Buchbesprechung

Diana Maier

Editorial

Wolfgang Nentwig, Sven Bacher & Roland Brandl
Ökologie kompakt


Taschenbuch: 371 Seiten
Verlag: Spektrum Akademischer Verlag; Auflage: 3. Aufl. 2012 (15. September 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 382742836X
ISBN-13: 978-3827428363
Preis: EUR 24,95



Editorial

Konrad Martin & Christoph Allgaier
Ökologie der Biozönosen


Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Springer; Auflage: 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2011 (25. Juli 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3642206271
ISBN-13: 978-3642206276
Preis: EUR 29,95




Fauna und Flora des Mittelmeeres

Gebundene Ausgabe: 836 Seiten
Verlag: Seifert; Auflage: 1. (28. November 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3902406607
ISBN-13: 978-3902406606
Preis: EUR 59,90



Die drei besprochenen Bücher bilden so manche Facette der Ökologie ab: eine allgemeine Einführung für Bachelor-Studenten, ein vertiefendes Fachbuch mit Krimi-Flair, und ein noch immer aktueller Bestimmungsklassiker aus dem Jahr 1983.

Gibt man im Suchfeld „Bücher“ des Internet-Buchladens Amazon den Begriff „Ökologie“ ein, so erhält man knapp 10.000 Treffer. Eine Sortierung nach „beste Ergebnisse“ liefert Erstaunliches. Im Spitzenfeld, genauer auf Platz elf rangiert beispielsweise das 432-seitige Standardwerk Die Ökologie des Menschen: Die großen Reden des Papstes, verfasst vom oberbayerisch-römischen Ökologie-Profi Joseph Ratzinger. Noch weiter oben, auf Platz zwei, rangiert Ökologie kompakt (Bachelor), verfasst von Ratzingers Kollegen Wolfgang Nentwig, Sven Bacher und Roland Brandl.

Der deutsche Zoologe Nentwig lehrt seit 1988 an der Universität von Bern; der Schweizer Insektenkundler Sven Bacher ist seit 2007 Gruppenleiter an der Universität von Fribourg (ebenfalls Schweiz), und der dritte im Bunde, Roland Brandl, erforscht an der Universität Marburg die Populations­dynamik und Ökologie innerhalb und außerhalb von Termitenstaaten.


Foto: Danny Kessler/MPI chemische Ökologie

Ökologie-Bestseller

Das mit 371 Seiten eher schlanke Lehrbuch Ökologie kompakt soll gemäß Titelbanderole und Einleitung den Teilnehmern des Bachelor-Studiengangs gerecht werden. Zumindest von den Absatzzahlen her scheint dies geklappt zu haben; laut Springer-Spektrum ist der „Nentwig“ das „meistgekaufte Ökologie­lehrbuch im deutschsprachigen Raum“. Woher diese Zahlen stammen (die Verlagsbranche ist ja traditionell eine eher geheimniskrämerische) sei dahingestellt; die vorliegende, überarbeitete Auflage jedenfalls ist bereits die dritte innerhalb von nur vier Jahren.

Was ist neu an und in ihr? Neben einer grafischen Runderneuerung sind wichtige Begriffe fett gedruckt, was den Text übersichtlicher macht. Des Weiteren wird bei vielen ökologisch wichtigen Begriffen die englische Übersetzung mit angegeben. Ja, auch die Ökologie ist längst international und damit englischsprachig.

In den Text geschobene Kästen stellen wichtige Fakten kurz dar; zweifarbige Tabellen und Grafiken veranschaulichen zusätzlich das Geschriebene. Allerdings wirken Letztere zum Teil etwas überladen und dadurch unübersichtlich. Am Ende eines jeden Kapitels gibt es Fragen zur Überprüfung des Wissens, wie inzwischen bei fast jedem besseren Lehrbuch üblich. Dabei wird der Leser in wissenschaftlichem Denken und Erklären geschult und muss zudem auch einige Rechenaufgaben lösen, zum Beispiel die Größe einer Population ermitteln. Die Lösungen findet man auf einer Internetseite. Dies hat Vor- und Nachteile. Zum einen kann man nicht spicken, aber auch nicht mal kurz unterwegs überprüfen, ob man die richtige Antwort gefunden hat.

Anwenderfreundliche Quellenangabe

Dass die Autoren die weiterführenden Literaturangaben kommentieren, ist praktisch und anwenderfreundlich; man erfährt somit, ob es sich beispielsweise um ein Buch für Anfänger oder Fortgeschrittene handelt und um welche Tiergruppen oder Themen es darin schwerpunktmäßig geht. Dadurch erhält der Leser eine gute Vorstellung darüber, welche der aufgeführten Quellen am ehesten eine weitere Lektüre lohnen. Gut gelungen ist auch das letzte Kapitel „Angewandte Ökologie“. Darin werden zum Beispiel die verschiedenen Wirtschaftsformen in der Landwirtschaft und ihre Entwicklung bis zum heutigen Tag aufgezeigt und der Einfluss des Menschen genauestens unter die Lupe genommen.

Weniger gut gefallen wird den meisten Lesern (wir erinnern uns: Bachelor-Studenten), dass Ökologie kompakt stark mathematisch angehaucht ist. Zumindest Schwachmatiker können dem Inhalt daher bald nicht mehr folgen und die Begeisterung am eigentlichen Thema verfliegt schnell. Auch sonst liest sich das Buch etwas trocken und lieblos. Es weckt wenig Begeisterung für die Thematik. Einige Themen sind auch etwas zu knapp geraten; so werden zum Beispiel die ökogeographischen Regeln nach Bergmann und Allen erwähnt, aber nicht die von Hesse, Gloger und Rensch. Nun ja, für Bachelor-Studenten eben. Die haben keine Zeit, tiefer in die Materie einzudringen.

Martin/Allgaier: Wie ein Öko-Krimi

Für alle anderen gibt es tiefgründigere Spezialliteratur, die Ökologie der Biozönosen beispielsweise. Und wer jetzt glaubt, es würde noch komplizierter und trockener, der irrt gewaltig. Denn es fällt schwer, dieses Lehrbuch wieder aus der Hand zu legen. Das Werk des Hohenheimer Agrarökologen Konrad Martin und des Tübinger Doktoranden Christoph Allgaier liest sich wie ein Öko-Krimi: Welche sekundären Pflanzenstoffe haben die Pflanzen zum Schutz und wie wirken sie sich auf Phytophagen aus? Was bedeutet Kannibalismus für eine Population? Und so weiter.

Die zweite Auflage ist auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Mit Hilfe vieler Beispiele aus der Forschung werden die einzelnen Faktoren und Aspekte der Ökologie der Biozönosen dem Leser anschaulich und spannend näher gebracht. Dabei werden nicht nur das Ergebnis, sondern auch der gedankliche Ansatz sowie die Durchführung des Versuchs beschrieben. Bei einem Experiment zur interspezifischen Konkurrenz bei zwei Mehlkäferarten beispielsweise wird gezeigt, wie die Experimente mit sechs unterschiedlichen Kombinationen von Temperatur und relativer Luftfeuchte ablaufen und das Ergebnis genauestens erläutert. Dabei lernt der Leser zudem, dass in der Wissenschaft nicht immer alles eindeutig ist.

Auch die Übertragbarkeit von getroffenen Aussagen auf andere Umstände ist meist nicht einfach. So beispielsweise bei der Gleichgewichts-Theorie. Diese bezieht sich auf Inseln im Meer und lässt sich nicht direkt auf „Inseln“ an Land, also isolierte Gebiete, übertragen. Diese und andere Beispiele zeigen dem Leser wissenschaftliches Arbeiten in all seinen Facetten.

Ein Glanzlicht sind die handgezeichneten Abbildungen. Diese sind zwar „nur“ in schwarz-weiß, dafür aber mit viel Liebe gemacht und geben dem Buch etwas Besonderes. Da wären zum Beispiel die kleine Ameise, die einen Samen in ihr Nest trägt und ein Ziesel-Weibchen, das die sich im Freien aufhaltenden Mitglieder ihrer Kolonie vor einem Räuber warnt. Ja, der Martin/Allgaier ist wirklich wärmstens zu empfehlen, da er eine eigene, charmante Persönlichkeit hat und dazu jedem Krimi Konkurrenz machen kann. Man merkt, dass den Autoren die Ökologie Spaß macht und sie diese Freude an den Leser weitergeben möchten.

Nach all der Theorie darf die Praxis nicht zu kurz kommen. Rupert Riedls Fauna und Flora des Mittelmeeres ist ein unveränderter Nachdruck von 1983. Kann dieser Klassiker, den der 2005 im 80. Lebensjahr verstorbene Österreicher einst herausgab, nach all den Jahren noch gegen die moderne Fachliteratur anstinken?

Lehrbuch-Klassiker von 1983

Soviel vorweg: Er kann es locker. In seinem Naturführer hat Riedl die am häufigsten im Mittelmeerraum auftretenden Pflanzen, Pilze und Tiere nach natürlichen Verwandtschaftsgruppen geordnet; insgesamt beinhaltet das Namensverzeichnis rund 8.750 Einträge. Dabei richtet es sich nach der gängigen Systematik, wobei sich einige Details in den letzten Jahrzehnten geändert haben. Die Einführung am Anfang erläutert den Aufbau des Buches und wie man es benutzt. Auf den ersten Blick wirkt alles recht kompliziert – beispielsweise, welcher Pfeil für die Tafeln und welche Pfeile für das Sachlexikon stehen. In Letzterem werden im Buch erwähnte Geräte, Methoden und ökologische Begriffe erläutert und teilweise graphisch dargestellt.

Die schwarz-weißen Tafeln 1 und 2 geben einen Überblick über die im Buch behandelten Metazoa. Der Autor hat jeweils kleine Zeichnungen der Tiere angefertigt und mit Hinweisstrichen versehen, die auf genannte Unterscheidungsmerkmale hinweisen. Leider gehen die beiden Tafeln über den Buchfalz hinweg, wodurch der mittlere Teil schlecht lesbar wird. Insgesamt enthält das Buch 298 schwarz-weiße Tafeln, auf denen jeweils sämtliche in dem behandelten Abschnitt vorkommende Arten abgebildet sind. Zusätzlich zur Abbildung erfolgt eine Größenangabe sowie die Markierung wichtiger, im Text angegebener, Bestimmungsmerkmale.

Bei den Tieren wurden weitere schwarz-weiße Tafeln aufgeführt, die verschiedene Klassen oder Familien abbilden. Entsprechend dazu gibt es 16 Farbtafeln, die die Färbung der Tiere zeigen, wobei der Autor ein eventuelles Abweichen der Abbildung von der natürlichen Färbung kommentiert.

In den einzelnen Kapiteln beschreibt der Autor zunächst die speziellen Kennzeichen der behandelten Gruppe, welcher die Untersuchungsmethode und die genaue Beschreibung des Objektes folgen. Dabei werden auch Tipps zur Präparation und Konservierung gegeben. Er gibt die Anzahl der insgesamt bekannten Arten dieser Gruppe an, als auch die Anzahl der im mediterranen Raum vorkommenden und der in diesem Buch vertreten Arten. Danach beschreibt er das Vorkommen, die Sammel- bzw. Fangmethode und, falls vorhanden, die Bedeutung für den Menschen. Zum Schluss wird auf die Biologie und die Entwicklung näher eingegangen und weiterführende Literatur angegeben.

Wie schon erwähnt, ist der Riedl nicht immer ganz einfach. Bei Haien und Fischen beispielsweise gibt es für die Flossen einen Code für die Namen, ihre Stacheln, ihre Strahlen und die jeweilige Anzahl. Ein Beispiel des Autors: 2D, IID 1.10-11. Übersetzt heißt das: der Fisch hat zwei Rückenflossen (D für Dorsalis), wobei die zweite einen Stachel hat und 10 bis 11 Flossenstrahlen.

Beim Umfang musste sich Riedl natürlich beschränken. Viele selten auftretende Arten, vor allem der Tiefsee, fehlen.

Die Fauna und Flora des Mittelmeeres ist nicht so leicht zu handhaben wie andere Bestimmungsbücher. In gewisser Weise könnte man es eine Herausforderung nennen. Aber es lohnt sich. Wenn man das Prinzip erst einmal verstanden hat, macht es richtig Spaß, mit dem Buch zu arbeiten. Dem Leser werden sehr viele Informationen zur Verfügung gestellt, die in vielen anderen Bestimmungsbüchern fehlen. Wirklich: Der alte Riedl muss sich vor seinen jüngeren Kollegen keineswegs verstecken.




Letzte Änderungen: 12.02.2013