Lab Cooking: Spargel braten

Kai Herfort


Editorial
2018_05a
Spargel mal anders: mit Parmesan und Walnusshälften – schnell zubereitet und lecker! Fotos: Helga Lorenz und Kai Herfort

Der Frühling hat sich breit gemacht. Sein erster kulinarischer Bote ist der Spargel. Wir legen also Weiß-, Grün-, Rot- und Rosenkohl zur Seite und stürzen uns auf das begehrte Stangengewächs. Der erste grüne Spargel kommt meist aus Griechenland oder Marokko. Aber kaum ein anderes Gemüse verliert beim Lagern so schnell so viel Geschmack. Da lohnt es sich zu warten, bis die einheimische Ware auf den Markt kommt. Die Schnittfläche ist noch nicht vertrocknet, die Stangen sind noch fest und grün. So ist er frisch, so soll er sein.

Weißer Spargel ist im Geschmack etwas intensiver und süßer als der grüne. Dafür schreit er stets nach Sauce Hollandaise und Kartoffeln. Andere Kombinationen findet er eher selten wirklich akzeptabel. Später im Jahr verliebt er sich noch in die Erdbeere. Aber sonst?

Vor allem macht er Arbeit. Man muss ihn schälen, und er braucht Zeit zum Kochen.

Editorial
Den können Sie knicken

Deshalb nehmen wir hier lieber den grünen Spargel. Den muss man nicht schälen, dafür aber knicken. Denn das hintere Ende des Grünlings ist oft faserig. Wir nehmen also sein hinteres Ende in die eine, den Rest etwa in der Mitte in die andere Hand – und brechen die Stange. Den hinteren Teil können Sie wegwerfen, er lohnt keine weitere Mühe. Erstaunlicherweise bricht immer genau nur das weg, was man sowieso nicht brauchen kann. Ein prima Trick.

Noch ein Trick: Nicht kochen, sondern kurz anbraten und dann dünsten! Das geht schnell, das Aroma bleibt intensiver und man kann – wenn man will Röstaromen erzeugen.

Schon die alten Römer liebten den Spargel und so verwundert es nicht, dass dieser heute außer auf der Pizza Asparagi auch auf so mancher Pasta durch die Italienische Küche reitet. Und genau da holen wir ihn ab und geben ihm noch ein paar Weggefährten mit: zur Süße der Nudel die Säure der Tomate, dazu den Knusper der Walnuss, die Wärme des Parmesankäses und die milde Schärfe des frischen Pfeffers. Das alles kommt in den Landesfarben Italiens spargelgrün, nudelweiß und tomatenrot auf den Tisch.

Begehen Sie doch dieses Jahr den Italienischen Nationalfeiertag einmal mit diesem Gericht, statt immer nur mit Basilikum, Mozarella, Tomate (BaMoTo). Wie Sie natürlich wissen, feiern die Italiener am 2. Juni den Tag der Gründung der Republik im Jahr 1946.

Einkaufsliste
für 2 Personen

» Grüner Spargel:1 Pfund
» Walnusshälften:8-10 Stück
» Parmesankäse:ca. 50 g
» Tomaten:1-2
» Knoblauch:2 Zehen
» Penne Rigate:ca. 250 g

Außerdem:Salz, frischer Pfeffer, Olivenöl

Material:» 1 Teelöffel
» 1 Esslöffel
» 1 Nudeltopf
» 1 Nudelsieb
» 1 große Pfanne mit Deckel
» 1 Käsereibe
» 1 Herdplatte
» 1 scharfes Küchenmesser
2018_05b
Spargel brechen
2018_05c
Spargel schneiden
2018_05d
Spargel braten
2018_05e
In der Pfanne mischen
Los geht's

» In 3 Liter Wasser 3 Esslöffel Salz geben, dann die Penne darin kochen, abgießen und beiseitestellen. Wenn Sie‘s gerne al dente haben, nehmen Sie die Nudeln schon dann aus dem Wasser, wenn Sie sie normalerweise noch ein bis zwei Minuten drin lassen würden. Sie quellen noch nach und werden erst in 15 Minuten weiterverarbeitet.

Dies allerdings nur, wenn Sie bloß eine Herdplatte haben. Haben Sie mehr Platten zur Verfügung, können Sie schon während des Nudelkochens weitermachen:

» Den Spargel waschen, brechen und in 3 bis 4 Zentimeter lange Stücke schneiden, die Spitzenstücke beiseitelegen.

» Knoblauch in dünne Scheiben schneiden.

» 3 Esslöffel Öl in einer Pfanne erhitzen und einen Teelöffel Salz darüber streuen, dann die hinteren Spargelstücke dazugeben, verteilen und nach Belieben anrösten. Nach drei Minuten auch die Spitzen und den Knoblauch dazugeben. Dann Deckel drauf und bei kleinerer Flamme weitergaren. Sie können den Deckel auch weglassen, dann dauert es zwar länger, aber es entstehen mehr Röstaromen.

» Immer wieder die Konsistenz des Spargels testen. Er darf noch einen kleinen Biss haben. Tomaten klein schneiden, dazugeben und gleich anschließend die Nudeln.

» Mindestens 3 Esslöffel gutes Olivenöl dazugeben und das Ganze mehrfach umrühren. Danach mit dem Deckel alles noch einmal kurz erhitzen, damit die Nudeln wieder warm werden. Nicht zu lange, sonst werden die Tomaten matschig.

» Mit Salz abschmecken.

» Das Ganze auf die Teller geben, Walnussstückchen darüber verteilen, frischen schwarzen Pfeffer aus der Mühle dazu und den Käse darüber hobeln.


Stinkt?

Bei manchen Menschen stinkt der Urin nach dem Genuss von Spargel recht heftig. Asparagusinsäure heißt der Bösewicht. Der spaltet sich gerne mal in S-Methyl-thioacrylat oder S-Methyl-3-(methylthio)thioproponiat. Das sind stinkende Schwefelheimer!

Das passiert aber genetisch bedingt nur bei etwa 40 Prozent der Menschen. Und nicht alle Zeitgenossen können deren Spargelurin auch tatsächlich riechen. Menschen mit spezifischer Anosomie aufgrund einer Mutation im Gen eines Geruchsrezeptors bleiben in der Spargelsaison von derartigen Geruchsbelästigungen verschont.


Wie weich werden?

Um die Frage zu beantworten, wie Gemüse beim Erhitzen weich wird, sollten wir erst einmal wissen, warum Gemüse überhaupt knackig ist.

Pflanzenzellen haben im Gegensatz zu Tierzellen eine Zellwand. Sie umgibt die Plasmamembran. Drei Gruppen von Molekülen bestimmen die Festigkeit und die Klebrigkeit der Zellwände: Cellulose, Hemicellulosen und Pektine.

Vereinfacht gesagt, bildet die Cellulose das langfaserige Gewebe der Zellwand, die Hemicellulosen verbinden diese Fasern untereinander und erhöhen so die Festigkeit. Pektine schließlich – Gele aus verzweigten Ketten der Galacturonsäure – verkleben das Ganze miteinander. Das ist zwar recht stabil, aber immer noch leicht verformbar. Knackig wird die ganze Sache erst durch den Turgor der Vakuole. Der drückt die Zelle gegen den Zellwand-Sack und presst damit die Zelle gegen ihre Nachbarn. Dadurch entsteht Knackigkeit.

Beim Erhitzen passiert nun folgendes: Schon bei 60°C verlieren die Zellen Wasser, weil die Zellmembran langsam aufgibt. Der Druck gegen die Zellwand lässt dadurch nach. Das Gemüse wird weicher – ist aber immer noch quietschig und nicht gut zu kauen, weil die Zellwände noch nicht angegriffen sind. Geht es mit der Temperatur weiter hoch, zerfallen Hemicellulose und Pektin in kleinere Ketten.

Wenn Sie gerne Gemüsepüree haben wollen, kochen Sie an dieser Stelle weiter. Dann lösen sich nämlich die Pektin- Hemicellulose-Verbindungen vollständig auf. Also rechtzeitig raus mit dem Gemüse.

2018_05f
Kleiner Unterschied, riesige Wirkung. Oben Stärke, bereitwilliger Lieferant von Energie. Unten Cellulose. Rafft 15.000-20.000 Zuckermoleküle in einer Kette zusammen und rückt sie nicht mehr raus.

Kochen Sie in reinem Wasser, wird das Milieu in dessen Verlauf durch den Vakuoleninhalt leicht sauer. Das verlangsamt die Auflösung der Hemicellulosen. Das Kochen dauert also länger. Es erklärt auch, warum in Tomatensauce gekochtes Gemüse länger knackig bleibt. Die Natrium-Ionen des Kochsalzes wiederum ersetzen offenbar Querverbindungs-bildende Calcium-Ionen innerhalb der Zellwände. Das destabilisiert – und beschleunigt das Garen etwas. Hartes, also calciumhaltiges Wasser bewirkt das Gegenteil.

Und was wird aus der Cellulose? Die bleibt, wie sie ist, und heißt ab jetzt Ballaststoff. Es sei denn, Sie sind eine Weinbergschnecke oder eine Termite. Das sind so ziemlich die einzigen Tiere, die Cellulose selbstständig verdauen können. Die großen Cellulosefresser, wie etwa Kühe, benötigen zur Celluloseaufspaltung einen Pansen und die Gesellschaft von circa 200 anaeroben Bakterienarten. Wobei viele davon vor allem damit beschäftigt sind, das anaerobe Milieu im Pansen zu erhalten.

Und wenn ich das Gemüse brate? Dann geht das Ganze schneller. Die Temperatur liegt je nach Öl zwischen 160 und 190°C. Außen entsteht im Zusammenspiel mit dem Öl ein komplexerer Geschmack – und die Aromen wandern nicht ins Kochwasser. Die Oberfläche wird durch das Öl getrocknet, es bilden sich Röstaromen. Deren Menge kann man ganz gut mit dem Deckel auf der Pfanne regulieren. Mit Deckel bildet sich eine Wasser­dampf­atmo­sphäre, die Temperatur bleibt nahe 100°C. Ohne Deckel verdampft das Wasser – und die Oberfläche des Spargels wird heißer als 100°C.



Letzte Änderungen: 13.11.2018