Buchbesprechung

Sigrid März

Editorial

Eberhard Gabler:
Praxisführer Vogelschutz
Verlag: BLV, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH; 1. Edition (2. September 2019)
Sprache: Deutsch, 128 Seiten
ISBN-10 : 383541917X
ISBN-13 : 978-3835419179
Preis: 15 Euro (Softcover)

Editorial
Ein Stückchen Vogelhimmel

(08.03.2021) Aus jeder Zeile trieft Liebe und Leidenschaft zur und für die grüne Natur – unverzichtbare Basis für alles, was dort kreucht und fleucht. Trotz seines grässlichen Titels ist das Buch ein Schatz für all jene, die der heimischen Vogelwelt unter die Flügel greifen möchten.

Ornithologen wissen es schon lange, Birder sowieso: Vögel beobachten macht zufrieden. Inzwischen hat sich auch die Psychologie dieses Phänomen angeschaut und kommt zum gleichen Ergebnis. Senioren in Pflegeheimen beobachten Piepmätze zur aktiven Gesundheitsprävention, Vogelvielfalt in direkter Umgebung beglückt ähnlich wie eine Lohnerhöhung. Gut, vielleicht müssten wir an dieser Stelle noch über Studiendesign und statistische Größen sprechen, über Korrelation und Kausalität. Aber, ganz ehrlich – wer braucht schon Studien und Statistiken, wenn er Vögel vor der Haustür hat?

Damit genau das gelingen kann, hat sich Eberhard Gabler hingesetzt und ein Buch geschrieben. Der Titel „Praxisführer Vogelschutz“ wird diesem Werk nicht gerecht, nicht im geringsten. Denn er klingt nach „noch ein Vogelbuch“ und „noch ein Praxisführer“, sachlich dröge eben. Deswegen war die Rezensentin auch minder-begeistert, als die Redakteurin schrieb: „Schau dir doch mal dieses Buch an.“

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Foto: Pixabay/fietzfotos

Aber ganz offensichtlich wollte Eberhard Gabler nicht „noch ein Vogelbuch“ schreiben. Nur um das klarzustellen – natürlich geht es um Vögel. Es fallen deshalb auch Begriffe wie Höhlen- oder Halbhöhlenbrüter, jeweils erklärt und mit repräsentativen Gartenvogelarten versehen. Es finden sich dort Artenporträts, etwa vom „stimmgewaltigen Vogelzwerg“, dem Zaunkönig (Seite 38), oder Brutdaten von Hecken- und Baumbrütern wie Mönchsgrasmücke oder Stieglitz; es geht um „ringelnde“ Buntspechte und Spechtschmieden sowie um „weitere liebenswerte Mitbewohner im Garten“ (Seite 62), beispielsweise Fledermaus oder Siebenschläfer.

Kein gewöhnliches Sachbuch

Aber allein das „liebenswert“ in der Kapitel-Überschrift verrät, dass dieses Sachbuch alles andere als sachlich ist. „Der vorliegende ‚Praxisführer Vogelschutz‘ möchte Lust auf Natur wecken und dafür werben, mehr ökologisch wertvolle Nischen in der Landschaft, vor allem in den Siedlungen, zu schaffen und zu erhalten“, konkretisiert der Autor direkt zu Beginn sein Anliegen (Seite 7). Dabei ist das Werben stellenweise mehr ein Appell, vielleicht sogar flehendes Bitten: Begreift es doch endlich! Vogelschutz ist mehr, als kunststoffummantelte Meisenknödel in die lebensfeindliche Lebensbaum-Hecke zu hängen. Raus mit dem ganzen Zeugs, rein mit heimischen Gehölzen wie Holunder oder Kornelkirsche. Denn sie bieten Sitzwarte, Nistplatz und Nahrung in einem. Aufgeräumte Gärten sind ein Graus. Mut zum Chaos muss das Motto lauten! In für Katzen undurchdringlichen Brombeerdickichten nisten Zaunkönige, in Totholzstapeln finden sie Krabbeltiere für ihre Jungen.

Apropos Fütterung: Futterstellen ja, aber richtig. Gern auch sommers. Körner sind schön und gut, aber Weichfresser wie Meisen oder Rotkehlchen stehen nunmal auf Insekten. Dementsprechend müssen auch Futterstellen ausgestattet sein. Hier gibt der passionierte Vogelschützer praktische Tipps, sodass das Buch zumindest das Prädikat „Praxisführer“ durchaus verdient. Noch ‘ne Vogeltränke und ‘nen ordentliches Sandbad – fertig ist der Vogelhimmel. Für Laborjünger gibt es im Buch sogar ein Kapitelchen im Protokoll-Gewand. Mit „Vogelschutz im Jahresverlauf“ (Seite102) wird der Vogellaie Schritt für Schritt herangeführt, was er wann und wie zu tun hat, damit es „seinen“ Vögeln gut geht. Bauanleitungen für Spezial-Nistkästen und Luxus-Futterhäuser runden den How-To-Teil ab.

Kann man da noch ruhigen Gewissens Kirschlorbeer pflanzen, oder exotische Gewächse, die man mit Unmengen an Dünger und Insektiziden am Leben erhalten muss? Wohl kaum. „In vielen Gartenhütten füllt deshalb eine bunte Sammlung verschiedener Spritz- und Stäubemittel gegen fressende und saugende ‚Schädlinge‘ die Regale, und stellenweise ist der wundersame Duft blühender Rosen mit jenem bedrohlichen Geruch tödlicher Chemie angereichert“, mahnt der ausgebildete Gärtner Gabler (Seite 12). Und so ist „Praxisführer Vogelschutz“ auch eine Ode an das Unkraut, ein Lobgesang auf Wildnis, eine Anleitung zum Ökogärtnern. Das sind die Voraussetzungen, um Gartenvögel ins heimische Grün zu locken.

Als Beispiel berichtet der Autor immer wieder aus seinem eigenen Gärtchen, in dem das Leben tobt. Oft schreibt er in der ersten Person, setzt den Leser damit quasi neben sich auf die verlotterte, mit Moos bewachsene Holzbank und erzählt. Behutsam wie er seinen Garten beackert, wählt er seine Worte, unaufgeregt und leise, bisweilen poetisch: „Als ich den schräg stehenden Baum frei geschnitten hatte, war er von wunderschöner Gestalt mit seinen in den Himmel greifenden dürren Zweigen – ein Bildhauer hätte ihn nicht schöner als Denkmal formen können!“ (Seite 13).

Da stört es auch nicht, dass die Vogelzeichnungen nicht immer hundertprozentig detailgetreu sind. Wer es genau wissen möchte, soll sich eines der reichlich auf den Markt vorhandenen Vogelbestimmungsbücher besorgen oder – noch besser – einfach direkt draußen nachschauen, ob im Garten, im Park oder auf dem Balkon. Platz für ein bisschen Vogelhimmel ist überall.



Letzte Änderungen: 08.03.2021