Editorial

Buchbesprechung

Larissa Tetsch




Human Nature – Die CRISPR Revolution
Regisseur: Adam Bolt
mindjazz pictures (2020)
Sprache: Englisch mit deutschem Untertitel, 91 Minuten
Preis: 15,49 Euro (DVD)
Genetik im Kino

(10.12.2021) Vorbei die Zeiten, in denen Laien beim Begriff CRISPR-Cas an Cracker mit Käse gedacht haben! Inzwischen hat sich bis in wissen­schaftsferne Kreise herum­gesprochen, dass sich hinter dem sperrigen Ausdruck eine Methode zur gezielten Veränderung des Genoms verbirgt.

Aber wie genau funktioniert diese und was kann man damit machen? Wollen wir derartige Genom-Manipu­lationen überhaupt, oder sollten wir uns eher vor dem fürchten, was dadurch auf uns zukommen könnte? Für alle, die sich diese Fragen stellen, kam 2019 der Dokumen­tarfilm „Human Nature“ in die Kinos. Seit März 2020 ist er im O-Ton mit deutschen Untertiteln auch als DVD erhältlich.

Eine kleine Kritik vorweg: Die Dokumentation wurde zum Großteil in den USA gedreht; Interviews mit Forschern aus anderen Teilen der Welt wie dem Entdecker der CRISPR-Sequenzen – dem spanischen Mikro­biologen Francisco Mojica – bleiben die Ausnahme. Und während die US-amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna, die für die Nutzbar­machung von CRISPR-Cas eine Hälfte des Chemie-Nobelpreises 2020 verliehen bekam, ausführlich über ihre Arbeit berichten darf, wird ihre französische Nobelpreis-Kollegin Emmanuelle Charpentier von der Max-Planck-Forschungs­stelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin mit einer einzigen kurzen Szene „abgespeist.“

Auch beschränkt sich „Human Nature“ fast ausschließlich auf medizinische Aspekte – zum Beispiel landwirt­schaftliche Anwendungen werden nur am Rande gestreift. Davon abgesehen ist die Bericht­erstattung jedoch wohltuend ausgewogen: Grundlagen­forscher, Firmen­gründer, Mediziner, Patienten und ihre Angehörigen, Bioethiker, Kritiker und CRISPR-Enthusiasten – sie alle kommen zu Wort.

Im Vordergrund der Mensch

Man muss es den US-Amerikanern lassen: Sie wissen, wie man vermeintlich trockene Themen so aufbereitet, dass sie die Zuschauer emotional ansprechen. Dieses Kunststück ist den Filme­machern auch mit „Human Nature“ gelungen. Einen besonderen Anteil daran hat das Schicksal des jungen David Sanchez, der im Stanford-Kinder­krankenhaus in Palo Alto (USA) wegen seiner Sichelzell­anämie behandelt wird. Die ohne Behandlung tödlich verlaufende Krankheit ist für eine Gentherapie prädestiniert, da lediglich ein einziges Gen durch einen Nukleotid-Austausch verändert ist.

„Human Nature“ lebt davon, dass neben David, seiner Großmutter und seiner Kranken­schwester die unterschied­lichsten Menschen interviewt werden. Dazu zählen alle Größen der CRISPR-Forschung wie Doudna, Charpentier, Mojica und Rodolphe Barrangou, der letztlich erkannte, dass es sich bei CRISPR-Cas um ein bakterielles Abwehr­system gegen Viren handelt, sowie Feng Zhang, der die Präzision der program­mierbaren „Genschere“ extrem verbesserte. Als mediale Zeitzeugen blenden die Filmemacher unzählige Ausschnitte von Interviews und Dokumen­tationen über genetische Entdeckungen und die Anfänge der Gentechnik ein. In ihrer Schlichtheit besonders anschaulich sind die Animationen, die genetische Prozesse und Methoden visualisieren – allem voran natürlich die einzelnen Schritte des CRISPR-Cas-Abwehr­systems und die daraus resultierenden Ansätze zur Anwendung.

Grenzenloses Gene Editing

Im letzten Teil von „Human Nature“ steht das Potenzial der Methode im Vordergrund. Erwartungs­gemäß kommen hier Patienten und ihre Angehörigen zu Wort: Eltern, deren Kinder unter Behinderungen leiden, die sich durch CRISPR-Cas aus der Welt schaffen ließen, oder Menschen, die wissen, dass sie schwere Erbkrank­heiten an ihre Kinder weitergeben könnten. Verschiedene Biotech-Firmen präsentieren Visionen, die sie zukünftig umsetzen möchten: Schweine, deren Organe mithilfe von CRISPR-Cas nicht mehr vom menschlichen Immunsystem abgestoßen werden; Methoden, um ausgestorbene Tiere wieder zum Leben zu erwecken oder bedrohte Arten zu schützen. Aber auch Kritik und Ängste bekommen Raum. So hören wir Wladimir Putin zu, als er Jugendlichen am Rande der Winter-Olympiade in Sotschi erzählt, dass CRISPR-Cas dabei helfen könne, Soldaten ohne Schmerzen zu erschaffen.

In der Schlussszene (Achtung, Spoiler!) schaut sich Sichelzell­patient David im Labor seine defekten roten Blutkörperchen im Mikroskop an und lässt sich das Prinzip der Gentherapie erklären. Ausgerechnet vom ihm kommt vorsichtige Kritik an einer Keimbahn­therapie. „Ich finde, wir sollten Kinder selbst entscheiden lassen, ob sie geheilt werden wollen“, sagt er. „Ich habe viel durch die Krankheit gelernt. Ohne sie wäre ich nicht ich.“ Aber gerade damit alle Menschen diese Wahl haben, ist eine Weiter­entwicklung von CRISPR-Cas wichtig. Damit das Verständnis dafür in der Bevölkerung wächst, sollte sich jeder „Human Nature“ ansehen.

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