Editorial

Buchbesprechung

Winfried Köppelle




Wolfgang Engelhardt, Peter Martin, Klaus Rehfeld & Jörg Pfadenhauer:
Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher?

Gebundene Ausgabe: 314 Seiten
Verlag: Franckh Kosmos Verlag; Auflage: 17 (8. September 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3440147762
ISBN-13: 978-3440147764
Preis: 26,99 Euro.

Feuchte Gesellschaft - Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher?

Mit der 17. Auflage dieses bewährten Gewässerführers im Gepäck macht es riesig Spaß, mal wieder Sammelglas und Botanisier­trommel zu zücken und sich als „echter Biologe“ zu fühlen.

Der 11. April 1954 war der langweiligste Tag des 20. Jahrhunderts, glaubt man dem britischen Programmierer William Tunstall Pedoe. Rein gar nichts Bemerkenswertes sei an diesem Sonntag passiert – kein großer Banküberfall, keine nennenswerte Katastrophe, kein politischer Skandal, kein Reissack-Umfall in China. Nichts.

Vermutlich hat auch der 32-jährige Wolfgang Engelhardt diesen Sonntag eher unaufgeregt verbracht, womöglich als Naturbeobachter an einem Tümpel im Münchener Umland. Der junge Naturwissenschaftler arbeitete zu der Zeit an der Zoologischen Staatssammlung, nach Kriegsende provisorisch beherbergt in Schloss Nymphenburg, an seiner Habilitation – und parallel an den Druckfahnen eines schmalen limnologischen Bestimmungsbändchens namens Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher? Als Engelhardt im Mai 2006 mit 83 Jahren starb, hatte er als langjähriger Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns sowie in fast 50 Jahren als Mann an der Spitze des Deutschen Naturschutzrings (DNR) eine gewisse Prominenz erlangt.


Mit dem unten besprochenen Gewässerführer identifiziert: Bergmolch-Jüngling (Ichthyosaura alpestris) aus dem elterlichen Gartenteich unserer Fotografin. Foto: Anna Voigt

Unter Naturfreunden mindestens ebenso bekannt machte den engagierten Ökologen und Wirbellosenforscher Engelhardt aber dessen legendäres, erstmals 1954 veröffentlichtes Bestimmungsbuch zum Lebensraum „Kleingewässer“ – wo man gleich vor der Haustüre eine so vielfältige und artenreiche Tier- und Pflanzengesellschaft findet wie an kaum einem anderen Ort in unserer Umgebung. Seit kurzem liegt dieses „Jahrhundertwerk“ (Fachmagazin Aquaristik) in der 17. Auflage vor, nunmehr verantwortet vom Kieler Limnologen Peter Martin, vom Herausgeber der Naturwissenschaftlichen Rundschau, Klaus Rehfeld, sowie vom Freisinger Renaturierungsökologen Jörg Pfadenhauer.

Mehr als ein Bestimmungsbuch

Doch Engelhardts Klassiker ist mehr als „nur“ ein Bestimmungsbuch. Die ersten 80 der insgesamt 314 Seiten enthalten jede Menge Information zu den thematisierten Habitaten und deren individuellen Merkmalen – zu Naturschutzbestimmungen und zur Roten Liste, zur Nomenklatur, zum menschlichen Einfluss auf Gewässer und deren Ökologie, zur Wassergüte-Beurteilung, zu wasserpflanzlichen Besonderheiten, und und und. Die einzelnen Biotope sind zweckmäßig untergliedert (beispielsweise in „Gletscherbach–Hochgebirgsbach–Mittelgebirgsbach–Niederungsbach–Vom Bach zum Fluss“), die buchdruckerische Qualität tadellos (Wasser-tolerables Papier, stabile Bindung) und die Sprache angenehm unprätentiös.

Wer es noch nicht wusste, der lernt, dass sämtliche Hydrophyten von ursprünglich an Land wachsender Flora abstammen; dass bestimmte Wasserschlauch-(Utricularia)-Arten fleischfressende Gemischtköstler sind; und dass sich in heimischen Gewässern durchaus auch fremdländische Einwanderer (genauer: Neobiota) herumtreiben – etwa die Chinesische Wollhandkrabbe oder der Amerikanische Flusskrebs. Aber auch größere Zusammenhänge werden von den Autoren thematisiert, etwa inwiefern und wie sehr bestimmte Spezies voneinander und von ihrem Lebensraum abhängig sind.

Der hintere, umfassendere Teil ist rund 400 Artbeschreibungen vorbehalten und reicht von primitiven Algen bis zu den Blütenpflanzen; von den Strudelwürmern, Egeln und Gliedertieren bis zu den Wirbeltieren. Hervorragend und sehr praktisch: die Bestimmungshilfen auf den Buchklappen, welche das schnelle Auffinden der jeweils gesuchten Art erleichtern. Die Bebilderung, teils noch aus der Feder von Engelhardts Gattin Irmgard stammend, ist ebenfalls zu loben, auch wenn gelegentlich ein paar Details mehr zur sicheren Artbestimmung wünschenswert wären (Platz dafür ist vorhanden). Im Praxistest gelang es dem Rezen­senten, binnen weniger Sekunden das auf dem obigen Foto befindliche Tier zu identifizieren.




Letzte Änderungen: 05.12.2015