Editorial

Buchbesprechung

Juliet Merz




Jim Jourdane und 25 Wissenschaftler/innen:
Forscherpech: Wissenschaft in freier Wildbahn
Gebundene Ausgabe: 76 Seiten
Verlag: Steve-Holger Ludwig; Auflage: Erstauflage (9. November 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 386935352X
ISBN-13: 978-3869353524
Preis: 17 Euro (Hardcover)

Farbenfrohe Fehlschläge

(08.05.2020) Menschen sind nicht perfekt – und Wissenschaftler sind auch „nur“ Menschen. Der Illustrator Jim Jourdane zeigt humorvoll, was bei der Forschung in freier Wildbahn alles schieflaufen kann.

Anstatt mit Fernglas und Peilsendern ausgestattet die Natur zu erkunden, schwingen die meisten Forscher während der Arbeit wohl eher die Pipette und schmeißen die Zentrifuge an. Oder sitzen vor Mikroskopen sowie Computern. Das muss nicht weniger spannend sein, doch der französische Comiczeichner Jim Jourdane hat für sein Buch „Forscherpech“ lieber einen Blick auf die Wissenschaft in freier Wildbahn geworfen – und was dort alles schiefgehen kann.

Dabei hat er verrückte und lustige Anekdoten von insgesamt 25 Wissenschaftlern (und sich selbst) auf 75 Seiten zusammengetragen. Ein Blick in den hinteren Teil des Bilderbuches verrät, wie es zu dem Projekt gekommen ist. Twitter sei Dank konnte sich Jourdane von den von Wissenschaftlern gezwitscherten Abenteuern inspirieren lassen, illustrierte die Geschichten und startete eine Crowdfunding-Kampagne – mit Erfolg. Mittlerweile ist das Buch in vier Sprachen erschienen (Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch).

Von der Bench in den Busch

Jedes Abenteuer füllt in dem Hardcover-Buch zwei Seiten. Der Aufbau ist dabei immer gleich. Auf der linken Seite prangt ein großes Aufmacherbild, darüber der Standort, wo sich die Geschichte abspielte, darunter der Name des Forschers gefolgt von einer kurzen Beschreibung, was passiert ist. Auf der rechten Seite verraten die Protagonisten mehr über ihre Forschungsarbeit, wie es zu der brenzligen oder komischen Situation gekommen ist oder interessantes Zusatzwissen aus der Feldforschung.

Der Aufbau hat nur einen Haken: Das eigentlich Spannende verrät der Autor direkt auf der linken Seite, die der Lesende zuerst betrachtet. Das nimmt den Überraschungseffekt. Aus diesem Grund hat sich die Rezensentin circa ab der Hälfte des Buches dafür entschieden, zuerst die rechte, dann die linke Seite zu lesen. Das klappt nicht immer, unterstützt die Komik dennoch. Wenn Sie das Buch in den Händen halten sollten, probieren Sie es doch einfach mal aus!

Der Comicautor hat in „Forscherpech“ Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Disziplinen zu Wort (oder vielmehr Bild) kommen lassen. Darunter eine Vulkanologin und ein Archäologe, aber auch viele unserer Kollegen aus der Ökologie, Verhaltensbiologie und Genetik. Zwei Beispiele gefällig? Ab Seite 50 berichtet die US-amerikanische Krankheitsökologin und Tierärztin Carrie Cizauskas über einen misslungenen Flugzeug-Transport von Elefantenblut zur Untersuchung von Milzbrand. Ein paar Seiten später erzählt die mittlerweile in den Niederlanden arbeitende Angela Bayona, wie sie die Aufmerksamkeit eines Jaguars in Kolumbien auf sich zog, der sie dann drei Wochen lang verfolgte (Seite 56).

Das Fazit der über zwanzig Erzählungen: Sich in der Natur zu erleichtern, ist gefährlich, Löwen mögen AC/DC nicht und Ameisen sind hinterhältig.

Hyänen sind 1A

Zwischen den Erzählungen tauchen im regelmäßigen Abstand zweiseitige Ein­schübe auf, die Hintergrundwissen vermitteln. Dabei geht es um Parasiten und Zombies, wie man ein Fossil von einem Stein unterscheidet oder warum Geparden cool und Hyänen 1A sind. Ein persönliches Highlight der Rezensentin: Die Doppelseite, auf der der indische Naturschutzbiologe Aditya Gangadharan den Naturschutz kritisch reflektiert und erklärt, wie er funktionieren kann (ab Seite 62).

Besonders lobenswert ist der Fokus, den der Autor auf alle Forscher legt. Auf den Seiten 70 und 71 führt Jourdane deshalb alle Wissenschaftler zusammen auf, nennt ihre Ausbildung beziehungsweise ihren Beruf und verweist auf ihre Twitter-Accounts.

„Forscherpech“ ist ein farbenfrohes Buch, das erkennbar liebevoll entstanden ist. Die sehr einfache, fast kindliche Sprache schließt keine Altersgruppe aus, dennoch hat sicher auch der eine oder andere Erwachsene Spaß an Jourdanes Werk. Der Autor lenkt dabei versteckt den Fokus auf eine in der Wissenschaft verpönte Realität: Menschen machen Fehler. Die sind zwar meistens ärgerlich und können im schlimmsten Fall schwerwiegende Konsequenzen haben. Aus ihnen entstehen aber die besten Geschichten und häufig sind sie einfach nur eins: urkomisch.

Übrigens: Im Zuge der Corona-Krise hat Jourdane ein weiteres Projekt gestartet. Zusammen mit der französischen Organisation für Wissenschaftskommunikation La Turbine Sciences veröffentlicht er regelmäßig Comics, die zeigen, wie Wissenschaftler wohl zu Hause weiterforschen. Unter laturbine.fr/scientifiques-en-confinement gibt‘s alle humorvollen Comics in französischer Sprache; Jourdane teilt ein paar englische Versionen auf seinem Instagram-Account @jimjourdane.

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Foto: makisapa.com





Letzte Änderungen: 08.05.2020