Editorial

Spielebesprechung

Sigrid März




Autorin: Elizabeth Hargrave; Grafik: Natalia Rojas, Ana María Martínez Jaramillo und Beth Sobel:
Flügelschlag
Feuerland Spiele (2019)
Sprache: Deutsch
Preis: 49,90 Euro

Tirili

(08.12.2020) Lieber die Taube auf dem Brett als den Spatz in der Hand. So in etwa lässt sich das Strategie-Spiel „Flügelschlag“ zusammenfassen. Was für ein Spaß.

Eines vorweg: Ornithologisches Fachwissen ist nicht nötig. Ziel des Spiels „Flügelschlag“ ist es, möglichst viele Punkte zu sammeln, indem der Spieler Vögel ins Naturreservat lockt. Klingt simpel, ist es auch. Zur Verfügung stehen den bis zu fünf Teilnehmern je ein liebevoll gestaltetes Spielbrett sowie Aktionssteine, Futtermarken und natürlich Vogelkarten. Im Verlauf versucht jeder Spieler, sein Brett möglichst sinnvoll mit allerlei Vögeln und Eiern zu bestücken. Dabei zeigt jede Karte eine Vogelart mit Angaben zu Lebensraum, Ernährungsgewohnheiten, Gelegegröße sowie besonderen Fähigkeiten. Der Streifenkauz etwa kann nur im Wald „abgelegt“ werden und frisst nichts außer Mäuse. Die Dachsammer hingegen fühlt sich sowohl in Wald als auch im Grasland oder am Wasser wohl und verspeist Wirbellose und Körner.

Europa-Erweiterung

Moment, stutzt der aufmerksame Vogelkenner: Streifenkauz und Dachsammer? Gut aufgepasst! Das Spiel heißt ursprünglich „Wingspan“ und stammt von der US-amerikanischen Spieleautorin Elizabeth Hargrave. Dementsprechend sind auch alle 170 Vogelkarten mit Vögeln aus Nordamerika bestückt. Aber der Liebhaber der heimischen Vogelwelt sei beruhigt, denn es gibt inzwischen eine Europa-Erweiterung. Für den Ablauf des Spiels tut die Nationalität der Vögel aber nichts zur Sache.

Mit seinen Aktionssteinen rutscht der Spieler von Feld zu Feld, immer von rechts nach links. Je mehr Karten auf dem Spielbrett liegen, umso mehr Kettenreaktionen löst ein Spielschritt aus. Das bedeutet, dass im Spielverlauf die Komplexität stetig zunimmt. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Punkte in Form von Vogel- und Bonuskarten, Eiern sowie Rundenzielen vorweisen kann.

Taktik und Glück

Das Spiel kommt hochwertig, durchdacht und detailverliebt daher. Ob es nun die 75 bunten Miniatureier sind, die liebevollen Vogelzeichnungen oder das Vogelhäuschen als Würfelturm. Durch die Kombinationsmöglichkeiten verschiedenster Szenarien wird es auch nach zehn Durchgängen nicht langweilig. Wenig überraschend also, dass „Flügelschlag“ 2019 die Auszeichnung „Kennerspiel des Jahres“ ergatterte. Für Menschen, deren Brettspiel-Expertise mit „Mensch ärgere dich nicht“ erschöpft ist, scheint das Regelwerk anfangs recht kompliziert. Glücklicherweise gibt es haufenweise Youtube-Tutorials.

„Flügelschlag“ ist ein taktisches Spiel. Zu jedem Zeitpunkt muss der Spieler Entscheidungen treffen, welche Aktion am sinnvollsten ist. Gleichzeitig spielt aber auch Glück eine Rolle, denn wenn man nur Trantüten-Vögel vom Stapel zieht, nützt die beste Taktik nichts. Spieler können Mitspielern nicht aktiv schadn, indem sie zum Beispiel in deren Spielgeschehen eingreifen. Klar, Futterwürfel oder der Super-Piepmatz können weggeschnappt werden. Was aber einmal im persönlichen Spielbereich liegt, bleibt auch da. Das ist besonders gut für Kinder (und Erwachsene) mit niedriger Frustrationstoleranz.

Apropos Kinder: Empfohlen wird das Spiel ab 10 Jahren. Brettspielerfahrene Jungzocker begreifen das Konzept aber auch deutlich früher. Und apropos Frustrationstoleranz: Obwohl die bei Forschenden berufsbedingt überdurchschnittlich ausgebildet ist, macht das Spiel auch ihnen Spaß. Solo kann man „Flügelschlag“ übrigens ebenso spielen und seine persönliche Vogelschar heranziehen. Die nächste Zwei-Stunden-Inkubationszeit am Samstagabend im Labor ist also gerettet!





Letzte Änderungen: 08.12.2020