausland oder die Arbeit in einem internationalen Forschungsumfeld anzuführen. Dies bedeutet, dass das Kriterium „Internationales“ bereits abgehakt werden kann, wenn Sie beispielsweise am EMBL in Heidelberg promoviert oder dort einen Postdoc absolviert haben.

Antragstellungen aus dem Ausland durch Rückkehrer oder durch Ausländer sind möglich und erwünscht. Jedoch muss der Bewerber glaubhaft machen, dass er seine berufliche Karriere nach dem „Emmy“ in Deutschland fortsetzen möchte. ENP-Gruppen können nur an deutschen Einrichtungen angesiedelt sein. Inhaber von befristeten Junior- oder weiteren Qualifizierungsprofessuren der Stufen W1 und W2 sind nur dann antragsberechtigt, wenn sie sich in einer frühen Phase ihrer Karriere befinden.

Mit @lan zur Professur

Selbst wenn Sie alle Voraussetzungen perfekt erfüllen, kommen Sie dennoch nicht umhin, zahlreiche Seiten mit Antragsprosa zu füllen. Das erfolgt seit langem schon nicht mehr auf Papier, sonder über @lan, dem DFG-Portal zur elektronischen Antragsbearbeitung. Die relevanten Dokumente, die sie kennen oder zumindest gelesen haben sollten, sind:

  • die Beschreibung des Vorhabens (DFG-Vordruck Nr. 53.05),
  • das ENP-Merkblatt (DFG-Vordruck Nr. 50.02),
  • die ENP-FAQs
  • und den allgemeinen Leitfaden für DFG-Projektanträge (DFG-Vordruck Nr. 54.01).

Bei aufkommenden Fragen finden Sie sicherlich einen Emmy-Gruppenleiter an Ihrer Institution oder einen auskunftsfreudigen Ansprechpartner bei der DFG (www.dfg.de/foerderung/programme/einzelfoerderung/emmy_noether/).

Beantragt werden kann alles Mögliche, was zur Durchführung des Vorhabens gebraucht wird: Mittel für Personal, Verbrauch, Reisen oder Geräte. Darüber hinaus bietet die DFG weitere Fördermodule an. So können promovierte Mediziner mit Aufgaben in der Patientenversorgung entweder für sich selbst oder für im Projekt arbeitende Mitarbeiter eine Rotationsstelle beantragen, die diese Aufgaben dann bis zu hundert Prozent übernimmt. Eine Deckelung beantragbarer Mittel gibt es wie häufig bei der DFG ausdrücklich nicht. Jedoch werden die Gutachter ab einer gewissen Höhe skeptisch und schauen sich Ihre Begründung für die Ausgaben sehr genau an.

Exzellenz zahlt sich meist aus

Die Mathematikerin Amelie Noether (1882-1935) als Namensgeberin des Programms forschte nach mit Summa cum bewerteter Promotion zunächst acht Jahre „privat“. Auch nach erfolgreicher Habilitation als eine der ersten Frauen Deutschlands fand sie zunächst keine feste Anstellung. Sie lebte von den zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts üblichen, eher geringfügigen Hörergeldern sowie hauptsächlich von finanzieller Unterstützung durch die Familie. Eine Professur blieb ihr ebenso verwehrt, obwohl ihre wissenschaftlichen Arbeiten selbst von Albert Einstein gelobt wurden.

Damit es den zukünftigen ENP-Gruppenleitern nicht ähnlich ergeht, empfiehlt die DFG eine eigene Stelle in der höchsten Entgeltgruppe des für die jeweilige Einrichtung geltenden Tarifvertrags zu beantragen. In den ENP-­FAQs bietet die DFG einige Argumentationshilfen für eine bestmögliche Eingruppierung an. Beim TV-L (Tarifvertrag Öffentlicher Dienst der Länder) ist das ein Arbeitgeber-Jahresbrutto zwischen 70.000 Euro (E15 Stufe 1) und 99.000 Euro (E15 Stufe 6) pro Jahr, wobei der Betrag je nach Vorzeiten im öffentlichen Dienst irgendwo dazwischen liegt. Ob die Verwaltung an der aufnehmenden Einrichtung der gewünschten Eingruppierung folgt, ist oft nicht vorhersehbar und Einzelfallentscheidung.

Relativ neu ist auch der Familienzuschlag. Hier können pro Jahr bis zu 6.000 Euro für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden, wenn Sie auf Meetings oder Forschungsaufenthalten unterwegs sind. Ebenso ist es möglich, die Gruppen­leiterstelle aufgrund von Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen in Teilzeit bis zu fünfzig Prozent bei gleichzeitiger Laufzeitverlängerung des ENP-Projektes wahrzunehmen.

Rigorose Auslese

In der Anfangsphase des ENP wurden in einer Phase I ein zweijähriges Auslandsstipendium und in einer Phase II eine Nachwuchsgruppe für zwei plus zwei Jahre gefördert. Heute können Fördermittel für eine Nachwuchsgruppe auf drei plus drei Jahre beantragt werden. Eine Zwischenevaluierung gegen Ende der ersten dreijährigen Förderperiode entscheidet dabei über die Weiterförderung.

Eingereicht werden kann der ENP-Antrag über das gesamte Jahr. Den Antrag lesen mindestens zwei DFG-Gutachter. Ebenso müssen die Antragsteller das beantragte Projekt vor dem für sie zuständigen Fachkollegium der DFG persönlich vorstellen. Und das ist gut so, da individuelle Karrierewege nicht immer in die Antragsprosa gepackt werden können.

Bis zur Förderentscheidung vergehen in der Regel sechs Monate. Während die Erfolgschancen eines Antrags in der Anfangsphase des Programms auch schon mal über 50 Prozent betrugen, lagen diese in den letzten beiden Jahren nur noch bei knapp unter 19 Prozent quer über alle Fachdisziplinen. Die Zahl der eingereichten Anträge stieg im Laufe der Zeit mehr oder weniger kontinuierlich an und überstieg 2017 zum zweiten Mal die Dreihunderter-Marke.

Doppelförderung verpönt

Die Förderquote im ENP ist geschlechtsunabhängig: Männer und Frauen werden mit gleicher Wahrscheinlichkeit gefördert. Jedoch stellen männliche im Vergleich zu weiblichen Wissenschaftlern doppelt so viele Anträge. Pro Jahr werden zwischen fünfzig und siebzig neue ENP-Gruppen gefördert.

Sind Sie in weiteren Förderprogrammen zur Etablierung einer Nachwuchsgruppe wie etwa den ERC Starting Grants des European Research Councils erfolgreich, so haben Sie unter Umständen ein Problem. Wird die Nachwuchsgruppe zweimal mit demselben Projekt beantragt, so nennt man das Doppelförderung – und die ist strikt verboten. Dem Steuerzahler soll nicht zweimal für ein und dieselbe Sache in die Tasche gegriffen werden.

Ebenso macht es für die meisten Nachwuchswissenschaftler wohl nur wenig Sinn, parallel zwei Nachwuchsgruppen zu unterschiedlichen Themen aufzubauen. Die DFG riet daher lange, Anträge in weiteren Programmen zeitlich versetzt zu stellen und die Förderung konsekutiv mit einer Überlappung von ein bis zwei Jahren zu beanspruchen. So können Sie zum Beispiel einen ERC Starting Grant bis zu sieben Jahre nach der Promotion beantragen, also drei Jahre länger als beim „Emmy“. Jedoch schließen die DFG-Richtlinien eine weitere Förderung durch das ENP aus, sobald die Annahme einer in „Struktur, Zielsetzung oder Umsetzung vergleichbaren Förderung durch eine nationale oder in Deutschland angesiedelte internationale Förderorganisation“ erfolgt.

Home Sweet Home

Besondere Bedeutung hat die strategische Wahl der aufnehmenden Forschungseinrichtung. Forschen Sie mit Zebrafischen und es gibt dort nur Mausställe, stehen Sie zumindest vor einer größeren Herausforderung. Sind Sie ein Strukturbiologe und brauchen für ihre Forschung ein 15 Millionen Euro teures Kryo-Elektronenmikroskop, so sollten Sie eine Einrichtung suchen, die ein solches bereits hat. Haben Sie dort Kollegen, mit denen Sie sich fachlich austauschen können? Gibt es vielleicht sogar einen Sonderforschungsbereich, an den Sie sich und die ENP-Nachwuchsgruppe andocken können?

Keinesfalls sollten Sie jedoch laut den Leitlinien der DFG an die Stätte ihrer Promotion zurückkehren. Falls Sie sich bei Antragstellung im ENP noch nicht entschieden haben, wo sie ihre Karriere fortsetzen möchten, können auch mehrere Einrichtungen angegeben werden. Dann brauchen Sie im Antrag aber auch für jeden Standort sowohl eine Begründung für dessen Auswahl als auch eine Erklärung des potentiellen Arbeitgebers. Zwei Monate nach der Bewilligung muss Ihre Entscheidung für den Standort dann gefallen sein, und der Dienstantritt sollte spätestens sechs Monate nach Bescheid erfolgen.

Die Arbeitgebererklärung kann in Form eines Vertrags zwischen dem ENP-Gruppenleiter und der aufnehmenden Einrichtung erfolgen. Hier hält die DFG einen Mustervertrag vor (DFG-Formular 53.12). Die aufnehmende Einrichtung bestätigt hierin die zeitlich befristete Anstellung des Gruppenleiters über die gesamte Projektlaufzeit als auch die Bereitstellung der erforderlichen Grundausstattung wie Labor- und Büroräume. Ebenso obligatorisch sind die Erklärungen, dass sich die Einrichtung nicht in das Projekt einmischt und dass der Gruppenleiter sich zu hundert Prozent dem ENP-Projekt widmen kann. Fakultativ hingegen ist die Gewährung von Lehrverpflichtungen im Umfang von maximal zwei Semesterwochenstunden auf Wunsch des Gruppenleiters sowie die Einräumung der Möglichkeit, Doktoranden durch den Gruppenleiter zur Promotion zu führen.

Heutzutage sonnen sich viele Einrichtungen im Glanz des ENP. Emmy-Noether-Gruppen werden zusammen mit eingeworbenen DFG-Graduiertenkollegs oder International Training Networks sowie ERC Starting Grants aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 als Indizien für erfolgreiche Nachwuchsarbeit der Hochschule oder Forschungseinrichtung vermarktet. Die vergleichsweise hohe aktuelle Akzeptanz der ENP-Gruppen war in der Anfangszeit des Programms jedoch nicht immer gegeben. Gerade für eher traditionell verankerte Universitäten war die Einrichtung von ENP-Gruppen zumindest eine große Herausforderung. So kritisierten die Skeptiker, dass mit ihnen die altbewährte Habilitation unterlaufen, limitierte Ressourcen mittelfristig gebunden und nur geringe Beiträge zu Lehre sowie akademischer Selbstverwaltung geleistet würden.

Das Programm als Studienobjekt

Mit der Annahme einer Förderung im ENP verpflichten Sie sich, Änderungen von Anschrift und Karrierestatus bis zu fünf Jahre nach Förderende oder erfolgter Berufung bei der DFG zu melden. Aufgrund der rund zwanzigjährigen Laufzeit des Programms und einer doch recht hohen Anzahl an Geförderten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und mit diversen Hintergründen ist das ENP eine beliebte Spielwiese für die empirische Forschung.

Ein Beispiel ist die DFG-Studie „Forschungsförderung und Karrierewege“ von 2016. Ziel war es, fünf unterschiedliche DFG-Programme zur Förderung der wissenschaftlichen Karriere zu vergleichen: Forschungsstipendium, Eigene Stelle, Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe, Heisenberg-Stipendium und Heisenberg-Professur. Grundlage war eine Kohorte aus 1.133 Wissenschaftlern, deren Anträge in den jeweiligen Programmen 2007/2008 bewilligt oder abgelehnt worden waren. Die knapp hundertseitige Studie enthält zahlreiche interessante Fakten und Schlussfolgerungen. So zeigte sie, dass das ENP dem Brain Drain entgegenwirkt: 22 Prozent der abgelehnten Antragsteller gingen früher oder später ins Ausland. Bei geförderten Antragstellern betrug dieser Anteil hingegen nur 12 Prozent. Entsprechend dem Exzellenzgedanken des ENP promovierten ENP-Antragsteller durchschnittlich bereits mit 29,7 Jahren und erhielten die ENP-Förderzusage mit 33,7 Jahren.

63 Prozent der Geförderten aus der Kohorte hatten 2015 bereits eine Professur inne. Während der DFG-Förderung erhielten bereits 45 Prozent der „Emmys“ eine Professur oder vergleichbare Positionen. Wurden ältere Kohorten berücksichtigt, so liegt der Anteil sogar bei über 80 Prozent. Knapp 40 Prozent der geförderten Wissenschaftler im ENP verfolgten dennoch eine Habilitation, wobei der Anteil der habilitierten Wissenschaftler in den Geistes- und Sozialwissenschaften nicht unerwartet etwa zwei Drittel betrug. Und das Gute bei einer Berufung auf eine Professur während der „Emmy“-Phase ist, dass die DFG den Geldhahn nicht umgehend zudreht. Die bereits zugesagten ENP-Fördermittel werden um die Personalmittel des Gruppenleiters gekürzt und können in den folgenden Jahren verausgabt werden.

Happy Family

Seit 2002 trifft sich die Emmy-Noether-Gemeinde alljährlich in Potsdam. 150 Teilnehmer, darunter aktuelle ENP-Gruppenleiter und Alumni sowie Mitglieder der DFG-Geschäftsstelle und weiterer Förderorganisationen, nutzten Mitte Juli das 17. Emmy-Noether-Treffen zum Austausch und zur Vernetzung. Ein Speed Dating zu Beginn diente dem schnellen Kennenlernen der Teilnehmer. In teilweise von den Teilnehmern selbst organisierten Workshops wurden unterschiedliche Aspekte einer wissenschaftlichen Karriere beleuchtet. Aber auch aktuelle Themen vom Digitalen Wandel bis hin zur Wissenschaftskommunikation wurden adressiert. Für die DFG sind diese Treffen eine gute Gelegenheit, Feed­back zum ENP zu erhalten, um auch in der Zukunft an den richtigen Stellschrauben zur Weiterentwicklung des Programms zu drehen. Zusätzlich besteht eine geschlossene LinkedIn-Gruppe zum Austausch (https://www.linkedin.com/groups/8241793/profile).

Bleibt als Fazit: Wer realistische Chancen auf eine Bewilligung hat, kann mit dem ENP eigentlich nicht viel falsch machen.

(Lesen Sie zu diesem Thema auch aktuell unser Gespräch mit dem ehemaligen ENP-Gruppenleiter Krishna Rajalingam auf Laborjournal online.)





Foto: Robert-Koch-Stiftung

„Wir erhofften uns eine Alternative zur Habilitation“

Drei Fragen an Emmy Noether-Initiator Ernst-Ludwig Winnacker.

Laborjournal: Wie kam es vor rund zwanzig Jahren zur Etablierung des Emmy-­Noether-Programms, eines der ersten Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses?

Winnacker » Die ersten acht Nachwuchsgruppen hatten wir schon 1984 im Zusammenhang mit der Gründung des Genzentrums München auf den Weg gebracht. Das Konzept hatte sich dermaßen gut bewährt, dass ich es dann gleich nach meinem Amtsantritt als DFG-Präsident den Gremien der DFG vorgeschlagen habe. Später wurde dieses Förderinstrument von mir auf die Brüsseler Ebene gehoben – mit den Starting Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC). Der Name der großen Mathematikerin Emmy Noether, den das neue Förderinstrument schließlich erhielt, geht auf den Vorschlag eines damaligen Abteilungsleiters der DFG zurück, Bruno Zimmermann.

Was hat Sie an der gesamten Entwicklung des Emmy-Noether-Programms am meisten verblüfft?

Winnacker » Der Widerstand im System gegen dieses neue Förderprogramm, der damals allenthalben bemerkbar wurde. Inzwischen hat sich das Instrument jedoch durchgesetzt und bewährt. Im Ansehen wird es nur von den ERC Starting Grants übertroffen. Wir hatten uns seinerzeit auch erhofft, dass es sich zu einer Alternative zur Habilitation entwickelt. Das ist zum Teil geschehen. In Deutschland wird aber dennoch weiterhin habilitiert.

Das Emmy-Noether-Programm ist zweifelsohne eine Erfolgsgeschichte. Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Winnacker » Zwei Punkte: Ich denke, man muss immer wieder die Laufzeit überprüfen. Derzeit liegt sie pauschal bei sechs Jahren. In manchen Fächern reicht das, in anderen nicht. Darüber hinaus finde ich es schade, dass das Emmy-Noether-Programm nicht ganz das Ansehen der ERC Starting Grants erfährt und dadurch im Vergleich auch weniger häufig zu Tenure-Track-Positionen führt. Daran müsste gearbeitet werden.

Ernst-Ludwig Winnacker ist ein mit zahlreichen Preisen und Würdigungen ausgezeichneter Chemiker und Wissenschaftsmanager. Er forscht heute am Genzentrum München, das er nach dessen Gründung im Jahr 1984 bis 1997 leitete. Winnacker war unter anderem Generalsekretär des Human Frontier Science Program (2009-15) und des Europäischen Forschungsrates (2007-09) sowie Vizepräsident (1987-93) und Präsident der DFG (1998-2006). In seiner DFG-Amtszeit wurden die Exzellenzinitiative (2005) und das Emmy-Noether-Programm (1998) ins Leben gerufen.





Foto: DKFZ

„Wirklich bahnbrechend“

Frank Lyko, Emmy-Noether-Stipendiat der ersten Stunde, erinnert sich.

Laborjournal: Wie hörten Sie vom damals erstmalig ausgeschriebenen Emmy-Noether-Programm (ENP)?

Lyko » Ich glaube, im Internet. Ich wurde damals bereits durch ein Postdoc-Stipendium der DFG gefördert und war somit mit den Fördermodalitäten der DFG vertraut.

Ein neues Förderprogramm hat oft gewisse Anlaufschwierigkeiten. Wie haben Sie das damals wahrgenommen?

Lyko » Das verlief eigentlich alles recht reibungslos. Einziger Wermutstropfen war die damals noch recht abrupte und unflexible Umstellung von Phase I (Postdoc) auf Phase II (Nachwuchsgruppe), was dazu führte, dass ich meinen Postdoc im Labor von Rudolf Jaenisch in Boston abrupt beenden musste. Das wurde aber inzwischen angepasst.

Gelang ein nahtloser Übergang zwischen Stipendium und Nachwuchsgruppenphase?

Lyko » Vom Organisatorischen her war das kein Problem. Es gab natürlich einen kleinen Kulturschock, den aber vermutlich jeder Nachwuchsgruppenleiter durchmacht. Das hat eher damit zu tun, dass man sich erstmalig auch um administrative Aspekte seiner Forschung kümmern muss.

Wie wurden Sie 2001 in Heidelberg aufgenommen?

Lyko » Am DKFZ wurde ich mit offenen Armen aufgenommen. Es gab Hilfe von vielen Seiten und eine Vielzahl von Kooperationsmöglichkeiten. Die Fakultät für Biowissenschaften hat allerdings deutlich zurückhaltender reagiert. Hier wollte man mir beispielsweise nicht das Recht zur Doktorandenbetreuung einräumen. Aber auch das hat sich in den letzten Jahren geändert. Es kann gut sein, dass das ENP hier die Rolle des Eisbrechers spielte.

Welchen Einfluss hatte das Emmy-Noether-Programm auf Ihre Karriere?

Lyko » Das Programm war für mich von herausragender Bedeutung. Es verleiht wissenschaftliche Unabhängigkeit, Sichtbarkeit und finanzielle Planungssicherheit. Das sind Kernbausteine für gute wissenschaftliche Arbeit und eine erfolgreiche Karriere.

Verfolgen Sie die Weiterentwicklung des ENP?

Lyko » Ehrlich gesagt, verfolge ich das nur noch peripher. Es gibt ja inzwischen auch viele ähnliche Programme. Aber das Emmy-Noether Programm war damals in Bezug auf die Nachwuchsförderung in Deutschland wirklich bahnbrechend, und das sollte auch entsprechend gewürdigt werden.

Ihr Tipp für Nachwuchswissenschaftler?

Lyko » Mut zum Risiko, Beharrungsvermögen bei den eigenen Ideen und viel Offenheit für Kooperationen.

Frank Lyko leitet seit 2004 die Abteilung „Epigenetik“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und ist Professor für Epigenetik an der Universität Heidelberg. Die Förderung durch das Emmy-­Noether-Programm der DFG (1999-2004) hatte einen maßgeblichen Einfluss auf seine Karriere.





Last Changed: 07.09.2018