Buchbesprechung

Sigrid März

Editorial

Michael Herschel:
Das KliFo-Buch – Praxisbuch Klinische Forschung
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Schattauer; Auflage: 3., überarb. u. erweiterte (30. Juni 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3794531027
ISBN-13: 978-3794531028
Preis: 79,99 Euro (Hardcover & E-Book)

Editorial
Komplex, komplexer, KliFo

Mit seinem KliFo-Buch erweitert Michael Herschel (†) den spärlich bestückten Literaturmarkt rund um klinische Studien mit einem soliden Übersichts- und Orientierungswerk. Gleichwohl ist das Klientel sehr speziell.

Bevor ein neues Arzneimittel auf den Markt kommt, durchläuft es ein jahrelanges Prüfverfahren. So soll sichergestellt werden, dass der Wirkstoff einerseits tut, was er soll, und andererseits verträglich sowie sicher ist. Im optimalen Fall ist er außerdem besser als bereits zugelassene Medikamente. Das gilt übrigens nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für neuartige Behandlungsmethoden oder diagnostische Werkzeuge.

Alles beginnt mit der biomedizinischen Grundlagenforschung, nimmt seinen Weg über präklinische Studien, also Testung der Substanzen im Computer-, Zellkultur- und Tiermodell und endet in der vierstufigen klinischen Studienphase. Dort kommen Patienten und gesunde Probanden ins Spiel. Logischerweise kann nicht jeder Forscher oder Arzt x-beliebige Menschen mit abgefahrenen Substanzen vollpumpen. Nein, klinische Studien, mit einem Rattenschwanz an Bestimmungen und Einschränkungen, sind streng reguliert. Das betrifft auch ethische Aspekte: „Hier können Interessenkonflikte zwischen den teilnehmenden Patienten und dem industriellen Sponsor deutlich werden“, umschreibt Michael Herschel mögliches Streitpotenzial. Besonders offensichtlich (und kritisch) sei dies, wenn es Minderjährige oder „nicht mehr geschäftsfähige Patienten“ beträfe.

Als Facharzt für Klinische Pharmakologie sammelte Herschel Forschungs- und Studienerfahrungen in allerlei Pharmaunternehmen und wusste demnach, worüber er schrieb. Dementsprechend präsentiert sein KliFo-Buch nicht nur eine Menge Hintergrundwissen und Theorie, sondern auch den ein oder anderen nützlichen Insidertipp sowie Lösungsvorschläge, wenn es während einer Studie mal nicht rund läuft. Der Untertitel „Praxisbuch Klinische Forschung“ scheint gerechtfertigt.

Eine Art Vermächtnis

Michael Herschel verstarb 2014, sodass die nunmehr dritte Auflage (nach 2009 und 2013) des Buches von seiner Frau Sybille Falke-Herschel als „sein Vermächtnis“ fertiggestellt wurde. Unter anderem wurden die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes sowie aktualisierte EU-Verordnungen eingearbeitet. Über das Ineinandergreifen deutschen und EU-weiten Rechts liest der Leser im ersten Kapitel deshalb ebenso wie über ärztliches Berufsrecht, Zulassungs- und Überwachungsorgane oder das Prozedere der Antragstellung.

Klingt kompliziert, ist es auch. Logischerweise holen sich insbesondere Pharmakonzerne Dienstleister zur Hilfe, sogenannte Clinical Research Organisations (CRO). Klinische Studien werden so quasi outgesourct. Auch darüber und über anfallende Kosten klärt das KliFo-Buch auf.

Es folgen Informationen zum Klinischen Projektmanagement, also: Was ist ein Projekt, wie gestalten sich Abläufe, und wer sollte mit wem worüber kommunizieren (zum Beispiel Sponsor mit Ethikkommission). Von allgemeinen und speziellen Datenverarbeitungssystemen geht es weiter zu Managementfehlern und deren Vermeidung; Stichwort Optimismus: „Optimistische Annahmen zur Durchführbarkeit sind die häufigste Ursache des Scheiterns“.

In drei großen Kapiteln werden anschließend interventionelle, nichtinterventionelle sowie Diagnostik-Studien vorgestellt und nach dem Schema „Ideen, Forschungsdesign, Planung, Durchführung, Analyse, Berichterstattung und häufige Probleme“ abgehandelt. Eine Intervention umfasst in der Regel gezielte therapeutische Maßnahmen, einhergehend zum Beispiel mit der Verabreichung eines neuen Medikaments. In klinischen Phasen I – IV erfahren Patienten eine gezielte Therapie als Folge auf eine definierte Erkrankung. Nichtinterventionelle Studien hingegen beschränken sich auf das Beobachten ohne jegliches Eingreifen, während Diagnostik-Studien sich mit Werkzeugen, Techniken oder Analysen zur Dia­gnosefindung befassen.

Klar ist: Das Ganze ist eine sehr komplexe Thematik. Umso erfreulicher, dass sich ein Buch in voller Breite der klinischen Forschung widmet. Damit ist es – zumindest auf dem deutschsprachigen Markt – allein auf weiter Flur. Selbst englischsprachige Literatur befasst sich meist nur mit einzelnen Themen, wie Studiendesign, Analyse oder Statistik. Allein für Letzteres, der statistischen Auswertung klinischer Studien, gibt es detaillierte Regelwerke. So wundert es nicht, dass das KliFo-Buch zwar eine große Themenvielfalt präsentiert, was hier und da aber auf Kosten von Tiefe geht – und konsequenterweise gehen muss!

Geeignet ist das Buch deshalb zur ersten Orientierung für die Planung, Durchführung und Auswertung klinischer Studien. Praktischerweise findet sich im Anhang auf über hundert Seiten eine umfangreiche Sammlung an weiterführender Literatur, sei es das Glossar, Gesetzestexte, Kontaktinformationen von Behörden oder Weblinks. So weiß der Leser – sofern er die Antwort auf eine seiner Fragen nicht im Buch findet – zumindest, wo er sie nachlesen kann. Hier und da sind Grafiken und Tabellen eingestreut, welche die Texte auflockern. Aber – und das bringt die Materie nun einmal mit sich – das Buch ist eher trockene und schwere Kost für Wissenschaftler und Ärzte, die sich in pharmazeutischen Unternehmen, Auftragsforschungsinstituten oder Kliniken mit klinischen Studien verdingen.



Letzte Änderungen: 08.03.2019