Lab Cooking: Überbackener Ziegenkäse mit Fenchel-Orangen-Salat

Kai Herfort


Editorial
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Ziegenkäse aus dem Ofen: Nur der reife Teil verliert die Form. Fotos: Helga Lorenz und Kai Herfort

Sie mögen keinen Fenchel? Er schmeckt Ihnen zu sehr nach Anis oder Lakritz? Vielleicht fehlt dem Fenchel ja nur der richtige Partner. Wir machen es mal so wie die Jugendlichen mit dem Alkohol: etwas fruchtig-süßes dazu, dann schmeckt sogar der übelste Fusel. Und wir Erwachsenen entdecken vielleicht, dass der rohe Fenchel mild und knackig ist – und dass er die Orange wirklich lieb hat.

Editorial
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Fenchel schneiden

Bei überbackenem Käse denken wir meist an Raclette oder Käsefondue oder an zu gut gemeinte Nudelaufläufe damals in der Studenten-WG. Einmal verspeist, hatte man ein ganzes Semester lang ein gewisses Völlegefühl.

Das passiert Ihnen mit frischem Ziegenkäse nicht. Der hat wenig Fett und im erhitzten Zustand eher die Konsistenz eines Quark­auflaufs. Er bleibt also locker.

Locker bleiben sollten Sie auch beim Einkauf des Käses. Ideal wären Scheiben mit etwa einem Zentimeter Stärke. Die Bedienung an der Käsetheke hat aber schon für den ganzen Tag die Ziegenrolle vorgeschnitten und am liebsten verkauft sie Ihnen fünf Zentimeter am Stück. Zudem muss auch der Käseschneider erst gewaschen werden. Da braucht es oft Verhandlungsgeschick und viel Geduld, um an seine Zentimeter-Scheiben zu kommen. Anständig schneiden kann man das nämlich nur mit einem Käsedraht und wer hat sowas schon zu Hause? Ein Küchenmesser kann noch so scharf sein, der Käse pappt an der Klinge fest und wird zerdrückt. Zerdrückter Käse schmeckt zwar genauso gut wie heiler, aber wie sieht denn das aus!

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Orange schälen

Wenn man dann die Scheiben eines angereiften Ziegenfrischkäses – gemeinhin auch Ziegenrolle genannt – gegen den Widerstand des Käseverkaufspersonals erworben hat, kann es eigentlich losgehen. Etwas knifflig ist noch die Anzahl. Eine Scheibe reicht für den kleinen bis mittleren Hunger. Gute Esser sollten einfach die doppelte Menge einkalkulieren. Das schafft man, ohne hinterher nicht mehr papp sagen zu können. Man könnte auch eine ZweiZentimeter-Scheibe nehmen. Vielleicht tauscht sie Ihnen der Verkäufer ja gegen die Ein-Zentimeter-Scheiben um.

Einkaufsliste
für 2 Personen

» Ziegenkäse:2-4 Scheiben
» Orange:1
» Fenchel:1
» Apfel:1
» Süßkartoffel:1 große Handvoll
» Walnusshälften:4-8

Außerdem:Erhitzbares Öl oder Butter, Olivenöl, italienischer Weißweinessig, Honig, Salz, Chiliflocken.

Material:» Apfelentkerner
» Kochmesser
» Sparschäler
» 1 Herdplatte
» Salatschüssel
» Pfannenwender
» Küchenmesser
» 1 Pfanne
» Backofen mit Blech
» Backpapier
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Orangenfilets herausschneiden

»Den Backofen auf 200°C stellen. Ober/Unterhitze

»Den Fenchel putzen, den Strunk entfernen.

»Den Fenchel schneiden. Benutzen Sie hierfür ein scharfes Kochmesser. Je dünner Sie es hinbekommen, desto besser.

»Die Orange filetieren. Die Orange so schälen, dass die äußere Haut der Segmente ebenfalls mit abgeschält wird. Anschließend mit einem scharfen Küchenmesser die Fruchtfleisch-Segmente ohne deren Haut herausschneiden und anschließend in circa zwei Zentimeter große Stücke zerlegen. Man kann die Segmente der Orange auch einfach klassisch herauspulen und in Stücke schneiden. Dann isst man halt die Haut mit. Das geht auch.

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Apfel entkernen

»Salat mischen und anmachen. Die Orangenstücke zum Fenchel geben, einen halben Teelöffel Salz dazu sowie einen Esslöffel Olivenöl und zwei Esslöffel Weißweinessig. Alles gut mischen und beiseitestellen.

»Den Apfel entkernen und schälen. Das Entkernen des Apfels geht mit dem Apfelentkerner am besten. Wenn Sie keinen haben, schneiden Sie einfach später die Mitte aus den Apfelscheiben heraus.

»Apfel in Scheiben schneiden. Schneiden Sie vier etwa einen halben Zentimeter dicke Scheiben.

»Süßkartoffel schälen und Scheiben schneiden. Schneiden Sie vier etwa einen halben Zentimeter dicke Scheiben.

»Süßkartoffel und Apfel braten: Erhitzen Sie Öl oder Butter in einer Pfanne. Zunächst die Süßkartoffelscheiben dazugeben und salzen. Die brauchen etwa drei Minuten auf jeder Seite. Nicht schwarz werden lassen, rechtzeitig die Hitze runterfahren. Der Apfel braucht nur eine Minute auf jeder Seite. Die Apfelscheiben können Sie also nach etwa vier Minuten dazugeben. Der Apfel sollte nicht matschig werden, also wirklich nur ganz kurz.

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Apfel- und Süßkartoffelscheiben braten

»Zum Schluss: Ein Backblech mit Backpapier belegen. Dann Türmchen bauen: Eine Scheibe Süßkartoffel, eine Scheibe Apfel, eine Scheibe Süßkartoffel, eine Scheibe Apfel. Eine Scheibe Käse drauf und darauf wiederum die Walnüsse. Mit Chiliflocken bestreuen, mit etwas Honig beträufeln. Ab in den Ofen, auf eine der oberen Schienen. Mindestens fünf Minuten, maximal zehn. Das hängt vom Abstand des Blechs zur Ofenheizung ab. Am besten immer mal draufgucken. Der Käse verläuft nicht wirklich. Braun oder Schwarz werden sollte nichts. Senkt sich der Rand ein bisschen, ist es soweit.

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Türmchen bauen
Alles Käse

Es gibt ebenso viele Methoden der Käseherstellung, wie es Käsesorten gibt. Aber drei Stufen machen die meisten Käsesorten durch: Säuerung/Gerinnung, Entwässerung und Reifung.

Mit dem Startschuss fallen Milchsäurebakterien über die Laktose her und produzieren Milchsäure. Dann, manchmal auch parallel, folgt die Gerinnung des Milcheiweißes Kasein.

Kasein – eigentlich eine Proteinfamilie mit drei Hauptmitgliedern α-, β-, und κ-Kasein – macht etwa 80 Prozent des Milcheiweißes aus. Es bildet in der Milch Mizellen. Diese kann man sich als schwimmende Kugeln von einigen tausend Proteinmolekülen vorstellen, die mit ihrem hydrophilen äußeren Teil die hydrophoben Anteile im Inneren abschotten und sich so in Lösung halten. Im Inneren stabilisiert das wasserunlösliche Calciumphosphat die Mizellen. Aber der Chef-Organisator einer Mizelle ist das κ-Kasein. Es vernetzt die anderen Kaseinmoleküle miteinander und verhindert, dass sich zu große Mizellen bilden und so die Löslichkeit abnimmt.

Wenn man den Chef tötet, fällt der ganze Haufen zusammen. Das ist schon seit Urzeiten eine beliebte Kriegstaktik und genauso geht man auch bei der Käseherstellung zu Werke. Das eingesetzte Enzym – meist Chymosin – spaltet den Teil des κ-Kaseins ab, der den Zusammenschluss mit anderen Mizellen verhindert. Jetzt verbinden sich die Mizellen ungebremst miteinander, und es entsteht eine gleichmäßige Gallerte: der Käsebruch. Von diesem muss noch der Molkeanteil abgeschieden werden, um den Käse zu verfestigen. Dann beginnt die Reifung: Enzyme aus der Milch, Enzyme aus den Bakterien, die schon von vorneherein in der Milch herumschwammen, und Enzyme von zugesetzten Milchsäurebakterien arbeiten sich dann an den vorhandenen Proteinen und Fetten ab.

Chymosin
Das Kalb, aus dessen Abomasus (Labmagen) das Chymosin zur Käseherstellung gewonnen wird, darf nicht älter als 30 Tage

sein. Nach 30 Tagen wird das Chymosin durch andere proteinaufschließende Enzyme ersetzt. Aber nur Chymosin greift ausschließlich das negativ geladene к-Kasein an. Deshalb ist es so wichtig für die Käseherstellung. Seit den 90er Jahren wird Chymosin auch gentechnisch hergestellt. Das spart Kälber.

Käse schmelzen

Jetzt haben wir mühsam Käse hergestellt, die Milch umgewandelt und ihr eine feste Form gegeben – und schon gehen wir hin und machen alles bei 200°C im Ofen wieder kaputt. Bereits bei 32°C schmilzt das Milchfett, bei 55°C (Weichkäse) bis 82°C (Parmesan) kollabiert die Protein-Matrix. Das Käsestück fällt in sich zusammen.

Ziegenfrischkäse nicht. Der wird nämlich nicht mit Lab sondern mit Säure behandelt. Die Säure löst das Calcium aus den Mizellen heraus und eliminiert deren negative Ladung. Die Mizellen stoßen sich nicht mehr ab, sie zerfallen und es bilden sich ungeordnete Proteinhaufen. Erhitzt man den Käse, verdampft das Wasser und die Proteine werden konzentriert – das Ganze wird eher getrocknet als geschmolzen.



Letzte Änderungen: 06.02.2019