Buchbesprechung

Andreas Luch

Editorial

Roland Seifert
Basiswissen Pharmakologie
Taschenbuch: 494 Seiten
Verlag: Springer; Auflage: 1. Aufl. 2018 (2. August 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3662563029
ISBN-13: 978-3662563021
Preis: 35,99 Euro (Softcover), 26,99 Euro (E-Book)
Editorial
Meister der Abkürzungen

„Basiswissen Pharmakologie“ ist ein weiteres Kompakt-Lehrbuch auf dem bereits übersättigten Buchmarkt. Trotzdem hebt es sich von der Konkurrenz mit einigen Vorteilen ab – und hat gleichzeitig dennoch ein paar Defizite.

Man möchte dem faktenpaukenden, schein- und prüfungsfixierten Medizinstudenten helfen. Indem man deren leidgeplagten Großhirnen für alle staatsexamensrelevanten klinischen Fächer immer noch eine weitere, bis hin zur Schmerzgrenze komprimierte, vermeintlich leicht verdaubare Kost anbietet. „Basiswissen Pharmakologie“ liefert ein erneutes Beispiel dafür, wie man trotz längst überschrittener Sättigungsgrenze den Buchmarkt mit einem „Kompakt-Lehrbuch“ zu beglücken versucht.

In dem vorliegenden Fall geht der Autor Roland Seifert, Direktor an der Medizinischen Hochschule Hannover, noch einen Schritt weiter. In der Gewissheit der Marginalität des Themenkomplexes „Toxikologie“ vor den Augen der (richtenden) Prüfer, beschränkt er sich auf ganze fünf Seiten und eine Tabelle, um der vielfach als Pflichtübung verstandenen Kurzdarstellung von Arzneimittel-Vergiftungen und deren Behandlungen genüge zu tun. Es sei verstanden, dass sich der Autor, der sich selbst als „Pharmakologe“ kategorisiert, auf dieses Teilgebiet beschränken möchte. Dem vielfach proklamierten Alleinvertretungsanspruch der hiesigen Pharmakologenschaft in Bezug auf die kompetente Abdeckung des gesamten Fachgebietes mitsamt der Toxikologie wird hierdurch allerdings erneut keine Satisfaktion zuteil.

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Über einen Ordner, eine Mappe oder einen Schnellhefter hätte sich unser Rezensent wohl gefreut – um den herausfallenden Seiten von „Basiswissen Pharmakologie“ Herr zu werden. Foto: Pixabay/PIRO4D

Nun ist es da. Der Preis durchaus attraktiv, die Geldbörse des Studenten schmal. Fast 500 Seiten für schlappe 35 Euro. Es scheint, als wolle der Umfang die Aufmachung kompensieren. Schon nach einmaligem Durchblättern verabschieden sich ein paar Seiten durch Loslösung vom Buchrücken des Softcovers. Sehr ärgerlich. Spätestens nach wiederholter Nutzung und intensivem Studium einzelner Kapitel hat sich das Buch zur Loseblattsammlung zerlegt. Leider ohne mitgelieferten Ordner, in die man die Einzelblätter hätte einsortieren können. Ein bibliophiler Zeitgenosse wendet sich mit Grauen ab.

Alles kann man bekanntlich nicht haben. Schön übersichtlich ist die Gliederung. Alle prüfungsrelevanten pharmakologischen Themen werden konsequent und logisch schlüssig abgearbeitet. Das Buch folgt dem „Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM)“ für Pharmakologie. Dann kann es ja nur gut gehen! Voraussetzung ist allerdings, dass man sich als geneigter Leser möglichst schnell zu einem „Meister der Abkürzungen“ entwickelt. Alternativ kann man bei jedem ersten bis zweiten Satz im mitgelieferten Abkürzungsverzeichnis nachschauen, welches sich ganz am Anfang befindet. Gleiches gilt für alle Abbildungen und Tabellen, die ohne erklärende Fußnoten ebenso konsequent im Abkürzungsmodus verharren. Ein Unding!

Warum gerade dieses Buch?

Darüber hinaus konterkariert das ständige Hin- und Herblättern die „Kompaktheit“ nicht nur in Bezug auf die materielle Unversehrtheit, sondern auch im zeitlichen Sinne. Besser eingesetzt wäre die dadurch verlustig gehende Zeit durch gelegentlich größeren Tiefgang in die Materie. Könnte man meinen. Der Anspruch ist allerdings ein anderer. Der Autor möchte „das gesamte Basiswissen von den Grundlagen bis hin zu den wichtigsten Krankheitsbildern“ vermitteln, die „langjährige Erfahrung des Dozenten“ verspricht Erfolgsgarantie. Man darf gespannt sein, ob die potenzielle Kundschaft dies goutieren wird.

Es bleibt die Frage: Warum dieses Buch und nicht eine der vielen gleichpreisigen Alternativen (zum Beispiel Herdegen, Mutschler et al., Karow, Dellas, Lüllmann), oder am Ende gar DocCheck beziehungsweise Wikipedia? Vielleicht ein Argument: Wegen der vielen, wirklich schönen, bunten und kompakten Übersichtsgraphiken zur Physiologie und Pathophysiologie der Krankheitsbilder, die konsequent in jedem Kapitel zu finden sind? Dies ist in der Tat eine Stärke des Buches, wenngleich das Verständnis der Abbildungsinhalte für wirkliche Anfänger (Basiswissen) in den meisten Fällen limitiert sein dürfte. Schlichtweg zu stichwortüberfrachtet sind die meisten Abbildungen. Schön und schnell „greifbar“ ist auch die tabellarische Auflistung der wichtigsten Arzneimittel für das jeweilige Indikationsgebiet. Irritierend, ja fast ärgerlich dagegen der ständige Wechsel zwischen Hoch- und Querformat der entsprechenden Tabellen.

Es bleibt das Gefühl der Überforderung. Nicht beim Rezensenten. Nein, das Lesen beziehungweise das Verstehen des Inhalts des „Seifert“ ist an Vorkenntnisse gebunden, die vorhanden sein müssen, um effektiv von ebendieser Basiswissen-Kompaktdarstellung profitieren zu können. Insofern ist das Buch für Studenten der Medizin und Naturwissenschaften nur dann geeignet, wenn es als Repetitorium in Ergänzung zu einer entsprechenden Vorlesung oder einem umfangreicheren Lehrbuch genutzt wird. Für die schnelle und effektive Prüfungsvorbereitung, aufbauend auf bereits erworbenen und verinnerlichten Kenntnissen zu den molekularen und (patho-)physiologischen Grundlagen der Arzneimittelwirkungen, ist es fürwahr geeignet.

Als bloßes Einstiegsbuch würde der Rezensent dieses Taschenbuch eher nicht empfehlen. Zu groß wäre die Gefahr der Frustration mit anschließender Vermeidungsreaktion. Dies wäre sehr schade – bei solch einem spannenden Thema!



Letzte Änderungen: 08.03.2019